The Fin
© Syeyoung Park
The Fin
„The Fin“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

In der Zukunft sind Nord- und Südkorea wieder vereint, jedoch ist das Land nach dem globalen ökologischen Kollaps verwüstet. Die wenigen Überlebenden leben in Kolonien, umgeben von radioaktiv verseuchtem Land. Die Herrscher dieser Kolonien regieren mit strenger Hand, versprechen eine Besserung der Lage, wenn die Bürger sich an ihre Regeln zum Sparen von Ressourcen halten. Die Omegas, missgestaltete Menschen, sind zum einen Feindbild und zum anderen willige Arbeitskräfte, die in den verseuchten Gebieten zur Zwangsarbeit eingesetzt werden. Sujin (Kim Pureum) ist eine der neuen Aufseherinnen, die die Omegas bei ihrer Arbeit überwachen und in täglichen Drills hört, wie gefährlich die Omegas sein können. Als es in ihrer Gruppe zu einem Todesfall kommt, spielt das für ihre Vorgesetzten keine Rolle, doch für den Freund des Toten (Goh-Woo) beginnt damit eine riskante Suche in der Kolonie nach der Tochter des Verstorbenen. Ihr soll er die Rückenflosse ihres Vaters übergeben, sodass sie ihn beerdigen kann. Während seine Suche ihn zu Mia (Yeon Yeji), der Mitinhaberin eines Fischgeschäfts führt, kommt Sujin dem Flüchtigen auf die Spur und sieht eine Gelegenheit, zu überprüfen, ob die Omegas tatsächlich so sind, wie man es ihr in den unzähligen Drills eingetrichtert hat.

Mythen und Ängste

In einem autoritären System ist die Definition von klaren Feindbildern ein Weg, sozialen Zusammenhalt und Gehorsam zu gewährleisten. Im Statement zu seinem Spielfilmdebüt The Fin erklärt Regisseur Syeyoung Kim, dass er die Genese von Mythen und Ängsten innerhalb eines solchen System zeigen wollte. Das dystopische Drama, das aktuell im Programm des Locarno Film Festival vertreten ist, greift aktuelle Diskussionen auf, beispielsweise um den Klimawandel oder das Erstarken rechtspopulistischer Bewegungen, und zeigt, wie Feindbilder von wahren Problemen ablenken. Kim bezieht sich zugleich auf historische Exempel, was man besonders bei Produktionsdesign erkennen kann, was an Parteislogans oder -werbungen der NSDAP oder kommunistischer Parteien in China oder der ehemaligen Sowjetunion erinnert. Die Botschaft ist nicht sonderlich subtil, doch speziell die menschliche Ebene überzeugt.

Die Stabilität eines gesellschaftlich-politischen Systems, wie es The Fin zeigt, hängt von einer klaren, repressiven Hierarchisierung ab. Die Omegas stehen auf der untersten Sprosse der sozialen Hierarchie, aufgrund ihrer als widernatürlich wahrgenommenen körperlichen Deformierungen und wegen der daraus resultierenden Gefahr. Sie sind ein Feindbild und werden gejagt, doch wenn sie einmal domestiziert sind, werden sie als Arbeitssklaven eingesetzt, die in den radioaktiv verseuchten Gewässern und Feldern rund um die Siedlungen eingesetzt werden. Bei einem Vortrag lernt Sujin zusammen mit ihren Kollegen, dass gerade die Rückenflosse der Omegas gefährlich sei und bei ihrem Tod ihre hohe Strahlung freisetzt. Ein Hinterfragen dieser Idee wird ebenso wenig geduldet wie eine Kritik an den politischen Heilsversprechen, die Wasserknappheit würde in „ein paar Generationen“ der Vergangenheit angehören.

Zahlreiche weitere Beispiele in The Fin verdeutlichen den Detailgrad von Syeyoungs politischer Parabel. Trotz sichtbar begrenzten Budgets gelingt es der Regie, diese Einschränkungen geschickt zu kaschieren und im Sinne einer sich langsam zersetzenden politisch-gesellschaftlichen Struktur einzusetzen. Insbesondere die Bilder sowie das generelle Produktionsdesign oder der Einsatz von Filtern bewirken, dass die Zuschauer recht schnell den maroden Kern hinter den politischen Parolen erkennen. So lange es ein Feindbild gibt, sehen sie Bewohner dieser Dystopie diesen aber nicht.

„Alles fällt in sich zusammen.“

Die Flosse eines Fisches dient zur Steuerung und der Balance, weswegen ihr Fehlen für das Tier ein lebensbedrohliches Manko bedeutet. In The Fin wird der Zuschauer mit einem politischen System konfrontiert, dem der moralische Kompass fehlt. Anhand seiner Figuren zeigt Syeyoung Kims Film den Zerfall gesellschaftlicher Kohärenz, mit teils sehr deutlichen Parallelen zu George Orwells 1984 oder gar Aldous Huxleys Schöne Neue Welt. Kim Pureum und Yeon Yeji überzeugen als Charaktere, die mit der repressiven Ideologie ihrer „schönen neuen Welt“ aufgewachsen sind, doch langsam aber sicher die Wahrheit hinter den politischen Slogans hinterfragen.

Der Zerfall ist allgegenwärtig, jedoch zeigen die Plakate und Monitore eine ganz andere Welt, die mehr und mehr wie eine Verhöhnung wirkt. Goh Woo als Omega, der als „Aussätziger“ versucht, innerhalb dieses Systems wie ein Mensch zu agieren, gebührt besonderes Lob. Seine Figur sowie seine darstellerische Leistung sind mit einigem Abstand die besten Aspekte von The Fin. Die Botschaft von Syeyoung Kims Film unterstützt man, doch ihre wenig subtile Umsetzung hätte etwas mehr Fingerspitzengefühl vertragen können.

Credits

OT: „The Fin“
Land: Südkorea, Deutschland, Katar
Jahr: 2025
Regie: Syeyoung Park
Drehbuch: Syeyoung Park
Musik: Seokyoung Haam
Kamera: Syeyoung Park
Besetzung: Yeji Yeon, Pureum Kim, Goh-Woo, Youngdoo Jeong, Joowon Meng

Bilder

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Locarno 2025

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The Fin
fazit
„The Fin“ ist ein dystopisches Drama mit vielen aktuellen, wenn auch oft wenig subtil vorgetragenen Parallelen zur politisch-gesellschaftlichen Realität heutzutage. Syeyoung Kims Stärken liegen in der technischen Inszenierung seines Filmes und bei den darstellerischen Leistungen, die der Geschichte eine menschliche Tiefe verleihen.
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