
Früher beschäftigte sich Daniel (Christoph Humnig) als Philosophiestudent mit den großen Fragen dieser Welt. Inzwischen ist er jedoch mit deutlich kleineren und alltäglicheren Themen beschäftigt. So nervt es ihn ein wenig, dass er noch immer mit Freundin Jenny (Katharina Bach) im Haus seines künftigen Schwiegervaters Frank (Christian Kuchenbuch) lebt, der auch noch sein Boss ist. Daniels Beruf: Chauffeur. Dabei lernt er eines Tages Naadirah (Kenda Hmeidan) kennen, Tochter eines schwerreichen Manns aus Katar. Und eines schwerkranken: Eine baldige Herzoperation ist nötig. Noch bevor diese ansteht, soll Naadirah verheiratet werden, ein wirkliches Mitspracherecht hat sie nicht. Begeistert ist sie nicht von dem Gedanken, zieht lieber mit Daniel um die Häuser und verstrickt ihn in zahlreiche Gespräche …
Auf der Suche nach Freiheit
Man kennt das Szenario aus zahlreichen Herzkino-Filmen: Jemand ist zu Beginn der Geschichte mit der falschen Person zusammen, lernt dann die wahre Liebe kennen, braucht aber eine Weile, um das auch zu erkennen. Auch Nächte vor Hochzeiten griff kürzlich auf dieses zurück, wenn sich zwei Menschen kurz vor ihrer Hochzeit bei ihren jeweiligen Junggesellenabschieden kennenlernen und dann alles auf den Kopf stellen. Ein bisschen geht auch Tage mit Naadirah in diese Richtung. Daniel ist mit Jenny zusammen, Naadirahs Hochzeit steht unmittelbar bevor. Dass Letztere falsch ist, daran besteht kein Zweifel. Eine arrangierte Hochzeit widerspricht hierzulande den Vorstellungen. Und auch bei Daniel darf man misstrauisch sein, ob das wirklich die große Liebe ist. Zumindest wird nie ganz klar, warum sie überhaupt zusammen sind.
Aber um romantische Gefühle geht es in dem deutschen Drama auch nur bedingt. Es ist ja nicht einmal sicher, ob die beiden Hauptfiguren tatsächlich solche entwickeln oder ob sie nicht einfach nur fasziniert sind von dem jeweils anderen Leben. Dabei spielt das Thema Freiheit eine große Rolle. Gerade Naadirah führt ein privilegiertes Leben, das geprägt ist von Luxus. Kümmern muss sie sich um nichts. Nur ist sie eben auch fremdbestimmt, ihr Vater entscheidet alles. Daniel hat da zumindest theoretisch die größeren Entfaltungsmöglichkeiten. Er hat sich sein Leben ausgesucht. Wobei Tage mit Naadirah auch daran Zweifel streut. Wir lernen hier keinen selbstbewussten Mann kennen, der beherzt zupackt. Er lässt sich eher treiben, sitzt nur deshalb am Steuer, weil ihm das jemand so gesagt hat. Unabhängig ist er ebenso wenig.
Ruhig, melancholisch, nachdenklich
Streckenweise wird der Film dann auch nachdenklich, fast schon philosophisch, wenn verschiedene Lebensentwürfe miteinander abgewogen werden. Es wird auch viel gesprochen, Regisseurin und Co-Autorin Josephine Frydetzki setzt maßgeblich auf Dialoge, um ihre Geschichte voranzutreiben. Wobei streng genommen nicht viel geschieht. Es ist auch nicht so, als würden am Ende konkrete Erkenntnisse stehen. Tage mit Naadirah ist keiner dieser Filme, die dem Publikum vorgeben, was es zu denken hat. Es sind eher Denkanstöße. Das könnte manchen dann auch nicht konkret genug sein, gerade auch in Verbindung mit dem Verhältnis der zwei Hauptfiguren, das bis zum Schluss eher vage bleibt. Da wird vieles nicht ausformuliert.
Und doch ist der Film sehenswert. Zum einen zeichnet er sich durch die schauspielerische Leistung aus, welche die charakterlichen Unterschiede der zwei Figuren ausarbeitet, ohne sie direkt in Worte fassen zu müssen. Außerdem ist da noch die Atmosphäre. Man hätte angesichts der großen Kontraste zwischen Daniel und Naadirah erwarten können, dass es immer wieder zu komischen Reibungen kommt. Diese halten sich aber sehr in Grenzen. Vielmehr ist Tage mit Naadirah ein melancholisches Werk geworden, das nicht ohne Grund oft mit Nachtaufnahmen arbeitet. Das Drama mag dabei nicht sehr gefällig sein, ist aber doch gelungen – wenn man sich auf derart ruhige Geschichten einlassen kann.
OT: „Tage mit Naadirah“
Land: Deutschland
Jahr: 2023
Regie: Josephine Frydetzki
Drehbuch: Josephine Frydetzki
Musik: The Breed
Kamera: Conrad Lobst
Besetzung: Christoph Humnig, Kenda Hmeidan, Christian Kuchenbuch, Mehmet Yilmaz, Katharina Bach
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