
Acht Jahre ist es mittlerweile her, dass die Mutter von Nele Reimer (Maïmouna Mbacké) fortgegangen ist. Niemand weiß, wo sie ist, sie hat sich seither nicht mehr gemeldet. Doch die 11-Jährige hat nie die Hoffnung aufgegeben, ihre Mutter noch einmal wiederzusehen. Als sie eines Tages im Fernsehen die Schauspielerin Ani Kraus (Franziska Wulf) sieht, ist sie fest davon überzeugt, dass diese Anita Reimer sein muss. Und so macht sie sich auf den Weg, um die Frau zu treffen und die überfällige Familienzusammenführung zu erzwingen. Neles Großmutter Steffi (Anja Kling), bei der sie seit dem Verschwinden gelebt hat und die mit ihrer Übervorsicht das Mädchen in den Wahnsinn treibt, reist ihr sofort hinterher. Doch schon die Fahrt mit dem Zug wird zu einer Odyssee, am Ende kommt alles ganz anders …
Besinnliches zum Freitag
Zurzeit mag man es in der Freitagabend-Programmschiene „Endlich Freitag im Ersten“ gern ein wenig besinnlicher. So ging es letzte Woche in Auf der Walz – Drei Jahre und ein Tag um eine Zimmerin, die als Wandergesellin nicht nur physisch ihren Weg sucht, sondern sich auch bewusst werden muss, was sie vom Leben will. Davor lernten wir in Trapps Sommer einen ehemaligen Philosophieprofessor kennen, der jenseits der 80 noch einmal sein Leben überdenkt. Und auch bei Per Anhalter zur Ostsee wird es zuweilen etwas nachdenklicher, wenn sich die Figuren klarwerden müssen, wie es in Zukunft weitergehen soll. Doch vor der Erkenntnis kommt das Chaos. Sehr viel Chaos, wenn bei den drei Hauptfiguren vieles im Argen liegt.
Dabei liegt der Fokus zunächst auf dem humoristischen Teil. Wenn sich Nele Zugang zum Set der Serie verschafft, ist das ebenso mit einer leisen Komik verbunden wie die Irrfahrt der Großmutter. Eigentlich sollte man meinen, dass eine Zugfahrt nichts allzu Kompliziertes ist. Bei Per Anhalter zur Ostsee geht aber alles schief. Auch das dient der Erheiterung, wenn Steffi den unterschiedlichsten Leuten begegnet und dabei in peinliche Situationen gerät. In dieser Phase ähnelt der Film auch einem Roadmovie, folgt den üblichen Konventionen, die dieses Genre mit sich bringt. Nur auf die tollen Bilder muss man dabei verzichten. In der Hinsicht ist bei der ARD-Produktion eher weniger zu holen, Aufnahmen aus Zügen, Lkws und vom Set sind dann doch nicht so der Hingucker.
Angenehm, aber ohne große Erkenntnisse
Der Anfang ist dann auch nicht so wahnsinnig interessant, Per Anhalter zur Ostsee scheint eine dieser typischen deutschen Fernsehkomödien zu sein, die niemanden stören, aber auch nicht wirklich viel Eindruck hinterlassen. Es plätschert einfach nett vor sich hin. Erst in der zweiten Hälfte gewinnt der Film an Substanz, als die Figuren anfangen, sich wirklich mit den Themen auseinanderzusetzen, die sie beschäftigen. Nele muss erkennen, dass sie einem Traum hinterherjagt. Steffi muss ihrerseits lernen loszulassen und das Leben wieder zu genießen, anstatt in ständiger Sorge zu leben. Und auch Ani, die es sich jahrelang in ihrer Erfolgsserie gemütlich gemacht hat, ohne richtig an die Zukunft zu denken, darf eine Perspektive für sich entdecken, wie es weitergehen könnte.
Die ganz großen Erkenntnisse sollte man dabei besser nicht erwarten, ganz so weit geht das hier dann doch nicht. Auch wenn Per Anhalter zur Ostsee prinzipiell Themen anspricht, die von einer universellen Natur sind, ist da nicht viel dabei, aus dem man tiefergehende Diskussionen ableiten könnte. Aber es ist doch eine ganz angenehme Tragikomödie aus dem Stoff geworden, die tatsächlich Ernstes und Trauriges zulässt, ohne das ausschlachten zu wollen. Sicher hätte man aus einigen Aspekten mehr herausholen können, etwa der Reise. Aber auch so ist das hier einer der besseren deutschen Fernsehfilme der letzten Zeit geworden. Man kann sich das hier schon ganz gut anschauen, um das Wochenende einzuleiten, während man dabei ein wenig lächelt, aber auch gerührt ist, wie sich eine Gruppe verlorener Menschen am Ende finden.
OT: „Per Anhalter zur Ostsee“
Land: Deutschland
Jahr: 2025
Regie: Süheyla Schwenk
Drehbuch: Kathi Liers
Musik: Ali N. Askin
Kamera: Patrick Orth
Besetzung: Anja Kling, Franziska Wulf, Maïmouna Mbacké, Sahin Eryilmaz, Bernhard Conrad, Rike Eckermann
Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.
(Anzeige)












