Love in the Big City

Wo immer Jae-hee (Kim Go-eun) auftaucht, zieht sie die Blicke der anderen auf sich. Das liegt nicht nur an ihrem guten Aussehen, sondern auch an ihrer unangepassten Art. Sie tut, was sie will, kümmert sich wenig darum, was andere von ihr halten. Das bringt ihr Bewunderung ein, aber auch den wenig schmeichelhaften Ruf, verrückt und wenig wählerisch bei den Männern zu sein. Heung-soo (Steve Sanghyun Noh), der in derselben französischen Unigruppe ist, schenkt ihr weniger Beachtung. Er ist viel zu sehr mit seinen eigenen Problemen beschäftigt. Vor allem seine Homosexualität, die er selbst vor seiner Mutter noch verbirgt, macht ihm zu schaffen. Als Jae-hee ihn eines Tages in einer kompromittierenden Situation erwischt, wird dies der Anfang einer Freundschaft, die über viele Jahre hält – aber auch beiden einiges abverlangt …

Adaption eines Erfolgsromans

Als der Südkoreaner Sang Young Park 2022 seinen Roman Love in the Big City veröffentlichte, wurde dieser zu einem großen Erfolg. Die Sammlung von vier miteinander verbundenen Kurzgeschichten rund um emotionale Begegnungen in der Großstadt war daheim ein Bestseller, wurde in mehrere Sprachen übersetzt und war für mehrere Preise im Rennen. Dass ein solches Buch adaptiert wird, überrascht daher nicht. Ungewöhnlich ist jedoch, dass gleich zwei Adaptionen innerhalb kürzester Zeit erschienen sind. Während die hier vorliegende Filmversion im September 2024 beim Toronto International Film Festival Weltpremiere hatte, folgte im Oktober eine Serienfassung. Während Letztere bei uns bislang keinen Veröffentlichungstermin hat, können Fans schon einmal einen Blick auf die Filmversion werfen, die immerhin digital vorliegt.

Während die Serie eine direkte Umsetzung der Vorlage ist, nahm man sich für den Film lediglich eine der vier Kurzgeschichten und erweiterte diese zu einem für sich stehenden Werk. Über Sinn und Zweck kann man sich dabei dann streiten, ein bisschen ist das schon eine Mogelpackung – zumindest für Fans. Hinzu kommt, dass der Titel etwas irreführend ist. Wer nur diesen kennt bzw. einen Blick auf das Artwork des Dramas wirft, könnte den Eindruck gewinnen, dass hier die Romanze zwischen einem Mann und einer Frau erzählt wird. Stimmt aber nicht. Das heißt nicht, dass es nicht auch um romantische Gefühle geht. Sowohl Jae-hee als auch Heung-soo werden sich im Laufe der Zeit in andere verlieben, oft unglücklich. Mal stehen sie sich selbst im Weg, mal treffen sie eine schlechte Wahl bei den Männern.

Die Geschichte einer besonderen Freundschaft

Doch im Grunde erzählt E.oni, die unter ihrem Namen Eon-hee Lee als Schauspielerin Karriere gemacht hatte und hiermit ihr Regiedebüt gibt, vor allem die Geschichte einer besonderen Freundschaft. Wir folgen den beiden durch die Jahre, sehen, wie sie zusammenziehen. Vor allem sehen wir, wie sie sich gegenseitig stützen, wenn sie mal wieder irgendwie abstürzen und schlechte Erfahrungen machen. Dass eine solche Freundschaft zwischen Mann und Frau nur dann möglich sein soll, wenn er schwul ist, nervt zwar ein wenig, weil es nur Klischees bestätigt. Überhaupt greift Love in the Big City ziemlich oft auf solche zurück. Originell ist das hier alles nicht, gerade auch im Hinblick auf die Figurenzeichnung ist das eher genügsam geworden.

Das heißt aber nicht, dass das Ergebnis nicht sehenswert ist. Da sind doch immer wieder berührende Momente dabei, wenn die zwei zu Hilfe eilen. Der Film hat zudem einige aufmunternde Worte, die für das Publikum gedacht sind. Dass man sich nicht vom Urteil anderer abhängig machen sollte, niemand das Recht hat, einem weh zu tun, und manche ihre Positionen ausnutzen, sind sicherlich keine neuen Erkenntnisse. Aber sie sind wichtig genug, um sie mit anderen zu teilen. Insofern ist Love in the Big City durchaus ein gelungenes Drama, welches sich mit komplizierten Gefühlen und der Suche nach einem eigenen Platz in der Welt befasst.