
Evie (Susan Misner) und Malcolm McNulty (Matt Koenig) sind auf den Ernstfall vorbereitet. Als dieser durch die Explosion einer gewaltigen Bombe vor der kalifornischen Küste eintritt, ist das Ehepaar allerdings meilenweit voneinander entfernt. Malcolm arbeitet in Los Angeles‘ Innenstadt, Evie sitzt mit den drei Kindern Molly (Grace Powell), Theo (Caden Dragomer) und Emma (Sophia Kopera) zu Hause. Ihr Ziel nach der Katastrophe ist dasselbe: ein Anwesen in den Rocky Mountains. Hier hat sich Evies Schwager, der Milliardär Ian Ross (Neal McDonough), gemeinsam mit seiner Frau Jenna (Dawn Olivieri) und Tochter Claire (Olivia Sanabia) einen sicheren Hafen errichtet. Das weitläufige Gelände verfügt über ausreichend Anbauflächen und Vorratsspeicher, um autark über die Runden zu kommen. Zum Schutz vor Eindringlingen hat Ian den Ex-Soldaten Jeff Eriksson (Bailey Chase) angeheuert, der sich nach Eintritt des Ernstfalls zusammen mit seiner Familie (Kearran Giovanni, Tyler Lofton, Isaiah Dolan, Georgie White) und einer Handvoll ehemaliger Kameraden ebenfalls in Richtung Homestead aufmacht. Vor Ort angekommen gehen die Meinungen weit auseinander, wie das Anwesen gesichert und wie mit den Hilfesuchenden vor den Toren umgegangen werden soll. Zusätzliche Probleme lassen nicht lange auf sich warten.
Zwischen Prepper-Propaganda und Christen-Kitsch
Die Angel Studios, die hinter diesem Film stehen, sind noch gar nicht so alt, dafür aber häufig in den Schlagzeilen. Im Jahr 2021 von den vier mormonischen Brüdern Neal, Jeff, Jordan und Daniel Harmon zusammen mit Benton Crane gegründet, konzentriert sich das US-Medienunternehmen auf christlich-konservative Inhalte. (Die Harmon-Brüder und Crane betrieben bereits zuvor gemeinsam den Dienst VidAngel, der es Kunden ermöglichte, unerwünschte Inhalte aus Filmen und Serien herauszufiltern.) Das Portfolio ist vielfältig und zielt auf alle Altersklassen und Geschmäcker ab. Animationsserien wie Tuttle Twins und The Wingfeather Saga (nach den gleichnamigen Kinderbüchern) zählen ebenso dazu wie die Realserie The Chosen – Der Auserwählte über das Leben Jesu Christi oder der christlich angehauchte Science-Fiction-Film The Shift (2023).
Angel Studios‘ bislang größter Hit ist der umstrittene Thriller Sound of Freedom (2023), den das Unternehmen zwar nicht selbst produzierte, aber weltweit vertrieb, nachdem er zuvor von der Walt Disney Company jahrelang in den Giftschrank gestellt worden war. Schlagzeilen machte der Film nicht nur aufgrund seines enormen Erfolgs von mehr als 250 Millionen US-Dollar Einnahmen bei einem Budget von gerade einmal 14,5 Millionen US-Dollar. Die Story um einen US-Amerikaner, der einen kolumbianischen Ring von Kinderhändlern sprengt, feuerte auch den Kulturkampf in den USA weiter an. Während die einen darin einen ehrlichen Versuch sahen, auf ernst zu nehmende kriminelle Aktivitäten aufmerksam zu machen, verstanden die anderen den Film als manipulatives Machwerk konservativer Kräfte. Verglichen dazu löste Homestead weder ein großes Medienecho noch eine Kontroverse aus. Die transportierte Botschaft ist aber ebenfalls mit Vorsicht zu genießen.
Formelhafte Handlung, fragwürdige Botschaft
Homestead ist die Adaption der Buchreihe Black Autumn der Autoren Jeff Kirkham und Jason Ross. Gemeinsam mit Phillip Abraham und Leah Bateman hat Ross auch das Drehbuch zur Verfilmung verfasst. Der Handlungsverlauf ist aus anderen Endzeitszenarios vertraut und längst in seiner Formelhaftigkeit erstarrt. Einen aufregenden Einstieg sollte man vom Film des Regisseurs Ben Smallbone also nicht erwarten. Auf die Katastrophe folgt eine Kettenreaktion, die in den sich stetig steigernden Zerfall der Zivilisation mündet: Menschen fliehen aus dem Katastrophengebiet, Hamsterkäufe und Plünderungen setzen ein, Wasser und Lebensmittel werden knapp, die Infrastruktur bricht zusammen, Verteilungskämpfe nehmen zu. Und während die einen ausharren und auf Rettung warten, nehmen die anderen ihr Schicksal selbst in die Hand. So weit, so gewohnt und gewöhnlich. Ungewöhnlich ist die Perspektive, aus der dieser schrittweise Untergang und Neuaufbau geschildert wird. Und hier kommen die Angel Studios ins Spiel.
Im Zentrum des titelgebenden Rückzugsorts stehen einerseits fromme Christen wie die Familie des Milliardärs Ian Ross (Neal McDonough), andererseits stolze Patrioten wie die Familie der zwei Ex-Militärs Jeff (Bailey Chase) und Tara Eriksson (Kearran Giovanni). Beide vereint, dass sie Prepper sind, also Menschen, die sich privat auf Katastrophenszenarios vorbereiten. Wie selbstverständlich alle Hauptakteure zu Beginn der Handlung zu ihren „go bags“, zu den für den Ernstfall mit den lebensnotwendigsten Dingen gepackten Taschen greifen, bildet die erste Irritation dieses Films; wie positiv das Preppertum konnotiert ist, eine weitere. So weit die Meinungen, wie mit den gehorteten Lebensmitteln und wie mit den Hilfesuchenden vor den Toren des Anwesens umzugehen sei, innerhalb und zwischen den Familien Ross und Eriksson auch auseinandergehen, eins ist klar: Nur wer sich auf sich selbst und seinesgleichen verlassen kann, überlebt im Katastrophenfall. Wer hingegen auf die Hilfe der Regierung hofft, ist verlassen. Was einem Kinopublikum, das demokratisch gewählten Volksvertretern kritisch bis verschwörungstheoretisch gegenübersteht, in die Karten spielt.
Der Schein trügt nur anfangs
Das Perfide an gut gemachter Propaganda ist, dass sie subtiler als schlecht gemachte Propaganda funktioniert und deshalb oft nicht als solche wahrgenommen wird. Auf den ersten Blick scheint nichts an Homestead radikal; was die darin vorgetragenen Meinungen und geführten Diskussionen anbelangt, wirkt der Film eher moderat und ausgewogen, ja beinahe pluralistisch. Schließlich stellt das Drehbuch mit den friedfertigen Christen und den gewaltbereiten Ex-Soldaten zwei sehr unterschiedliche Weltanschauungen einander gegenüber. Dabei übersieht man leicht, dass es sich bei beiden um erzkonservative Einstellungen handelt. Linke Stimmen fehlen ebenso wie liberale(re) Lebensentwürfe, wenn diese nicht gerade diskreditiert werden. Manches davon geschieht freilich so beiläufig, dass es dem Kinopublikum womöglich entgeht.
Beispiele gefällig? Die Tochter des steinreichen Paars wird zu Hause unterrichtet und ihr Umgang mit dem anderen Geschlecht ist streng reglementiert; die zwei Terroristen, die zu Beginn der Handlung eine schmutzige Bombe zünden, sind selbstredend nicht weiß; umweltfreundliche Elektroautos sind während des Weltuntergangs die denkbar schlechteste Wahl; die psychische Erkrankung eines Mannes führt dazu, dass er seine Familie im Angesicht der Katastrophe im Stich lässt und sich stattdessen lieber ein paar Tage in Las Vegas vergnügt; und der traumatische Tod eines nur vermeintlich in Notwehr erschossenen, unschuldigen Mannes wird erst „weggebetet“ und dann „weggelacht“. Was den eigentlichen Bösewicht des Films anbelangt, lassen die Drehbuchschreiber dann allerdings jede Subtilität fahren und zeigen ihr wahres Gesicht. Denn die größte Gefahr geht weder von inneren Konflikte noch von Ressourcenknappheit aus, sondern kommt von außen: vom himmelschreiend einfältig und grobschlächtig gezeichneten Lokalpolitiker Blake Masterson (Currie Graham), der sich gewaltsam Zugang zum Anwesen verschaffen will und dabei eine Schneise der Verwüstung hinterlässt.
Fortsetzung folgt
Spätestens an dieser Stelle wird die Stoßrichtung des Films klar: Die Regierung ist der denkbar schlimmste Feind freiheitsliebender und autark lebender Individuen. Die im letzten Akt schwülstig aus dem Off gepredigte und im Filmbild in die Tat umgesetzte christliche Nächstenliebe dient lediglich als Feigenblatt, um diese antidemokratischen Tendenzen zu verdecken. Man muss diese Botschaft übrigens weder verteufeln noch überhaupt erkennen, um Homestead schlecht zu finden. Allein die formalen Schwächen reichen aus. Figuren und Handlungsstränge werden aufwendig eingeführt, danach fallengelassen und erst spät wieder aufgegriffen. Die Figurenzeichnung lässt ebenso zu wünschen übrig wie die unterkomplex geführten Dialoge, das Schauspiel und die Dramaturgie. Das größte Ärgernis, das viele der Schwächen erklären könnte, haben sich die Filmemacher aber fürs Ende aufgespart. All das, also fast zwei Stunden Spielfilm, war lediglich der Auftakt zu einer gleichnamigen Fernsehserie, die die Ereignisse des Films fortführt und werbewirksam im Kino angeteasert wurde.
OT: „Homestead“
Land: USA
Jahr: 2024
Regie: Ben Smallbone
Drehbuch: Phillip Abraham, Leah Bateman, Jason Ross
Vorlage: Jeff Kirkham, Jason Ross
Musik: Benjamin Backus
Kamera: Matthew Rivera
Besetzung: Neal McDonough, Dawn Olivieri, Bailey Chase, Kearran Giovanni, Susan Misner
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