Der Kanal
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Der Kanal

Inhalt / Kritik

Der Kanal
„Der Kanal“ // Deutschland-Start: 25. Juli 1958 (Kino) // 16. Juni 2016 (DVD)

Im September 1944 sieht die Lage nicht gut aus für die Kämpfer der Bewegung, die als Warschauer Aufstand in die Geschichtsbücher eingehen wird. Von der Wehrmacht eingekesselt, unterbesetzt und zudem noch ohne passende Ausrüstung ziehen sie ins Feld, wobei es nur noch wenige Rückzugsmöglichkeiten gibt. Diese Lage hat auch Leutnant Zadra (Wieńczysław Gliński) erkannt, der mit einer Truppe von 43 Männern und Frauen, größtenteils im Kampf unerfahrene Zivilisten, eine Stellung halten soll. Als dann auch noch Panzer vorrücken, wird Zadras Truppe abkommandiert und muss sich über das Kanalsystem zu einer vermeintlich sicheren Stellung durchkämpfen. Jacek (Tadeusz Janczar), der den Spitznamen „Korab“ trägt und beim Angriff der Deutschen schwer verwundet wurde, wird von einer jungen Frau, die von den Männern wegen ihrer blonden Haare „Gänseblümchen“ genannt wird, geholfen, die sich in der Kanalisation auskennt. Da nach ihrer Meinung der Weg beschwerlich, aber einfach zu finden ist, verlangt sie von Zadras, mittlerweile auf 23 Männer geschrumpfte Truppe, sie sollen vorgehen und sie werde mit dem verletzten Mann nachkommen. Weit abgeschlagen macht sich auch Halinka (Teresa Berezowska) mit Madry (Emil Karewicz) auf den Weg in den dunklen, stinkenden Kanal, doch sie haben schon bald den Anschluss an die Gruppe verloren.

Entgegen der Aussage von „Gänseblümchen“ ist der Weg durch die Kanalisation alles andere als einfach, denn nicht nur der Gestank und die Dunkelheit macht den Männern und Frauen zu schaffen, auch die Orientierung. Zusätzlich sind viele Tunnel von den Deutschen bereits vermint worden, sodass Zadras Truppe noch weitere Verluste erleiden muss und selbst der kampferprobte Leutnant langsam aber sicher die Hoffnung verliert.

In der Falle

Der Kampf des Warschauer Aufstands erscheint als Thema für einen Künstler sehr attraktiv. Doch lange gab es nur wenig über diesen Abschnitt der Geschichte Polens, was nicht zuletzt an der sowjetischen Zensur lag. Da ein Eingreifen der Roten Armee theoretisch möglich gewesen wäre und so der Massenmord an den Mitgliedern des Aufstandes hätte verhindert werden können, wie viele Historiker behaupten, hatte es daher auch das Andrzej Wajdas Projekt Der Kanal, welches auf einer Kurzgeschichte des Autors Jerzy Stefan Stawiński, der auch das Drehbuch schrieb, nicht einfach. Jedoch waren die Zensoren, von denen viele Überlebende des Aufstandes waren, angeblich so ergriffen, dass Wajda mit den Dreharbeiten zu dem zweiten Teil seiner „Kriegs-Trilogie“ beginnen konnte.

Mit Der Kanal gelang Wajda ein großer kritischer Erfolg, welcher ihm auch international Anerkennung einbrachte, wie beispielsweise bei den Filmfestspielen in Cannes, wo er den Spezialpreis der Jury 1957 entgegennehmen durfte. In einer Zeit, während der die Aufarbeitung des Zweiten Weltkrieges und der Kriegsverbrechen Deutschlands gerade erst begonnen hatte, zeigte Wajda ein fast schon dokumentarisches Porträt jenes aussichtslosen Kampfes, den die Kämpfer des Warschauer Aufstandes austragen mussten. Am Ausgang besteht eigentlich von der ersten Minute an kein Zweifel, ist sich der von Wieńczysław Gliński gespielte Zadra doch sicher, er werde sterben, genauso wie seine Männer und es sei alles nur noch eine Frage von Stunden, bestenfalls Tagen. Es ist ein ernüchternder Realismus, welcher ein Werk wie Der Kanal ausmacht, von der ersten bis zur letzten Minute, zeigt Wajda doch einen Wettlauf mit einem übermächtigen Feind, der seinen Gegner schon lange in der Falle hat und nur auf den richtigen Moment wartet, um zuzuschlagen.

„Diese Stille ist so laut.“

Das Kanalisationssystem ist in Wajdas Film eine Art Metapher für die bereits angesprochene Falle. Die Dunkelheit, der Dreck und die Echos der Stimmen der Männer und Frauen geben den Szenen im Kanal eine bedrückende, unheimliche, teils auch surreale Atmosphäre, innerhalb derer wahrlich nichts so furchtbar ist wie die Stille oder das Warten auf das, was einen hinter der nächsten Ecke erwarten und den Tod bedeuten könnte. Darüber hinaus konzentriert sich Wajdas Inszenierung auf einige Kämpfer aus der Truppe, ihre individuellen Geschichten von Krieg, Entbehrung, Heimatverlust und Tod, was nicht nur zur Spannung beiträgt, sondern auch zur Tragik dieser Männer und Frauen, ohne sie zu glorifizieren.

Credits

OT: „Kanał“
Land: Polen
Jahr: 1957
Regie: Andrzej Wajda
Drehbuch: Jerzy Stefan Stawiński
Vorlage: Jerzy Stefan Stawiński
Musik: Jan Krenz
Kamera: Jerzy Lipman
Besetzung: Tadeusz Janczar, Teresa Iżewska, Wieńczysław Gliński, Zadeusz Gwiazdowski, Stanisław Mikulski, Emil Karewicz, Władisław Sheybal, Maciej Maciejewski, Jan Englert, Teresa Berezowska

Bilder

Trailer

Filmpreise

Preis Jahr Kategorie Ergebnis
BAFTA Awards 1959 Bestes Nachwuchstalent Teresa Izewska Nominierung
Cannes 1957 Goldene Palme Nominierung
Großer Preis der Jury Sieg

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Mit „Der Kanal“ ist dem polnischen Regisseur Andrzej Wajda einer sehr beklemmender Kriegsfilm gelungen. Der Zuschauer wird Zeuge eines Klimas der Hoffnungslosigkeit, der Todesgewissheit und des zunehmenden Realitätsverlusts einer Gruppe von Kämpfern, die um den Ausgang des Gefechts schon lange Bescheid wissen. Erzählerisch wie formal zeigt sich Wajda als Realist, der seinen Zuschauer Anteil haben lässt an den Schicksalen, von denen sein Film berichtet
8
von 10