Alles was wir geben mussten Never Let me Go
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Alles, was wir geben mussten

Inhalt / Kritik

Alles was wir geben mussten Never Let me Go
„Alles, was wir geben mussten“ // Deutschland-Start: 14. April 2011 (Kino) // 12. August 2011 (DVD/Blu-ray)

Kathy (Izzy Meikle-Small), Ruth (Ella Purnell) und Tommy (Charlie Rowe) wachsen in den 1970ern gemeinsam in dem Internat Hailsham auf. Dort lernen sie, lassen im Kunstunterricht ihrer Kreativität freien Lauf und tun ansonsten das, was Kinder in ihrem Alter immer tun. Zumindest dachten sie das. Erst später erfahren sie, dass sie keine Menschen wie andere sind. Ihre Aufgabe ist es, als Erwachsene ihre Organe zu spenden, so lange wie es ihre Körper hergeben. Jahre später leben Kathy, Ruth und Tommy (nun Carey Mulligan, Keira Knightley und Andrew Garfield) mit anderen jungen Menschen auf speziellen Bauernhöfen zusammen, die dasselbe Schicksal erwartet. Dort dürfen sie erstmals in ihrem Leben mit der Außenwelt in Kontakt treten, während sie sich gleichzeitig darauf vorbereiten, was sie alle erwartet …

Ein Werk jenseits der Genregrenzen

Sonderlich umfangreich ist das Gesamtwerk von Kazuo Ishiguro nicht gerade. Lediglich acht Romane in rund 40 Jahren hat der in Japan geborene britische Autor zu Papier gebracht. An Renommee mangelt es ihm dafür nicht. Eine ganze Reihe bedeutender Preise hat er bislang erhalten, darunter einen Man Booker Prize sowie den Nobelpreis für Literatur. Dabei war er in den unterschiedlichsten Genres unterwegs, schrieb ebenso Historiendramen wie dystopische Science-Fiction-Visionen. In einem seiner bekanntesten Bücher, dem 2005 veröffentlichten Never Let Me Go – deutscher Titel: Alles, was wir geben mussten – kombinierte er diese unterschiedlichen Richtungen zu einem Gesamtwerk, das sich nicht so leicht kategorisieren lässt und in den verschiedensten Genres zu Hause ist.

Das gilt für die 2010 erschiene Kinoadaption ebenfalls. So startet die Geschichte zwar in den 1970ern, beschreibt aber eine alternative Vergangenheit, in der die Technik weiter ist als unsere heute. Was genau diese Technik ist und wie sie es den Menschen erlaubt, auf einmal über 100 Jahre alt zu werden, das wird in den anfänglichen Texttafeln zwar nicht verraten. Das Publikum musste dennoch nicht lange auf die Auflösung warten: Relativ früh verrät Alles, was wir geben mussten bereits, dass die Kinder, denen wir hier folgen, lediglich zu dem Zweck gezüchtet und aufgezogen werden, damit sie später einmal als Organ-Ersatzlager fungieren können. Bemerkenswert ist dabei, dass diese Wendung nicht wirklich als solche inszeniert wird. Wo beispielsweise ein M. Night Shyamalan einen kompletten Film rund um diese Erkenntnis gestrickt hätte, da geschieht das hier beiläufig im Klassenzimmer.

Der Mensch als Ware

Ganz verzichtet der Film zwar nicht auf die Mystery-Anleihen. Da wird gemunkelt, Geschichten machen die Runde, Gerüchte werden verbreitet. Das hat aber mehr damit zu tun, dass die jungen Ersatzteillager nicht als vollwertige Menschen angesehen werden und man deshalb nicht offen mit ihnen redet. Das Erschreckende bei Alles, was wir geben mussten ist dabei nicht die Grausamkeit des von Ishiguro entworfenen Szenarios, das eigentlich im Horrorgenre seine Zukunft finden müsste. Vielmehr schockiert die zynische Selbstverständlichkeit, mit der die jungen Menschen zu einer reinen Ware degradiert werden. Wie wenig das Individuum zuweilen zählt, wenn es um wirtschaftliche oder politische Interessen geht, das können wir tagtäglich beobachten. Hier geht das Ganze noch einen Schritt weiter.

Regisseur Mark Romanek erzählt von diesem Horror ganz leise und beiläufig. Wie in dem Roman verzichtet er auf die großen dramatischen Momente, versucht nicht, das Publikum mit zugespitzten Situationen zu manipulieren. Tatsächlich dürfte es nicht wenige geben, denen das hier sogar zu wenig ist. Da wird nicht groß rebelliert. Es wird nicht einmal wirklich hinterfragt, ob das alles richtig ist. Stattdessen begleitet Alles, was wir geben mussten drei junge Menschen, die sich zwar immer noch nach Antworten sehnen und nach einer eigenen Position in einer Welt, die sie gar nicht wahrnimmt. Aber sie tun das mit einer Mischung aus Melancholie und Fatalismus, wie Schafe, die seufzend vor dem Schlachter stehen und darauf warten, dass sie an der Reihe sind.

Trotz Distanz berührend

Das entfaltet insgesamt sicher nicht die emotionale Wucht, wie es der Roman seinerzeit tat. Dafür bleibt das Drama dann doch etwas zu sehr auf Distanz, gibt zu wenig Einblicke in das Seelenleben der drei. Berührend ist Alles, was wir geben mussten aber auch in dieser leicht abgespeckten Fassung. Gerade die Darstellung durch die beobachtende Carey Mulligan und die schönen Bilder tragen dazu bei, dass man sich hier in dieser sehnsuchtsvollen, tieftraurigen Sinnsuche verliert. Da ist natürlich auch Wut dabei, ein bisschen Verzweiflung, wenn nette, liebevolle Menschen derart missbraucht werden. Aber es ist eine ohnmächtige, stille Wut angesichts eines Verlustes, der sich nicht klar fassen lässt – wie so vieles hier.

Credits

OT: „Never Let Me Go“
Land: UK
Jahr: 2010
Regie: Mark Romanek
Drehbuch: Alex Garland
Vorlage: Kazuo Ishiguro
Musik: Rachel Portman
Kamera: Adam Kimmel
Besetzung: Carey Mulligan, Keira Knightley, Andrew Garfield, Charlotte Rampling, Isobel Meikle-Small, Ella Purnell, Charlie Rowe

Trailer

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Die Adaption des gleichnamigen Romans erzählt von jungen Menschen, deren einziger Lebenszweck der ist, später mal Organe spenden zu müssen. „Alles, was wir geben mussten“ macht daraus keine große Wendung, interessiert sich auch nicht für die Horror- und Science-Fiction-Elemente. Stattdessen ist das hier ein leise erzähltes Drama um drei Leute, die im Rahmen dieses Schicksals dennoch einen Sinn und Antworten suchen.
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