Ferdinand von Schirach Feinde
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Ferdinand von Schirach: Feinde

Kritik

Ferdinand von Schirach Feinde
„Ferdinand von Schirach: Feinde“ // Deutschland-Start: 3. Januar 2021 (Das Erste)

Der Schock sitzt tief bei Ehepaar von Bode (Ursina Lardi, Harald Schrott): Ihre zwölfjährige Tochter Lisa (Alix Heyblom) wurde entführt, 5 Millionen Euro in Bitcoins sollen sie als Lösegeld bezahlen. Der ermittelnde Polizist Peter Nadler (Bjarne Mädel) rät zwar dringend davon ab, weil dies die Chancen verringert, den Täter zu schnappen. Eine Idee hat er auch bald, wer dahinter stecken könnte, seiner Intuition nach muss es der Sicherheitsmann Georg Kelz (Franz Hartwig) gewesen sein. Doch der zeigt sich wenig kooperativ. Und so beschließt Nadler in der Zeitnot, beim Verhör alle Grenzen zu überschreiten, um so die Wahrheit aus ihm herauszubekommen. Das wiederum ruft den Anwalt Konrad Biegler (Klaus Maria Brandauer) auf den Plan, der den Angeklagten vor Gericht vertritt …

Diskussionen um Gerechtigkeit

Wenn ein TV-Film produziert wird, der auf einer Geschichte von Ferdinand von Schirach basiert, dann weiß man schon im Groben, was einen erwartet. Eigentlich geht es immer um das Abwägen innerhalb eines moralischen Dilemmas, gern verbunden mit juristischen Regelungen, die nicht immer gefühlt plausibel sind. Bei Gott vor einigen Wochen stand die Frage im Raum, ob ein assistierter Selbstmord gesetzlich erlaubt sein soll. In Terror – Ihr Urteil wurde darüber diskutiert, ob man ein Flugzeug voller Unschuldiger abschießen darf, damit dieses nicht in der Stadt abstürzt, wo es noch mehr unschuldige Leben kosten würde. Beides Themen, die nicht unbedingt einen entspannten Abend vor dem Fernseher erlauben.

Bei Ferdinand von Schirach: Feinde, dem neuesten TV-Event rund um die Überlegungen des deutschen Strafverteidigers und Schriftstellers, ist das prinzipiell ähnlich. Erneut geht es um eine Abwägung, um die Frage, ob das Verursachen von Leid gerechtfertigt ist, wenn es damit anderes verhindern kann. Genauer wird ein Klassikers ausgegraben, der in den letzten zwei Jahrzehnten in den USA wieder ganz aktuell wurde: Darf man einen Menschen foltern, um auf diese Weise Menschenleben zu retten? Juristisch ist das eindeutig: Folter ist verboten. Ein Fehler, wie Nadler an einer Stelle sagt. Und er wird nicht der einzige sein, bei dem Recht und Gerechtigkeit in diesem Punkt auseinanderklaffen. Schließlich geht es um ein Kind. Das ist wichtiger als das Gesetzbuch.

Während Feinde inhaltlich so den vorangegangenen Titeln nacheifert, ging man formal andere Wege. Anstatt den interaktiven Aspekt fortzusetzen, wenn das Publikum daheim über den Ausgang einer Verhandlung abstimmten durfte, machte man aus dem Stoff lieber zwei Filme. Feinde: Gegen die Zeit folgt Nadler bei seinen Ermittlungen und der Folter des Verdächtigen. Feinde: Das Geständnis nimmt die Perspektive des Strafverteidigers ein, der sich auf den Fall vor Gericht vorbereitet. Das ist zunächst als Idee schon schlüssig. Filme mit wechselnden Perspektiven, welche zusammen ein Bild ergeben, hat es immer schon gegeben, letztes Jahr beispielsweise beim Geheimtipp Sag du es mir. In Verbindung mit zwei unterschiedlichen Rechtsauffassungen klang das eigentlich ganz spannend.

Zwei Fassungen, wenig Inhalt

Leider stellt sich das aber als Mogelpackung heraus. Zum einen sind Gegen die Zeit und Das Geständnis über weite Strecken derselbe Film. Anfang und Ende sind gleich, nur im Mittelteil weichen sie voneinander ab. Schlimmer ist aber, dass diese Teilung inhaltlich keine neuen Erkenntnisse bringt. Während die Folterpassagen im einen Film Eindruck machen, ohne etwas auszusagen, hält sich der andere damit auf, den Gesundheitszustand des Strafverteidigers und sonstige private Probleme in den Mittelpunkt zu stellen. Das ist dann zwar alles für sich genommen nett, aber nicht wirklich zielführend. Man erfährt nichts, was die Grundsatzfrage weiter vertiefen oder von unterschiedlichen Seiten beleuchten würde. Es fehlt etwas, das die doppelte Sichtung in irgendeiner Form rechtfertigen würde.

Ferdinand von Schirach: Feinde hat aber auch darüber hinaus einige Schwächen. So fallen die Ermittlungen schon sehr kurz aus, Nadler ist irgendwann so fest davon überzeugt, den Schuldigen zu haben, ohne dass klar würde warum. Da wäre es besser gewesen, sich doch rein auf die Diskussion für und gegen Folter zu konzentrieren, anstatt einen längeren Pseudo-Krimi-Teil zu haben, der nichts Halbes und nichts Ganzes ist. Ebenso wenig nachvollziehbar ist das Verhalten des Angeklagten, von den bizarren Dialogen vor Gericht ganz zu schweigen. Was dem Quasi-Zweiteiler an inhaltlicher Konsequenz und Ausgereiftheit mangelt, das macht er aber zumindest teilweise schauspielerisch wieder wett. Gerade Mädels selbstgerecht-verzweifelten Entgleisungen sind stark, auch Brandauer sieht man gern dabei zu, wie er argumentativ sein Gegenüber auseinandernimmt. Es wäre nur zu wünschen gewesen, dass den beiden und dem potenziell interessanten Stoff ein besserer Film vergönnt ist.

Credits

OT: „Ferdinand von Schirach: Feinde“
Land: Deutschland
Jahr: 2021
Regie: Nils Willbrandt
Drehbuch: Jan Ehlert, Nils Willbrandt
Vorlage: Ferdinand von Schirach
Musik: Richard Ruzicka
Kamera: Sebastian Edschmid
Besetzung: Klaus Maria Brandauer, Bjarne Mädel, Franz Hartwig, Katharina Schlothauer, Alix Heyblom, Ursina Lardi, Harald Schrott, Anne Ratte-Polle

Bilder

Trailer

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„Ferdinand von Schirach: Feinde“ zeigt einen Polizisten, der ein entführtes Mädchen zur Not mit Folter retten möchte, und einen Strafverteidiger, dem das Gesetz wichtiger ist. Das Thema ist interessant, die beiden Hauptdarsteller sind stark. Dennoch überzeugt der Zweiteiler weder formal noch inhaltlich, weil das einfach alles nicht durchdacht und plausibel ist.
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von 10