Kampf um den Halbmond No Man's Land
© Sife Elamine

Kampf um den Halbmond – Staffel 1

Kritik

Kampf um den Halbmond No Man's Land
„Kampf um den Halbmond – Staffel 1“ // Deutschland-Start: 26. November 2020 (Arte) // 25. Juni 2021 (DVD)

Auch wenn es inzwischen schon eine ganze Weile zurückliegt, Antoine Habert (Félix Moati) ist nie über den Tod von seiner Schwester Anna (Mélanie Thierry) hinweggekommen, die als Archäologin in Ägypten arbeitete und dort bei einem Anschlag ums Leben gekommen ist. Umso überraschter ist er, als er eines Tages Aufnahmen von Kämpferinnen im Ausland sieht, bei dem er Anna wiederzuerkennen glaubt. Auch wenn ihm alle davon abraten und ihn für verrückt halten, beschließt der Franzose, dorthin zu reisen und die Frau aus dem Video zu finden. Dabei begibt er sich jedoch in große Gefahr, da er zwischen den Fronten des Islamischen Staates und einer mit Frauen besetzten Kampfeinheit gerät …

Die Illusion des Todes
In Thrillern gehört es zu den immer wieder beliebten Motiven: Der Protagonist oder die Protagonistin sieht per Zufall einen Menschen, der eigentlich schon seit Jahren tot sein sollte. Aber ist er es wirklich oder handelt es sich dabei nur um eine Einbildung, um besser mit dem Schmerz fertig zu werden? Und wenn es doch die vermutete Person war, was ist damals wirklich passiert und warum hat sie sich alle die Jahre versteckt? Vor einigen Monaten startete die Serie Mirage – Gefährliche Lügen im Fernsehen, wo eine Frau erkennen musste, dass ihr vermeintlich toter Mann nicht nur quicklebendig ist, sondern auch noch andere Geheimnisse vor ihr hatte. Bei Kampf um den Halbmond ist es nun ein Bruder, der einer Frau hinterher reist, die seine Schwester sein könnte und dabei ebenfalls überraschende Entdeckungen macht.

Dabei ist die Serie kein Mysterythriller wie der Titel oben. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine Mischung aus Charakterdrama und Kriegsschrecken, verbunden mit vereinzelten Elementen von Spionagegeschichten. Das hört sich komplex an, zumal Kampf um den Halbmond – international als No Man’s Land bekannt – auf eine chronologische Erzählstruktur verzichtet. Zwar gibt es eine Hauptgeschichte, welche die Versuche von Antoine beschreibt, seine Schwester wiederzufinden. Doch diese wird immer wieder unterbrochen. So erfahren wir beispielsweise erst nach und nach mithilfe von Flashbacks, weshalb das Verhältnis der beiden so schwierig war und dass es schon vor dem Tod zu einem Zerwürfnis kam.

Die Figuren als laufende Rätsel
Hinzu kommt, dass parallel auch die Geschichte der drei britischen Freunde Brits Nasser (James Krishna Floyd), Iyad (Jo Ben Ayed) und Paul (Dean Ridge) erzählt wird, die sich dem Islamischen Staat angeschlossen haben. Auch hier gibt es zahlreiche Rückblicke, welche die Entwicklung des Trios von unschuldiger Freundschaft bis hin zu blutigem Terrorismus wiedergibt. Als Thema ist das auf jeden Fall spannend, gerade auch weil die drei eben aus dem Ausland kommen und nicht vor Ort rekrutiert wurden. Leider gelingt es dem Drehbuch aber nicht, tatsächlich die Frage der Motivation zu klären. So sehen wir zwar Stationen ihrer zunehmenden Radikalisierung. Doch warum das geschieht, das scheint für die Autoren ein Rätsel zu sein – oder es interessierte sie schlicht weg.

Allgemein wäre bei der Figurenzeichnung in Kampf um den Halbmond mehr möglich und wünschenswert gewesen. So ist der von Félix Moati (Voll verschleiert) verkörperte Bruder zwar so etwas wie die Hauptfigur. Und man nimmt ihm auch ab, dass er unbedingt seine Schwester wiederfinden will. Aber er bleibt schon ein bisschen blass dabei. Besser sieht es bei Mélanie Thierry (Da 5 Bloods) und Souheila Yacoub aus, die sich als idealistische Kämpferinnen von keinem Mann etwas erzählen lassen. Und auch James Krishna Floyd bleibt in Erinnerung, dessen Figur Nasser noch die stärkste Ambivalenz auf der Gegenseite zeigt, der nicht allein darauf reduziert wird, als bigotter Spinner über Leben und Tod bestimmen zu wollen.

Spannendes Chaos
Wobei es selbst dann befremdlich bleibt, wie westlich die Perspektive auf die Ereignisse hier ist. Eine Serie, die zumindest in der Gegenwart den Krieg in Syrien thematisiert, deren Hauptfiguren aber aus Frankreich, England und Israel kommen – da darf man sich schon darüber streiten, ob das jetzt völlig daneben oder auf eine zynische Weise passend ist. Zumindest aber ist Kampf um den Halbmond spannend, die etwas chaotische Erzählweise, die ständig zwischen Zeiten und Figuren hin und her springt, verleiht der Serie eine Hektik und Unübersichtlichkeit, die bei einer Kriegsgeschichte gut funktioniert. Hier ist ständig etwas los, besteht andauernd die Gefahr, dass wieder irgendwo etwas explodiert, jemand sein Leben verliert, ohne Perspektive, dieser Hölle wieder zu entkommen. Am Ende erzählt der israelische Regisseur Oded Ruskin eben auch davon, wie sehr wir von unseren Erfahrungen geprägt werden, wie unser altes Ich auch im übertragenen Sinn sterben kann.

Credits

OT: „No Man’s Land“
Land: Frankreich, Belgien, Israel
Jahr: 2020
Regie: Oded Ruskin
Drehbuch: Amit Cohen, Ron Leshem, Maria Feldman, Eitan Mansuri
Musik: Rutger Hoedemaekers
Kamera: Stéphane Vallée
Besetzung: Félix Moati, Mélanie Thierry, Souheila Yacoub, James Krishna Floyd, Dean Ridge, Jo Ben Ayed, James Purefoy

Bilder

Trailer

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In „Kampf um den Halbmond“ reist ein Mann nach Syrien, weil er glaubt, in einer Freiheitskämpferin seine tot geglaubte Schwester wiederzuerkennen. Die Serie schwankt dabei zwischen Charakterdrama und Kriegsschrecken, erzeugt auch durch die vielen Flashbacks ein Gefühl von Hektik und Orientierungslosigkeit. Das ist durchaus spannend, auch wenn inhaltlich vieles an der Oberfläche bleibt.
7
von 10