Greenland
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Greenland

Kritik

Greenland
„Greenland“ // Deutschland-Start: 22. Oktober 2020 (Kino) // 5. März 2021 (DVD/Blu-ray)

Eigentlich wollte John Garrity (Gerard Butler) nur ganz gemütlich mit seiner getrennt lebenden Frau Allison (Morena Baccarin) und ein paar Freunden den Geburtstag seines Sohnes Nathan (Roger Dale Floyd) feiern. Doch als er gerade unterwegs ist, um noch Getränke für die Party zu besorgen, erhält er eine seltsame Nachricht, dass er und seine Familie sich bereithalten sollen für eine Evakuation. Zunächst unschlüssig, was er davon halten soll, ahnt er bald, was dahinter steckt: Der Kometenhagel, der seit Tagen schon die Nachrichten dominiert, nimmt einen anderen Verlauf als zuvor vorhergesagt, die Erde steuert auf eine große Katastrophe zu. Als diese Nachricht publik wird, bricht bald überall eine Panik aus und die drei haben alle Hände voll zu tun, um gemeinsam in Sicherheit zu fliegen …

Sollte man in dem Katastrophenjahr 2020 tatsächlich einen Katastrophenfilm ins Kino bringen? Knifflig. Was die einen als überaus passend empfinden werden, wird auf andere geschmacklos wirken, als wolle man mit dem derzeitigen Unglück der Menschen auch noch Kasse machen. Anders als aber Pandemie, einer zu dem Zeitpunkt bereits sieben Jahren alten Virus-Apokalypse, die tatsächlich nur des schnellen Profits wegen ausgegraben wurde, ist Greenland eher ein Opfer der Umstände. Geplant war die Veröffentlichung schon länger. Und während der Film in Teilen Europas schon angelaufen ist, schauen die englischsprachigen Länder von Australien bis in die USA noch immer in die Röhre.

Ein moralisch spannender Auftakt
Verpasst haben sie dabei aber nur bedingt etwas, denn Greenland ist eine äußerst gemischte Angelegenheit. Tatsächlich besteht der Film aus zwei Hälften, die natürlich schon zusammengehören, aber unterschiedlicher nicht sein könnten – inhaltlich wie qualitativ. Die erste Hälfte ist dabei die eindeutig bessere. Regisseur Ric Roman Waugh (Angel Has Fallen) inszeniert die kommende Katastrophe als nervenaufreibenden Thriller, der sich zugleich mit einigen sehr moralischen Fragen auseinandersetzt. Wenn nur eine bestimmte Anzahl an Menschen überleben kann, nach welchen Kriterien wählt man diese dann aus? Das erinnert ein wenig an das oft etwas unterschätzte Science-Fiction-Gedankenspiel The Philosophers – Wer überlebt?, in der eine Schulklasse eben für einen solchen Fall Entscheidungen treffen und anschließend diskutieren muss.

Diskutiert wird in Greenland wenig. Vielmehr werden die Leute vor vollendete Tatsachen gestellt, was sie aber nicht daran hindert, sich kräftig dagegen aufzulehnen. Die Bilder einer auseinanderbrechenden Gesellschaft, in der jeder gegen jeden kämpft und nur das eigene Wohl noch etwas zählt, sind natürlich überzogen. Aber nicht so überzogen, wie wir es uns an dieser Stelle gern einreden würden. Garniert mit einzelnen tragischen Momenten gelingt es Waugh  tatsächlich, die Verzweiflung der Menschen angesichts ihres baldigen Todes in packende Bilder zu pressen. Und auch die Szenen, wenn die Katastrophen ein paar Vorboten losschickt, können sich trotz eines nicht gigantischen Budgets sehen lassen.

Der Sturz in die qualitativen Abgründe
Dummerweise hält sich das von Chris Sparling (Down a Dark Hall) geschriebene Drehbuch aber nicht an diese Stärken, welche die erste Hälfte ausmachen. Dass im weiteren Verlauf der Pathos kräftig aufgedreht wird, ist dabei zwar etwas unangenehm, aber noch das geringere Übel. Gleiches gilt für das elende Klischee eines entfremdeten (Ex-)Paares, das in der Stunde der Not wieder merkt, was es aneinander hat. Schwieriger wird es, dass Greenland zunehmend absurd wird. Es gibt die üblichen Letzte-Sekunde-Rettungen, die Figuren verhalten sich völlig willkürlich, ohne jegliche Scham werden Zufälligkeiten eingebaut. Eigentlich ergibt so gut wie nichts mehr Sinn. Dass in dem Bereich Authentizität nicht unbedingt an erster Stelle steht, ist klar. Das sollte aber nicht dazu führen, überhaupt nicht mehr beim Schreiben der Geschichte nachzudenken.

Richtig unangenehm ist aber die Figurenzeichnung und Bewertung des Protagonisten. Während Frau und Kind die übliche Wegwerfware sind und über kaum Persönlichkeit verfügen, ist John von Anfang an jemand, der eigentlich nur an sich, maximal seine Familie denkt. Und das wird mit der Zeit immer mehr, später verhält er sich genauso rücksichtslos wie die ganzen Zufallsbegegnungen, die eindeutig als böse charakterisiert werden. Er selbst soll dabei aber als liebevoller Familienvater verkauft werden, weil Gerard Butler, der auch Produzent war, nun mal der Held sein will. Das ist nicht nur ausgesprochen fragwürdig, weil damit impliziert wird, dass bei der richtigen Person der Zweck die Mittel heiligt. Es führt auch dazu, dass man so gar kein Bedürfnis verspürt, mit dem toxischen Alpha-Dinosaurier mitzufiebern. Im Gegenteil: Man hofft geradezu, dass er das rettende Flugzeug nicht mehr erreicht. Da hätte Greenland schon konsequenter sein müssen und vielleicht ein bisschen über alles nachdenken sollen.

Credits

OT: „Greenland“
Land: USA
Jahr: 2020
Regie: Ric Roman Waugh
Drehbuch: Chris Sparling
Musik: David Buckley
Kamera: Dana Gonzales
Besetzung: Gerard Butler, Morena Baccarin, Roger Dale Floyd

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In „Greenland“ droht die Erde von einem gewaltigen Kometenschauer zerstört zu werden. Das fängt ungemein spannend an, wagt sich auch an moralisch sehr knifflige Fragen zu dem Wert des menschlichen Lebens. In der zweiten Hälfte baut der Katastrophenthriller aber stark ab, wird immer absurder, pathetischer und zudem sehr fragwürdig.
5
von 10