Exit
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Kritik

Exit
„Exit“ // Deutschland-Start: 28. Oktober 2020 (Das Erste) // 11. Dezember 2020 (DVD/Blu-ray)

Sterben? Das gehört 2047 der Vergangenheit an. Das Startup-Unternehmen INFINITALK hat eine Methode entwickelt, die Persönlichkeit eines Menschen komplett zu digitalisieren und auf diese Weise unsterblich zu machen. Nun soll die Technologie an den Unternehmer Linden Li (David K.S. Tse) verkauft werden. Ein Millionengeschäft, durch das Linus (Friedrich Mücke), Luca (Laura de Boer), Bahl (Aram Tafreshian) und Malik (Jan Krauter) für immer ausgesorgt haben werden. So zumindest war der Plan. Doch kurz vor Abschluss des Geschäfts kommen Luca Zweifel, ob sie das wirklich durchziehen sollen. Als sie am nächsten Morgen verschwunden ist, macht sich Linus, mit dem sie früher einmal verlobt war, auf die Suche nach ihr und macht dabei einige unheimliche Entdeckungen …

Es ist nicht wirklich ein Geheimnis, dass unser Leben zunehmend digitalisiert wird. Ob wir nun privat in sozialen Medien oder in Messenger-Diensten unseren Alltag teilen, unsere Shoppingtouren durch Mausklicks ersetzt wurden oder unsere Krankenakten auf Karten gespeichert sind – es gibt so gut wie keinen Bereich, der tatsächlich noch rein analog ist. Kein Wunder also, dass sich immer mehr Filmemacher oder andere Geschichtenerzähler auf das Gedankenexperiment einlassen, was denn der nächste Schritt ist. Wie lange wird es wohl noch dauern, bis auch unser menschlicher Körper ein Relikt der Vergangenheit ist und wir von allen irdischen Einschränkungen befreit nur noch als virtueller Geist existieren?

Das digitale Leben nach dem Tod
Das ist besonders im Falle eines Todes praktisch, wie uns mehrere Titel dieses Jahr vor Augen geführt haben. Während Upload aus dem Stoff eine satirisch angehauchte Komödie bastelte, die sich mit dem Konsumwahn der Menschen auseinandersetzt, der selbst nach dem Ableben nicht aufhört, betonte Archive die emotionale Komponente dieser Entwicklung. Dort war es ein Mann, der mit seiner verstorbenen Frau kommunizierte und an seinen Erinnerungen festhielt. Der deutsche Kollege Exit geht zunächst in eine ganz ähnliche Richtung. Der Film startet damit, dass Linus mit seiner Mutter spricht, die sich kurze Zeit später als künstliche Intelligenz herausstellt.

Damit einher gehen die üblichen Fragen, die in solchen Science-Fiction-Filmen immer gestellt werden. Was genau macht die Persönlichkeit eines Menschen aus? Lässt sie sich definieren? Aber auch: Was macht einen Menschen zum Menschen? Während das meistens in einem klar dystopischen Umfeld geschieht, ist Exit da erst einmal sehr ambivalent. Wenn die neue Technologie dazu führt, dass Linus seine Mutter nicht mehr verliert, klingt das schließlich erst einmal nicht wirklich schlecht. Der Film spielt da schon geschickt mit der Sehnsucht nach ewigem Leben und einer Angst, welche die meisten haben dürften: einen geliebten Menschen zu verlieren. Das macht es deutlich schwieriger, dagegen zu argumentieren.

Die Suche nach der Wahrheit
Die eher ruhige Reflexion über das Leben und dessen Bedeutung macht mit der Zeit dann aber doch anderen Überlegungen Raum, wenn der Film sich immer stärker in Richtung Paranoia-Thriller bewegt. Wenn wir erst einmal so weit sind, dass die Technik jede Welt erschaffen kann, kommt fast unweigerlich der Zweifel auf, was denn nun eigentlich real ist. In bester Genremanier verschwimmen hier dann auch die einzelnen Ebenen. Je tiefer Linus bohrt, je mehr er versucht herauszufinden, was denn nun die Wahrheit ist, umso weniger ist klar, ob es eine solche Wahrheit überhaupt noch gibt. Wenn dann auch noch die üblichen Fieslinge hinzukommen, die in praktischem jedem großen Techunternehmen vertreten sind, dann darf man erst recht an allem zweifeln, was so geschieht – selbst wenn die eigenen Augen das doch sehr nahelegen.

Das ist dann zwar, trotz des futuristischen Drumherums, alles nicht so wirklich neu. Aber es ist doch gut umgesetzt. Exit beweist, dass man keine astronomischen Summen ausgeben muss, um eine schöne Science-Fiction-Atmosphäre zu kreieren. Auch die stetig steigende Spannungskurve stimmt: Das Publikum darf ausgiebig mit dem Protagonisten rätseln, was wirklich vorgefallen ist, wer hinter allem steckt und worauf das noch hinauslaufen wird. Und natürlich auch, ob die vielen Leute, denen wir begegnen nun echt sind oder nicht doch schon eine digitalisierte Fassung, ohne dass wir es recht merken, während wir durch ein virtuelles Labyrinth stolpern und einen Ausweg suchen, den es womöglich gar nicht mehr gibt.

Credits

OT: „Exit“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Sebastian Marka
Drehbuch: Erol Yesilkaya
Vorlage: Simon Urban
Musik: Thomas Mehlhorn
Kamera: Willy Dettmeyer
Besetzung: Friedrich Mücke, Laura de Boer, Aram Tafreshian, Jan Krauter, David K.S. Tse, Emanuela von Frankenberg

Bilder

Trailer

Interview

Werden wir in Zukunft alle digitalisiert sein? Und wäre das überhaupt wünschenswert? Diese und weitere Fragen haben wie Hauptdarsteller Friedrich Mücke in unserem Interview zum Science-Fiction-Thriller Exit gestellt.

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„Exit“ dreht sich um digitale Versionen von Menschen, die so echt sind, dass wir sie nicht mehr von den realen unterscheiden können. Der Film beginnt dabei als Reflexion über das Leben und dessen Bedeutung, bevor er sich in einen Paranoia-Thriller wandelt. Das ist zwar alles nicht wirklich neu, aber doch gut und spannend umgesetzt.
7
von 10