Fritzie - Der Himmel muss warten
© ZDF/Gordon Mühle

Fritzie – Der Himmel muss warten – Staffel 1

Kritik

Fritzie - Der Himmel muss warten
„Fritzie – Der Himmel muss warten“ // Deutschland-Start: 1. Oktober 2020 (ZDF)

Eigentlich führt Fritzie Kühne (Tanja Wedhorn) ein ziemlich gutes Leben. Sie liebt ihre Arbeit als Lehrerin, ist glücklich mit Stefan (Florian Panzner) verheiratet, auch mit ihrem Sohn Florian (Nick Julius Schuck) versteht sie sich gut. Doch all das spielt keine Rolle, als sie eines Tages eine niederschmetternde Diagnose erhält: Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium. Der Schock ist groß, ihr wird unmissverständlich klar gemacht, dass sie schnell reagieren und eine Behandlung starten müssen. Doch für Fritzie ist das erst einmal zu viel. Da gibt es noch so viel, was an der Schule getan werden muss, zumal ihre Schüler und Schülerinnen in ein kritisches Alter kommen, wo die Frage nach dem weiteren Lebensweg auf dem Programm. Erst allmählich dämmert es ihr, dass auch sie eine folgenschwere Entscheidung zu treffen hat …

Es liegt ein bisschen in der Natur der Dinge, dass die wenigsten sich Gedanken über die eigene Gesundheit oder gar einen möglichen Tod machen, wenn sie es nicht unbedingt müssen. Zum einen sind wir oft genug so sehr mit dem Alltag beschäftigt, dass drumherum nur wenig Zeit bleibt. Außerdem ist es natürlich kein besonders schöner Gedanke, dass man selbst verfallen, irgendwann einfach nicht mehr da sein könnte, ohne zu wissen, was danach kommt. Umso größer ist der Schock, wenn wir auf einmal dazu gezwungen werden, uns damit auseinandersetzen, sei es weil man selbst von einem solchen Schicksalsschlag getroffen wird, sei es weil es jemanden aus dem Umfeld betrifft. Dass es zu jeder Zeit jeden erwischen kann, wissen wir. Leichter macht es das aber nicht.

Die plötzliche Endlichkeit
Fritzie – Der Himmel muss warten zeigt sehr schön auf, wie sehr einen eine solche Diagnose treffen kann, wenn sie aus heiterem Himmel kommt. Fritzie führt ein gutes, solides Leben, fühlt sich gut und gesund. Wie eigenartig, wie falsch es sich anhört, man habe vielleicht nicht mehr lange zu leben, ist auf ihrem verblüfften Gesicht zu sehen. Erst einmal weg, heißt es da, ist ja Schule. Die ersten Folgen der Staffel befassen sich dann auch mit der typischen Phase der (Nicht-)Akzeptanz, wenn Fritzie alles Mögliche macht, nur nicht auf den ärztlichen Rat zu hören. Dass dieses Verhalten töricht ist, steht außer Frage, das weiß man als Zuschauer natürlich. Nachzuvollziehen ist die Vogel-Strauß-Taktik aber schon: Wenn ich nicht über die Krankheit nachdenke, dann gibt es sie vielleicht nicht!

Inhaltlich interessanter ist aber, wenn die deutsche Serie erst einmal diese Hürde überwunden hat und die eigentliche Überlegung ansteht: Was nun? Was heißt das? Was fange ich mit meinem Leben an? Geschichten über Schwerkranke baden sich dann ganz gerne mal im Selbstmitleid und wollen – oft unter Zuhilfenahme ganz dramatischer Musik – das Publikum zu Tränen zwingen. Alternativ versucht man sich an einer Art Wohlfühl-Durchhalteparole wie in Gott, du kannst ein Arsch sein!. Die Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit wird dann zum Anlass genommen, das eigene Leben in Frage zu stellen und das Meiste daraus machen zu wollen. Das Motto: Hauptsache, wir haben zum Schluss gut gelebt!

Und was macht der Rest?
Fritzie – Der Himmel muss warten geht da einen etwas anderen Weg. Auch wenn der Titel dies natürlich erwarten lässt, die Serie geht nur zum Teil über die krebskranke Lehrerin. Vielmehr beziehen die Drehbücher auch das Umfeld stark mit ein. Wie geht man damit um, wenn ein naher Angehöriger vielleicht bald nicht mehr da ist? Damit einher gehen Fragen zur Verantwortung, die man hat, sowohl für das eigene Leben wie das der anderen. Und da Fritzie nun mal Lehrerin ist und als solche Verantwortung für einen ganzen Haufen junger Menschen hat, dürfen auch deren Geschichten immer mal wieder mit dem Schicksal Fritzies verflochten werden. Da geht es mal um Essstörungen, dann um Mobbing, auch die Liebe darf natürlich nicht unbeachtet bleiben.

Das hört sich nach ein bisschen viel Stoff an für eine Geschichte, die gerade mal sechs Folgen umfasst. Doch die Serie schafft es ganz gut, die vielen Themen zu jonglieren, ohne dass es dabei gleich zu überfrachtet wird oder der Holzhammer herausgeholt werden muss, um auch ja das erwünschte Ergebnis zu erzielen. Das liegt auch daran, dass nicht klar ist, was dieses Ergebnis überhaupt sein soll. Fritzie – Der Himmel muss warten zeigt relativ unaufgeregt einen Mikrokosmos, in dem gerade viel Bewegung herrscht, viele einfach noch nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen, weil sie von der Situation überfordert sind – egal ob sie nun todkrank sind oder gerade das Leben erkunden. Das ist dann vielleicht weniger dramatisch, als sich manche im Vorfeld erhofft haben, ist aber doch ein gut gespielter Beitrag, der auch so ein bisschen zum Nachdenken anregt.

Credits

OT: „Fritzie – Der Himmel muss warten“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Josh Broecker
Drehbuch: Kerstin Höckel, Christiane Bubner, Katja Grübel
Musik: Biber Gullatz, Moritz Freise, Andreas Schäfer
Kamera: Oliver-Maximilian Kraus
Besetzung: Tanja Wedhorn, Neda Rahmanian, Florian Panzner, Nick Julius Schuck, Rosmarie Röse, Ivo Kortlang

Bilder

Interview

Fritzie - Der Himmel muss wartenWie bereitet man sich auf eine Rolle vor, die von einer absoluten Krisensituation handelt? Und beschäftigten wir uns zu wenig mit Krankheit und Tod? Diese und weitere Fragen haben wir Hauptdarstellerin Tanja Wedhorn in unserem Interview gestellt.

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In „Fritzie – Der Himmel muss warten“ erfährt eine Frau aus heiterem Himmel, dass sie Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium hat. Die Serie befasst sich einerseits mit der Betroffenen und ihrer Reaktion, aber auch dem Umfeld, das sich ebenfalls mit dem Thema auseinandersetzen muss. Das Ergebnis ist nicht das zu erwartende Melodram, sondern eine nachdenklich stimmende Begegnung mit der eigenen Endlichkeit.
7
von 10