Nicht tot zu kriegen

Nicht tot zu kriegen

Kritik

Nicht tot zu kriegen
„Nicht tot zu kriegen“ // Deutschland-Start: 10. August 2020 (ZDF)

Früher, da war Simone Mankus (Iris Berben) einmal ein großer Star, spielte in Filmen mit, machte Musik. Doch das ist lange her, inzwischen interessiert sich kaum einer mehr für sie. Während ihr Sohn Jonas (Barnaby Metschurat) sie dazu drängt, an einer Reality-TV-Sendung teilzunehmen, um sich so wieder ins Gespräch zu bringen, liebäugelt sie mehr mit einem musikalischen Auftritt, wird sie derzeit doch von einer jungen Band umschwärmt. Das wiederum stößt nicht bei allen auf Gegenliebe, immer wieder erhält sie anonyme Drohnachrichten, dass sie sich aus dem Rampenlicht zurückziehen soll, sie sei inzwischen schließlich viel zu alt dafür. Und so beauftragt sie den Ex-Polizisten Robert Fallner (Murathan Muslu) damit, sie zu beschützen und von ihrem Stalker zu befreien …

Eines der vielen Merkmale dafür, dass in Hinblick auf Gleichberechtigung der Geschlechter noch ein weiter weg ist: Männer können sich bekanntlich selbst jenseits der 70 noch so aufführen, als wären sie 20-Jährige, während Frauen gerne mal mit 50 schon aussortiert werden. Sicher gibt es Ausnahmen, Diven wie Cher, Isabelle Huppert oder Catherine Deneuve wird noch immer der rote Teppich ausgelegt. Doch selbst sie werden oft, zu oft, auf das Äußere reduziert, müssen sehr viel mehr darauf achten, wie sie auftreten und aussehen. Einen Film zu drehen, der sich mit diesem Thema auseinandersetzt, ist daher mehr als willkommen als Beitrag, zumindest mal einen kleinen Denkanstoß zu liefern.

Das Spiel mit dem Image
Allerdings will Nicht tot zu kriegen kein reines Drama oder Gesellschaftsporträt sein, sondern verbindet dies mit einem Stalkingthriller à la Perfect Blue. In beiden Fällen wird eine Schauspielerin von einem Unbekannten verfolgt, der nicht mitansehen will, wie sie ihr eigenes Image und Auftreten festlegt. Dieser Druck, sich dem eigenen Bild zu unterwerfen, ist quasi die Zuspitzung einer Gesellschaft, die Frauen zu Objekten degradiert. Als Idee ist das nicht schlecht, Spannung mit einem relevanten gesellschaftlichen Thema zu verknüpfen, ist schließlich nie verkehrt. Mit Iris Berben (High Society, Hanne) hat man zudem eine Schauspielerin gefunden, die tatsächlich im deutschsprachigen Bereich eine der wenigen ist, der man das Label der Diva anheften kann.

Berben hat dann auch sichtlich Spaß an ihrer Rolle, kostet die Momente aus, in der sie sich als lebensfreudige Glamour-Darstellerin inszenieren darf. Sie lässt an den passenden Stellen aber auch durchschimmern, wie sehr der Alterungsprozess an ihrer Figur nagt. Eine Frau, die dafür gelebt hat, begehrt zu werden und nun irgendwie kaum jemanden mehr interessiert. Während dieser Part grundsätzlich überzeugend ist, hapert es bei Nicht tot zu kriegen an mehreren anderen Stellen. Einer davon ist der Thriller-Part an sich. Der TV-Film, der von einem Roman von Franz Dobler inspiriert wurde, scheitert an der Aufgabe, tatsächliche Spannung zu erzeugen. Die Frage, wer hinter allem steckt, wird zwar immer mal wieder gestellt, aber so lieblos abgearbeitet, inklusive schrecklicher Klischees, dass einen die Antwort schon gar nicht mehr interessiert.

Eine Tragik ohne Konsequenz
Die Vorgeschichte des Bodyguards, der als Polizist einen Mann erschossen hat und von seinen Erinnerungen heimgesucht wird, überzeugt leider ebenso wenig. Einfach nur die Geister der Vergangenheit heraufzubeschwören, ist dann doch ein bisschen wenig, wenn am Ende damit nichts angefangen wird. Die Geschichte dient in erster Hinsicht als Erklärung, warum Fallner überhaupt seiner Position gelandet ist. Eine wirkliche Aufarbeitung und Auseinandersetzung findet nicht statt. Der innere Konflikt wird auch nicht genutzt, um die Figur als solche irgendwie komplexer zu machen. Nicht tot zu kriegen begnügt sich damit, aus ihm einen wortkargen, humorlosen Klotz zu machen, der einen größtmöglichen Kontrast zur lasziven Diva darstellen soll.

Tatsächlich interessant ist das nicht. Regisseurin und Drehbuchautorin Nina Grosse (Das Wochenende) holt weder aus den Figuren, noch den Themen wirklich etwas heraus. Der Film zieht träge seine Bahnen, zeigt weder bei der Ermittlung noch der Beziehung zwischen den beiden Hauptfiguren eine nennenswerte Entwicklung. Bis dann alles vorbei ist. Das ist schon sehr schade, da die Thematik als solche spannend ist, gerade auch in Verbindung mit dem Motiv des Täters und den kleinen Seitenhieben auf eine voreingenommene Medienlandschaft. In der Form ist das aber zu wenig, teils zu ungelenk und willkürlich, zum Ende hin gar ein bisschen lächerlich. Man nimmt Nicht tot zu kriegen einfach nicht ab, was da geschieht, das Thrillerdrama um eine Künstlerin ist selbst zu gekünstelt, gerade bei den Dialogen.

Credits

OT: „Nicht tot zu kriegen“
Land: Deutschland
Jahr: 2020
Regie: Nina Grosse
Drehbuch: Nina Grosse
Vorlage: Franz Dobler
Musik: Stefan Will, Peter Hinderthür
Kamera: Alexander Fischerkoesen
Besetzung: Iris Berben, Murathan Muslu, Barnaby Metschurat, Katharina Nesytowa, Helgi Schmid, Johannes Zeiler

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In „Nicht tot zu kriegen“ spielt Iris Berben eine Filmdiva, die ihr Comeback versucht, dabei jedoch von einem Unbekannten gestalkt wird. Das Thrillerdrama spricht eine Reihe spannender Themen an, ist selbst aber nicht spannend, da vieles hier zu oberflächlich bleibt, es zudem oft an Natürlichkeit mangelt.
4
von 10