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Regisseur Sabu bei der Arbeit an seinem neuen Film "Jam"

Sabu [Interview]

Die Filme des japanischen Regisseurs Sabu zeigen oft Figuren, die sich dem Schicksal oder einer anderen, ihnen überlegenen Macht ausgesetzt fühlen und damit zum Spielball von teilweise abstrusen Zufällen werden, deren Auslöser sie meist selbst sind. Das gilt auch für den Genremix Jam,  der nach diversen Festivalteilnahmen ab dem 26. Dezember 2019 bei uns im Kino läuft. Das haben wir zum Anlass genommen, um mit dem gefeierten Filmemacher über die Themen seines filmischen Werks, seine Figuren und die Wichtigkeit von Laufszenen in Filmen wie Jam zu reden.

Sie haben einmal gesagt, dass die Art und Weise, wie Ihre Hauptdarsteller aussahen, eine der wichtigsten Inspirationen für den Film war. Können Sie das näher erläutern?
Auch wenn die Hauptfigur eine ganz andere Persönlichkeit hat als man selbst, sollte der Film so verlaufen, dass das Publikum selber Sympathie für die Figur empfinden kann. Es kann auch ausschlaggebend sein, ob man es interessant findet, wenn ich solche Szenen realisiere, in denen man unerwartet die wahre Natur des Menschen und seinen wahren Charakter zeigt, unabhängig von der Quantität der äußerlichen Einflüsse.

Viele ihrer Filme, darunter Jam, befassen sich mit Themen wie Schicksal und der Macht des Zufalls über unser Leben. Was fasziniert Sie an diesen Themen?
Ich habe selber Momente erlebt, als ob diese so vorher geplante Szenarien gewesen wären. Oder vielleicht, da ich mehrmals vom buddhistischen Wort „DO-SEKI-TAI-MEN-GO-HYAKU-SHOU“ (sinngemäß: „Beisammensitzbegegnung, 500 Leben“) überzeugt worden bin. Ich glaube, dass die Erde selber auch ein Zufall ist.

Das bedeutet, dass man mit den Unbekannten, denen man im Café gegenüber am Tisch oder im Bus begegnet, schon vor diesem jetzigen Leben, welches sich wiederholt, schon in den vergangenen 500 Lebenszyklen, zusammengelebt hat.

Da wir über diese Themen sprechen, würden sie sich oder ihre Filme als spirituell betrachten?
Ja, wenn man sich viel Mühe gibt und sich anstrengt, fallen mir Bilder oder Ideen ein. Bei der Rollenbesetzung und beim Wetter der Drehtage kann man dasselbe sagen.

Ist Jam oder zumindest bestimmte Teile davon, eine Satire auf die japanische Popkultur und die Hysterie um Prominente?
Hat nicht jeder so einen Moment, wenn man einen Song hört und denkt, dass das Lied für einen selbst geschrieben wurde? Dass man sich fragt, wieso dieser Song einen besser kennt als man sich selbst? Oder ob es vielleicht eine Botschaft ist, dass man den Song genau zu diesem Zeitpunkt kennengelernt hat?

Künstler arbeiten daran, uns solche Botschaften zu übermitteln. Egal, ob sie nun Fan sind oder nicht, falls sie diese Botschaft erhalten, ist der Song definitiv für sie geschrieben. Ich denke, dass solche Wunder ständig passieren und miteinander verbunden sind.

Aber wenn „für mich“ sich in „nur für mich“ verwandelt, kann sich das zur anormalen Liebe verwandeln. Hierfür ist Masako genau der symbolische Charakter. Zuerst konkurrierte sie mit anderen Fans und denkt, dass sie ihn (Hiroshi) viel mehr mag. Im Endeffekt eskalierte die Situation aber bis zur Entführung. Am Ende bleibt nur die bloße Liebe übrig.

Ich liebe die Szene, in der die Figur des Hiroshi von diesen Fans interviewt wird und Sho Aoyagis darstellerische Leistung in dieser Szene. Können sie uns etwas über die Entstehung dieser Szene erzählen?
Er (Aoyagi) hat grundsätzlich seine Rolle gespielt, wie sie im Drehbuch geschrieben ist. Aber die Handlung von Hiroshi haben wir am Set mit viel Freude improvisiert, wobei wir sehr viel Spaß hatten.

Können sie uns etwas über die Entstehung der Kampfszenen im Film erzählen und wie Sie sich mit Ihrer Besetzung und der Crew auf diese Szenen vorbereiten?
Testuo ist sozusagen ein unsterblicher Mensch, deshalb versuchte ich, reale Szenen zu schaffen. Es sieht sehr chaotisch aus, denn wir haben die Szenen gedreht und uns von einem Fechtlehrer am Set beraten lassen. Den groben Verlauf der Szenen habe ich im Voraus als Storyboard skizziert, aber wir haben erst zwei Stunden vor dem Drehbeginn mit den Proben angefangen, da kein großes Budget zur Verfügung stand.

Eines der Markenzeichen ihrer Filmographie ist das Laufen, das Sie, meiner Meinung nach, als filmisches „Werkzeug“ perfektioniert haben. Können sie mir sagen, was die Faszination beim Laufen ist und ein paar Details über die Art und Weise mitteilen, wie Sie diese Szenen drehen?
Diese Laufszenen haben den größten Spannungsmoment beim Dreh, da kein Unfall passieren darf. Dafür entstehen jedes Mal bessere Szenen als ich zuvor erwartet habe. Auch die Schauspieler erleben Momente, in denen sie ihre eigene Schauspielerei überschreiten. Bis zu diesem Moment lasse ich sie laufen.

Drehgenehmigungsverfahren für öffentliche Straßen sind schwierig einzuholen, daher haben wir für Jam eine schmale Einkaufspassage verwendet. Wir haben eine Kamera auf einem Fahrrad montiert und gedreht. Ich denke, dass wir auf diese Weise aussagekräftigere Bilder drehen konnten, als ich erwartet hatte.

Inwiefern bezieht sich Jam auf ihre früheren Arbeiten wie Monday oder Dangan Runner?
In letzter Zeit versuchte ich tendenziell Drehbücher möglichst sehr genau zu schreiben, daher habe ich mir selbst vorgenommen, bei diesem Drehbuch von Jam Spaß beim Schreiben zu haben und auch freier beim Schreiben zu sein.

Können sie uns etwas über die Musik in Ihrem Film erzählen und wie sie entstanden ist?
Während ich das Drehbuch schrieb, entwarf ich die Melodie der Songs von Hiroshi. Bei den Texten und Titeln habe ich mir ausgemalt, wie Hiroshi sie selber ausdenken würde.

Letztendlich habe ich einen Song gesungen und auf meinem Handy aufgenommen, während ich zum Einkaufen fuhr. Dies habe ich dann Herrn Matsumoto gesendet, der für die Filmmusik zuständig ist.

In einem früheren Interview haben Sie erwähnt, dass Sie bereits ein Skript für Jam 2 geschrieben haben. Können Sie uns dazu schon etwas verraten?
Ich kann Ihnen leider noch nichts dazu verraten. Aber der Film wird definitiv lustig und spannend sein.

Vielen Dank für das Gespräch.

Sabu
© Stephan Holl

Zur Person
Sabu wurde am 18. November 1964 unter seinem bürgerlichen Namen Hiroyuki Tanaka in Wakayama, Japan geboren. Er ist ein Mann mit vielen Talenten und Interessen, was man unter anderem an seinem Lebenslauf sieht, war er doch zunächst an der renommierten Hochschule für Mode in Osaka eingeschrieben, bevor er sich entschied, Musiker zu werden und dafür nach Tokio zu gehen. Doch auch hier fand Tanaka nicht seine Bestimmung und wechselte abermals das Fach hin zu Schauspiel. Neben einigen kleineren Rollen in seinen eigenen Filmen arbeitete Tanaka unter anderem mit Regisseuren wie Ryuichi Hiroki oder Takashi Miike zusammen. In der Heimat, aber vor allem außerhalb Japans ist Sabu eher als Regisseur von Filmen wie Dangan Runner (1996), Monday (2000) oder Mr. Long (2017) bekannt. Sabu ist häufig Gast bei Festivals wie der Berlinale, auf der viele seiner Filme ihre Europapremiere feierten.



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