Yung
© Wild Bunch Germany

Yung

Yung
„Yung“ // Deutschland-Start: 28. November 2019 (Kino) // 24. Juli 2020 (DVD)

Janaina (Janaina Liesenfeld), Emmy (Emily Lau), Joy (Joy Grant) und Abbie (Abbie Dutton) sind beste Freundinnen, die gerne mal die Nacht zum Tag machen. Partys? Alkohol? Drogen? Klar, warum nicht, erlaubt ist, was Spaß macht. Natürlich will so ein Lebensstil erst finanziert werden, was bei den Minderjährigen in der Gruppe nicht ganz einfach ist. Aber wo ein Wille, da auch ein Weg, der Verkauf von Drogen oder ein bisschen Webcam-Sex helfen dabei, das Leben ihrer Träume zu führen. Jetzt müssen sie nur noch herausfinden, was dieses Leben ihrer Träume genau ist. Denn eigentlich wissen sie das nicht so wirklich …

Wie nett: Der Opa holt seine Enkelin ab, weil es so regnet, fragt sie nach ihrem Tag, danach, wie die Schule war. Was Opas und Enkelinnen nun mal so machen. Bis sie einige Minuten später zusammen ins Bett gehen, was nicht mehr so ganz unserem Bild einer heilen Familie entspricht. Verwandte sind die beiden auch gar nicht, sondern ganz normale, oder eben nicht normale, Freier und Prostituierte. Wie er auf die Jugendliche aufmerksam geworden ist, wie lange sie ihren Körper schon verkauft, das wird an der Stelle nicht klar. So wie Yung allgemein kaum Kontexte liefert.

Aus dem (Party-)Leben gegriffen
Das ist jedoch kein bloßes Versäumnis. Stattdessen berichtet Regisseur und Drehbuchautor Henning Gronkowski, der hier sein Spielfilmdebüt abgibt, von seinen eigenen Erfahrungen als Teil einer parallelen Partygesellschaft. Und wer mitten im Feierrausch ist, der denkt nur selten an morgen, er denkt vor allem nicht an gestern. Yung, das ist der filmische Ist-Zustand in Dauerschleife. Eine Ode an den Moment, der so groß wird, dass alles andere in ihm verschwindet: Zeit und Ort, Erklärung und Traum. Alles ist und ist doch nicht, jede Sekunde wird ausgekostet und lässt doch wenig zurück.

Das klingt etwas kritisch, Gronkowski verurteilt in seinem Drama aber niemanden. Es ging ihm dabei nicht, diesen Lebensstil zu bewerten, weder positiv, noch negativ, sondern möglichst nahe an dieser Lebensrealität zu bleiben. Das gelingt ihm so gut, dass man zuweilen nicht sicher ist, ob Yung überhaupt Spielfilm oder nicht doch eine Dokumentation ist. Beispielsweise baut er regelmäßig Interviews mit seinen jungen Darstellerinnen ein, die eine Version ihrer selbst spielen. Wo eine Interpretation des Lebens anfängt und Anekdoten aufhören, was erfunden und was Nacherzählung ist, das ist nahezu unmöglich herauszuhören.

Das unbekannte Quartett
Das ist faszinierend, wenn auch recht anstrengend. In seinem Bemühen, sich den herkömmlichen Mechanismen eines Spielfilms zu entziehen, hat der Nachwuchsfilmemacher ein zwar interessantes Werk geschaffen, keines jedoch, das auch wirklich fesselt. Sehr freigiebig teilen die Jugendlichen ihre Ansichten und Erfahrungen, oft auch die nackte Haut. Doch gerade weil sie selbst nicht so richtig wissen, wer sie sind und was sie sein wollen, kommt man ihnen kaum nahe genug, um Anteilnahme zeigen zu können. Sympathisch würde man sie ebenfalls nicht nennen wollen. Das müssen sie natürlich nicht sein, reale Menschen sind das ja auch nicht mehr. Aber es ist doch mutig, den Zugang so zu erschweren, gerade in den schockierenden Momenten, die später hinzukommen.

Allgemein ist Yung, das auf dem Filmfest München 2018 Weltpremiere hatte, ein Film, der nur selten erwartungsgemäß abläuft. Das ist Stärke, gleichzeitig aber auch irritierend: Viele Punkte, über die man mehr erfahren wollte, werden kurzerhand wieder abgebrochen, so als hätte es sie nie gegeben. Wichtiges und Unwichtiges steht direkt nebeneinander, ohne Unterscheidung, ohne Gewichtung – was ebenfalls dazu führt, dass man nie genau weiß, was als nächstes geschieht. Man ist im Anschluss an die gute anderthalb Stunden zudem nicht wirklich schlauer geworden, wer nicht Teil dieses Lebensstils ist, erfährt wenig, um diesem näherzukommen. Die gezeigte Welt bleibt ein Rausch, an dem teilhaben kann oder nicht kann, will oder nicht will, ein Sozialdrama, das alles zeigt und doch ein Rätsel bleibt.



(Anzeige)

„Yung“ folgt vier jungen Frauen, während sie das Berliner Nachtleben durchfeiern, auf der Suche nach Spaß. Das ist ein faszinierender, manchmal schockierender Anblick, weil das Drama alles zeigt, gleichzeitig aber wenig erklärt. Der Film ist dadurch ein Rausch, der eine eigene Welt aufzeigt, das Publikum aber trotz der dokumentarisch anmutenden Nähe auf Distanz hält.
5
von 10