Zwischen uns die Mauer
© KevinLeeFilm - Meike Birck

Zwischen uns die Mauer

Zwischen uns die Mauer
„Zwischen uns die Mauer“ // Deutschland-Start: 3. Oktober 2019 (Kino)

Als die 16-jährige Anna (Lea Freund) im April 1984 nach Ostberlin reist, war das nur als einmaliger Besuch gedacht. Und vielleicht wäre es auch bei diesem geblieben, wenn sie nicht dabei Philipp (Tim Bülow) kennengelernt hätte. Seither geht er ihr nicht mehr aus dem Kopf. Da eine Ausreise aus der DDR völlig außer Frage steht, liegt es also an Anna, den Kontakt aufrechtzuerhalten. Immer wieder fährt sie nach Berlin, anfangs noch unter einem Vorwand, bis es irgendwann auch ihre Eltern (Franziska Weisz, Fritz Karl) verstanden haben. Doch hat das junge Glück überhaupt eine Chance, wenn zwischen ihnen die Mauer steht und eine Flucht lebensgefährlich wäre?

Im deutschen Kino geht es derzeit wieder geschichtsträchtig zu. Allein diese Woche kommen pünktlich zum Tag der deutschen Einheit gleich zwei Werke heraus, die sich jeder auf seine Weise mit dem vergangenen Unrecht auseinandersetzt. Während sich die Lenz-Adaption Deutschstunde das dankbare Thema der Nazi-Zeit zur Brust nimmt, darf es bei Zwischen uns die Mauer um die ehemalige DDR gehen. Auch hier stand ein Roman als Grundlage zur Verfügung, ein autobiografisch gefärbtes Werk von Katja Hildebrand. Doch während die Kollegen bei aller historischer Verankerung doch auch ganz aktuelle Fragen stellen und eine zeitlose Note haben, da wirkt das hier zumindest teilweise wirklich wie ein Film von gestern.

Und zur Sicherheit noch einmal …
Wobei die Geschichte an sich natürlich ein Klassiker ist, der immer wieder ausgegraben und an aktuelle Szenarien angepasst wird. Zwei junge Menschen lieben sich, dürfen aber nicht zusammen sein und müssen deshalb gemeinsam gegen den Rest der Welt ankämpfen. Gut, das ist im Fall von Zwischen uns die Mauer „nur“ die DDR. Aber das ist schlimm genug, wie der Film oft genug feststellt. Nicht allein, dass schon die bloße Erwähnung einer Mauer ausreicht, um zur Sicherheit das Erschießungskommando herbeizurufen. Auch sonst wird keine Gelegenheit ausgelassen, die allgegenwärtige Lebensgefahr zu verdeutlichen, wenn selbst die banalsten Szenen aufgebauscht werden.

Das ist, bei allem Respekt vor den Risiken und willkürlichen Ungerechtigkeiten in der DDR, schon sehr dick aufgetragen hier. Zwischen uns die Mauer lässt dem Publikum zu keinem Zeitpunkt die Wahl, wie es denken oder fühlen soll, denn das wird immer ganz deutlich angezeigt. Der Holzhammerschlag kann im Rahmen der Inszenierung erfolgen, beispielsweise mit einer fürchterlich dramatischen Musik. Beliebt ist aber auch, die Figuren zu Funktionen zu reduzieren. Das bedeutet beispielsweise, dass natürlich die Lehrer und alle anderen Staatsbeamten von Grund auf schlecht sein müssen und alles unterdrücken, was in irgendeiner Form dem Bedürfnis nach Freiheit entgegenkommt.

Ein umwerfendes Paar
Dass Regisseur Norbert Lechner sonst eigentlich bei Kinderfilmen zum Zug kommt, etwa Tom und Hacke oder Ente gut! Mädchen allein zu Haus, das merkt man auch seinem erwachseneren Werk an. Da wird so viel mit Schwarz und Weiß gemalt, als wären alle anderen Farben verboten. Gelungen ist hingegen die Darstellung des Paares an sich. Auch bei ihnen geht die Charakterisierung nicht sonderlich in die Tiefe, weder Anna noch Philipp dürfen je mehr sein als jugendliche Verliebte. Doch dafür sind diese Szenen umwerfend von Lea Freund und Tim Bülow gespielt, ihre Liebe ist so stürmisch und völlig frei von rettender Rationalität, dass man dann doch ganz gebannt den beiden zuschaut.

Ihnen – sowie der atmosphärischen Ausstattung – ist es dann letztendlich zu verdanken, dass Zwischen uns die Mauer doch zumindest ganz solide geworden ist. An der Stelle findet der Eröffnungsfilm des Fünf Seen Filmfestivals 2019 auch die Universalität, welche das Szenario rauben will. Es spielt eigentlich keine Rolle, ob wir nun in der DDR sind, in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Das Drama um zwei junge Verliebte ist ein schöner kleiner Film über das Sehnen nach einem anderen Menschen, das Glück des Augenblicks und die Selbstvergessenheit, wenn die rosa Brille keine Realität da draußen mehr erkennen lässt. Dem emotionsbedürftigen Zielpublikum, vor allem dem jugendlichen, könnte das bereits reichen, zumal es auch zum Ende ein bisschen kitschiger werden darf. Dazu gibt es eine kleine Erinnerung an die Zustände vor etwas mehr als 30 Jahren, die man sich heute so gar nicht mehr vorstellen kann und will. Und das ist vielleicht auch nicht ganz verkehrt.



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In „Zwischen uns die Mauer“ verliebt sich eine Jugendliche bei einem DDR-Besuch in den 1980ern in einen Jungen von drüben und will ihn unbedingt wiedersehen – auch wenn das nicht vernünftig ist. Das historische Drama funktioniert am besten als Film über eine frische, stürmische Liebe, auch weil die beiden Darsteller*innen wunderbar zusammen sind. Negativ ist hingegen die Neigung, sehr dick aufzutragen und mit wenig Figurentiefe zu arbeiten.
6
von 10