Katzelmacher

Katzelmacher

Katzelmacher
„Katzelmacher“ // Deutschland-Start: 22. November 1969 (Kino)

Mitten in München lebt eine kleine Gruppe junger Erwachsener, unter ihnen Erich (Hans Hirschmüller), Marie (Hanna Schygulla), Gunda (Doris Mattes) und Paul (Rudolf Waldemar Brem). Während Sex, Schnulzenromane und Alkohol einen temporären Ausweg aus ihrem tristen Alltag bieten, träumen besonders die Herren der Runde davon, einen großen Coup zu landen und ans große Geld zu kommen. Ihre gemeinsame Routine erfährt einen Einbruch mit der Ankunft des griechischen Gastarbeiters Jorgos (Rainer Werner Fassbinder), der bei der ohnehin verhassten Elisabeth (Irm Hermann) zur Untermiete wohnt. Als sich die ersten Gerüchte über die angeblich fehlende Moral des Fremden verbreiten, der von Gunda schließlich der Vergewaltigung beschuldigt wird, beschließen Paul, Erich und die anderen Männer etwas gegen den „Fremdling“ zu tun.

„Deutschland viel kalt“
Im Kontext der heutigen Diskussion um die Einwanderungsgesellschaft und Parteien wie die AfD bekommt ein Film wie der eher spröde zweite Spielfilm Rainer Werner Fassbinders eine ganz neue Relevanz. Wie dann später auch in Werken wie Angst essen Seele auf(1974) ist es Fassbinders Bild der Bundesrepublik, die sich als gefühlskalt, trist und aggressiv präsentiert, wobei alles Fremde abgelehnt wird.

Bei dieser thematischen Fülle muss man sich allerdings zunächst die Mühe machen, gerade auf die Bilder und die Charaktere zu schauen, die Fassbinder hier zeigt, gerade weil ein Großteil von Katzelmacher ohne die Figur des Jorgos verläuft. In langen, statischen Einstellungen definiert die Kamera Dietrich Lohmanns eine Umwelt, die viel von den späteren Konflikten, ausgelöst durch Fassbinders Charakter, vorwegnimmt. Stilistisch angelehnt an die Arbeiten der Nouvelle Vague, insbesondere derer von Francois Truffaut und Jean-Luc Godard, ist die Stadt eine anonyme, grau Fassade aus Gaststätten und Wohnblöcken, vor denen sich die Handlung abspielt. Die Teilnahmslosigkeit wie auch die latente Aggression spiegeln sich in dieser Umgebung wider, aus der die Figuren entkommen wollen.

Dabei sind die Charaktere nicht ohne Pläne. Wenn Marie beispielsweise davon redet „etwas zu fühlen“ drückt sich hier eine Sehnsucht nach Romantik aus, nach etwas anderem als dem erdrückenden Grau des Jetzt. Gleiches gilt für die von Elga Sorbas gespielte Rosy, die hin und wieder mit einem der Männer gegen Geld schläft, um sich ihren Traum von der Schauspielerkarriere zu erfüllen. Immer wieder holt sie hierbei die Kleinbürgerlichkeit ihres Umfeldes ein, die sich nicht abstreifen können, wenn sie missgünstig über andere tratschen, lästern oder sie direkt beleidigen. Die Träume von Glück führen gleichsam zurück in jenen Teufelskreis, aus dem diese Figuren gar nicht erst entkommen wollen oder sich dies nicht gönnen. Ein trostloses Bild.

„Der muss weg.“
In dieses Gefüge aus Neid und Aggressivität reiht sich die Figur des Jorgos ein. Durch seine fehlenden Kenntnisse der deutschen Sprache und seine finanzielle Lage als Außenseiter gekennzeichnet, zeigt sich in seiner Andersartigkeit eben auch jene Veränderung, welche die Figuren so fürchten. „Eine Ordnung muss wieder her“, heißt es da schnell und in der wütenden Mimik des Sprechers merkt man direkt, wie man gedenkt zu eben dieser zurückzukehren.

In einem teils bitter-ironischen Ton beginnt mit der Ankunft Jorgos das Schaulaufen eben jenes alltäglichen Rassismus, der von Vorurteilen („Er ist dreckig“, „Er ist Kommunist.“) wie auch Ängsten um die (nationale) Identität definiert wird. Die Dialoge Fassbinders bestechen hier durch ihre Schlichtheit, als Ausdruck der angestauten Frustration über die Welt um einen herum. Dass der Regisseur Sätze wie „So was darf nicht frei sein unter uns“ seinen jungen Figuren andichtet, entwirft ein sehr dunkles Bild Deutschlands.



(Anzeige)

„Katzelmacher“ ist ein ungemütliches Frühwerk Fassbinders, das bereits jetzt schon die stilistisch-inhaltliche Handschrift hat, die man in seinem späteren Werk findet. Vor dem Hintergrund aktueller Diskussionen ist der ätzende Ton des Films von großer Brisanz und ist nach wie vor provozierend.
9
von 10