Das schoenste Maedchen der Welt
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Das schönste Mädchen der Welt

Das schoenste Maedchen der Welt
„Das schönste Mädchen der Welt“ // Deutschland-Release // Kino: 6. September 2018

Cyril (Aaron Hilmer) ist nett, hilfsbereit, einfühlsam, intelligent, sogar künstlerisch begabt. Aber all das bringt nichts, wenn man einen derartigen Zinken im Gesicht trägt. Davon zumindest ist der Schüler überzeugt, weshalb er sich trotz seiner Erfolge beim Battle Rap hinter einer Maske versteckt. Anschluss an der Schule hat er ebenso wenig, entsprechend gering ist seine Lust, an der Klassenfahrt nach Berlin teilzunehmen. Bis sie auftaucht: Roxy (Luna Wedler). Die ist umwerfend, nicht auf Kopf oder Mund gefallen – und gerade aus einem englischen Internat geflogen. Schnell schließen die beiden Freundschaft, wobei Cyril insgeheim ja gern mehr hätte als das. Leider ist Roxy aber mehr an dem stillen Musiker Rick (Damian Hardung) interessiert. Und als wäre das nicht eh schon kompliziert genug, hat auch der vermögende Schürzenjäger Benno (Jonas Ems) einen Blick auf die Neue geworfen.

Man durfte schon ein wenig überrascht sein. Der eine oder andere dürfte vielleicht sogar enttäuscht reagiert haben: Ausgerechnet Aron Lehmann, der mit Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel und Die letzte Sau einer der ungewöhnlichsten deutschen Indie-Regisseure der letzten Jahr war, dreht eine Teeniekomödie. Eine mit Battle Rap. Eine, die auf dem alten Schinken Cyrano de Bergerac von Edmond Rostand basiert, der inzwischen über 120 ist. Das in Verbindung mit Jugendsprache? Braucht es das wirklich heute noch?

Das Märchen der inneren Schönheit
Darüber ließe sich natürlich streiten. Unstrittig ist aber, dass Lehmann und sein Team doch erstaunlich viel aus dieser Materie herausgeholt haben. Wenn Cyril, quasi Neudeutsch für Cyrano, an seinem Aussehen verzweifelt, dann ist das mal nicht die Koketterie von Jugendlichen, denen jede Perspektive fehlt. Da mag er als Mensch noch so toll sein, an dem dicken Kolben kommt man kaum herum. Das ist nicht nett. Das ist sogar verdammt unfair. Aber wir alle dürften uns genug an die Grausamkeiten in jenem Alter zurückerinnern, um uns irgendwelchen Fantastereien hinzugeben, dass es nur auf die inneren Werte ankommt.

Wenn Das schönste Mädchen der Welt dann doch auf ein Happy End hinausläuft, das hier so obligatorisch ist, dass es nicht mal mehr unter Spoiler fällt, dann hat das natürlich etwas Märchenhaftes an sich. Gleichzeitig ist der Film, der auf dem Filmfest München 2018 Premiere feierte, aber auch authentisch, vermittelt wirklich das Gefühl, es mit realen Jugendlichen zu tun zu haben. Kleinere Abstriche gibt es bei dem übertrieben begriffsstutzigen Rick und Benno, der ebenfalls ein bisschen viele Klischees zu erfüllen hat. Aber das macht die Besetzung wieder wett.

Vorteil Besetzung
Die ist allgemein eine der ganz großen Stärken von Das schönste Mädchen der Welt. Nachwuchsschauspieler Aaron Hilmer überzeugt hier sowohl als sensibler Hintermann wie auch in den überraschend biestigen Battle Raps, bei denen kein Blatt vor den Mund genommen wird. Luna Wedler, dank Blue My Mind einer der wichtigsten schauspielerischen Schweizexporte derzeit, wartet ohnehin nur noch auf den großen Durchbruch – was sie mit ihrer Darstellung als schlagfertiger und doch verletzlicher Roxy noch einmal unterstreicht. Sehr schön sind auch die kürzeren Auftritte von Heike Makatsch als frustrierter Lehrerin und Anke Engelke, die Cyrils Mutter mit viel Herz und noch mehr Nase spielen darf.

Es ist der Charme und die Lebendigkeit des Ensembles, zusammen mit den gut geschriebenen Dialogen, die Das schönste Mädchen der Welt so auszeichnen. Das ist Mainstream, keine Frage. Aber einer der guten Sorte, der auch tatsächlich etwas zu sagen hat, anstatt sich einfach nur auf bekannten Schauspielern, Toilettenhumor oder unflätiger Sprache ausruhen zu wollen. Bonuspunkte gibt es für die Musik, die hier mal nicht dem 08/15-Power-Pop entnommen wurde und zudem tatsächlich integraler Bestandteil des Films ist, wo andere sie lediglich als Lückenfüller benutzen.



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Eine Junge mit dicker Nase hilft einem anderen, das schöne Mädchen herumzubekommen: „Das schönste Mädchen der Welt“ entstaubt den Klassiker „Cyrano von Bergerac“ und verlegt die Geschichte in ein Teenagerumfeld. Das ist nicht neu, wohl aber zeitgemäß angepasst, vor allem sehr charmant – es macht hier einfach Spaß, dem Ensemble bei einer auch emotional turbulenten Klassenfahrt zuzusehen.
7
von 10