Tower A Bright Day

Tower. A Bright Day

„Wieza. Jasny dzien“, Polen, 2017
Regie: Jagoda Szelc; Drehbuch: Jagoda Szelc; Musik: Teoniki Rozynek
Darsteller: Anna Krotoska, Malgorzata Szczerbowska, Rafal Cieluch, Rafal Kwietniewski, Anna Zubrzycki, Laila Hennesy

Tower A Bright Day
„Tower. A Bright Day“ läuft im Rahmen des 13. filmPOLSKA Filmfests (25. April bis 2. Mai 2018)

Mula (Anna Krotoska) lebt mit ihrem Mann Michal (Rafal Cieluch) und ihrer elfjährigen Tochter Nina (Laila Hennesy) in einem abgelegenen Haus in der polnischen Wildnis. Kurz vor Ninas Erstkommunion reisen Mulas Bruder Andrzej (Rafal Kwietniewski) gemeinsam mit Frau, Kindern und deren lang verschollener Schwester Kaja (Malgorzata Szczerbowska) an. Mit ihrer Ankunft scheinen mysteriöse Vorgänge ausgelöst zu werden: Der Hund wird unruhig und läuft weg, die lethargische Großmutter (Anna Zubrzycki) erwacht aus einer monatelangen Trance, der Pfarrer, der die Kinder auf die Kommunion vorbereiten soll, findet sich in einer unerklärlichen Krise. Obwohl der Rest der Familie an eine Versöhnung mit Kaja glaubt, hat Mula gute Gründe, ihrer jüngeren Schwester zu misstrauen.

Dichte und unheilvolle Atmosphäre
Die aus Breslau stammende Regisseurin Jagoda Szelc wurde für ihr Debüt, der Teil des offiziellen Programms der letzten Berlinale war, auf dem Polnischen Film Festival 2017 in Gdynia mit zwei Preisen ausgezeichnet und gilt unter polnischen Kritikern als der nächste große Exportschlager für das europäische Kino.

Das Herz des Films bildet die angespannte Beziehung zwischen den beiden Schwestern Mula und Kaja. Gleich zu Beginn wird eine schwere und allumfassende Obskurität kreiert, denn es stellt sich heraus, dass Kaja Ninas biologische Mutter ist, das Mädchen jedoch wegen der scheinbar instabilen Psyche Kajas von Mula und ihrem Mann großgezogen wird. Mula stellt sofort einige Regeln auf: Nina darf nicht herausfinden, dass Kaja ihre Mutter ist und Kaja soll sich so normal wie möglich verhalten. Das ist leichter gesagt als getan, denn die Schwester scheint sich dauerhaft in einem verträumten, naturverbundenen und womöglich schizophrenen Zustand zu befinden. Die Leistung der weitgehend unbekannten Schauspieler und Kinder wirkt dabei überaus authentisch. Die Zankereien und den Argwohn wird weniger in Worten, als hauptsächlich in Blicken und Gesten wiedergegeben.

Die unheimliche Prämisse des Beitrags vom filmPOLSKA Filmfest wird vor allem durch seine Machart zum Ausdruck gebracht. Dabei spielt das Setting in den endlosen, saftgrünen Hügeln der polnischen Wildnis eine entscheidende Rolle. Das Rauschen des Windes in den Bäumen, der traute, doch beunruhigende Lichteinfall im Dickicht des Waldes, das Zirpen und unermüdliche Hintergrund-Gesumme der Insekten erzeugen eine allgegenwärtige und unausweichliche Schwere. Der Blick der Kamera, der mit beeindruckenden Großaufnahmen sowie dezenten Zooms arbeitet, sorgt begleitet von einem außergewöhnlichen und turbulenten Sounddesign für zusätzliche Spannung.

Stilistischer Überfluss
Trotz der starken Atmosphäre funktioniert der Film auf einigen Ebenen nicht ganz so gut. Neben erzählerischen Längen im Mittelteil, die in den letzten zehn Minuten dann glücklicherweise durch ein (unglücklicherweise) mehrdeutiges und unerwartet apokalyptisches Ende aufgelöst werden, kristallisieren sich vor allem zwei Probleme heraus. Einerseits ist das Drehbuch überlastet mit unnötigen, sich verlierenden Gedankensträngen und ablenkenden, sozialkritischen Sub-Plots. Die eigentlich simple Story und die Absicht, den Zuschauer zu verstören, gehen in den vielen schwammigen Ausschweifungen und repetitiven Beispielen über Kajas mentalen Zustand unter.

Andererseits kann man der Regisseurin den Vorwurf machen, in Tower. A Bright Day  lediglich altbewährte, stilistische Tropen wieder aufbereitet zu haben. Der Look und die Elemente, die im Film angewendet werden, kommen einem teilweise allzu bekannt vor. Beispielsweise fühlt man sich zeitweise stark an Kirsten Dunsts Figur aus Lars von Triers Melancholia erinnert, die ähnlich wie Kaja eine Vorahnung über das Schicksal der Welt zu haben scheint – und außerdem in einer ziemlich ähnlich anmutenden Szene mit entblößter Brust auf dem Erdboden liegend aufgefunden wird.

Auch der unerwartet verhängnisvolle und okkulte Ausgang mag manch einen Zuschauer enttäuschen, vor allen Dingen weil es so wenig erkennbare Verbindung zur vorher erzählten Geschichte zu geben scheint. Tatsächlich findet man diese, wenn überhaupt, nur in Details, auf die man sich in den vielen unvollendeten Andeutungen nur schwer konzentrieren kann.



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Trotz eines unnötig überladenen Drehbuchs und teilweise abgegriffener Stilmittel, gelingt es der Jungregisseurin Jagoda Szelc einen szenisch reizvollen und atmosphärisch ungemütlichen Psychohorror zu entwickeln, dessen Prämisse und Auflösung viel Raum für Interpretationen lässt.
7
von 10