La La Land
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(„La La Land“ directed by Damien Chazelle, 2016)

„La La Land“ läuft ab 12. Januar im Kino

Die erste Begegnung von Mia (Emma Stone) und Sebastian (Ryan Gosling) war sicher ein wenig holprig. Dabei haben beide eine Menge gemeinsam, die Liebe zur Kunst beispielsweise. Und auch dass sie nicht wirklich erfolgreich mit ihr sind. Während Emma noch von ihrer großen Schauspielkarriere träumt und derweil als Bedienung arbeiten muss, tritt Sebastian als Pianist in Clubs auf. Dabei wäre er lieber selbst Clubbesitzer und würde den Menschen von heute die Schönheit des Jazz von gestern näherbringen. Immerhin privat läuft es anschließend ganz gut, denn die beiden kommen sich näher, verlieben sich, werden ein glückliches Paar. Als sich beiden jedoch die Chance bietet, ihre Ambitionen zu verwirklichen, müssen sie feststellen, dass dies mit vielen Kompromissen einhergeht – künstlerisch wie privat.

Ein bisschen scheinen in Damien Chazelle ja zwei Seelen zu hausen. Wenn er gerade Drehbücher für andere schreibt, dann handelt es sich um fiese Horrorstreifen (Der letzte Exorzismus, Grand Piano, 10 Cloverfield Lane). Seine eigenen Regiearbeiten sind jedoch der Liebe zur Musik gewidmet (Guy and Madeline on a Park Bench, Whiplash). Wobei es sein für fünf Oscars nominiertes Trommlerdrama war, das seinen Namen erst einem größeren Publikum bekannt machte, in dem beides irgendwie zusammen kam: mitreißende Musik und ein spannender Blick in die Abgründe.

La La Land geht da einen bewusst anderen Weg als der gefeierte Vorgänger. Und das obwohl sich dessen zentrale Frage hier in einer sehr ähnlichen Form wiederfindet: Was bin ich bereit, für meine Kunst zu opfern? Das betrifft zum einen die Schwierigkeit, Beziehung und Künstlerleben unter einen Hut zu bekommen, vor allem wenn Letzteres darin besteht, durch das Land zu reisen und Konzerte zu geben. Aber es bedeutet eben auch, beruflich manchmal Kompromisse einzugehen. Ist es besser, seinen Prinzipien zu 100 Prozent treuzubleiben, auch wenn es bedeutet, seine Kunst aufgeben zu müssen, weil sich niemand dafür interessiert? Oder doch lieber zumindest einen Teil davon zu retten, wenn auch nicht in der Form, wie man es gern hätte?

Einfach ist die Antwort auf beide Problemfelder nicht. Immer wieder schlingern Mia und Sebastian umher bei der Suche nach einer Lösung. Er sei zu sehr an Traditionen gefesselt, muss sich der Pianist irgendwann von seinem alten Freund und Musiker Keith (John Legend) anhören. Und auch wenn man dem an vielen Stellen zustimmen möchte, Sebastian seine Verachtung für moderne Musik mit Arroganz verbindet, so sehr kann man ihn bei seinen inneren Kämpfen verstehen. So sehr mitfühlen, wenn er sich immer wieder verbiegen und demütigen muss, nur um irgendwie über die Runden zu kommen. Wie schon bei Whiplash gelingt es Chazelle hervorragend, diesen Widerstreit fühlbar zu machen, eine Grundsatzfrage mit menschlichen Schicksalen zu verknüpfen, ohne dabei dem Zuschauer eine Antwort abnehmen zu wollen.

Und doch ist La La Land eben kein Problemfilm. Vielmehr verpackt der amerikanische Regisseur und Drehbuchautor sein Künstlerdrama in ein beschwingtes, vor Energie strotzendes und oft komisches Musical. Wenn der Film damit beginnt, dass eine Brücke nach Los Angeles zu einer improvisierten Bühne von Dutzenden Tänzern wird, dann ist das etwas, das man im Jahr 2017 einfach nicht mehr zu sehen bekommt. Vergleichbare spontane, von einer wahnsinnigen Kameraarbeit begleitete Darbietungen, vor allem in dieser Größenordnung, werden später seltener. Das Gefühl, hier aber einige Jahrzehnte zurück in die Vergangenheit gereist zu sein, das bleibt – trotz des modernen Settings.

Richtige Ohrwürmer sind die Lieder eher nicht, eigentlich nicht mehr als typisches Musicalfüllmaterial. Aber es ist von Stone und Gosling derart mitreißend aufgeführt, dass man selbst als Musicalgegner aus dem Staunen – und Grinsen – nicht mehr herauskommt. Dass diese Einlagen übertrieben sind, stört nicht weiter, der Ausflug ins Fantastische, der auch augenzwinkernd mit dem Kitsch flirtet, passt so makellos in den Film, dass man es irgendwie gar nicht anders wollte. Und just wenn sich der Traum seinem Ende entgegentanzt und singt, er für einen kurzen Moment mit der Realität ringt, nur um einen anschließend wieder hinaus in die Nacht zu entlassen, dann weiß man nicht, ob man mit dem Mond um die Wette strahlen oder doch lieber heimlich die Taschentücher hervorkramen soll.



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Teils ernstes Künstlerdrama, teils beschwingtes Musical ist „La La Land“ das mitreißend gespielte Porträt zweier Träumer, deren Ambitionen immer wieder von der Realität eingeholt werden. Das ist lustig und traurig zugleich, fantasievoll-überzogen und deprimierend lebensnah, und insgesamt schon jetzt einer der großen Höhepunkte von 2017.
9
von 10