Der König der Löwen
© 2016 Disney

Der König der Löwen (1994)

(„The Lion King“ directed by Roger Allers, Rob Minkoff, 1994)

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„Der König der Löwen“ erscheint als Diamond Edition am 27. Oktober auf DVD und Blu-ray

Löwe Mufasa ist ein König wie aus dem Bilderbuch: Von allen geachtet und respektiert, herrscht er mit Güte und Weisheit über das Tierreich in der afrikanischen Savanna. Nur einer ist gar nicht glücklich über die Machtverhältnisse, Mufasas Bruder Scar, der gern selbst den Thron besteigen würde. Nachdem eine erste Intrige, Mufasas Sohn Simba zu töten, fehlschlug, hat er mit seinem zweiten Plan Erfolg: Der König wird während einer Stampede getötet, Thronfolger Simba überredet er, das Land zu verlassen. Während Scar nun zusammen mit den Hyänen seine Schreckensherrschaft beginnt, wächst Simba unbekümmert in der Fremde auf – bis er eines Tages einer alten Bekannten begegnet.

Viele Jahre stand Der König der Löwen auf dem Spitzenplatz der Animationshitliste, bis heute hat es auch kein traditioneller Zeichentrickfilm geschafft, an diesem vorbeizuziehen. Zwei Direct-to-Video-Fortsetzungen folgten, die langlebige Serie Abenteuer mit Timon und Pumbaa, aktuell eine weitere Serie namens Die Garde der Löwen. Und auch musikalisch wusste man die Popularität des Films zu nutzen: Das gleichnamige Musical läuft bis heute, der Soundtrack wurde mit Oscars überschüttet, verkaufte sich allein in den USA zehn Millionen Mal. Ganz klar, wenn es allein um den kommerziellen Erfolg geht, dann ist die Geschichte um den kleinen Löwen der Höhepunkt der „alten“ Disney-Filme.

Qualitativ ist die Einordnung in das ruhmreiche Gesamtwerk der Zeichentrickpioniere nicht ganz so einfach. Auf der einen Seite ist es schwierig, Der König der Löwen ernsthaft Kritikpunkte andichten zu wollen, denn größere Fehler erlaubt sich der Film nicht. Wenn überhaupt ist er zu perfekt, zu klinisch, um ganz vorne wirklich mitzumischen. Dabei ist der Film, zumindest gemessen an dem, was die junge Zielgruppe sonst zu sehen bekommt, sogar ausgesprochen düster. Dass hier einer der Guten stirbt, sogar noch vor den Augen des Publikums, das ist bei Disney alles andere als selbstverständlich. Ebenso wenig ein machtbesessener Gegenspieler, der zu seinem Vorteil über Leichen geht, selbst die des eigenen Bruders – der Zeichentrickfilm erinnert hier oft an klassische Tragödien.

Die Figur des Scars ist dann auch die interessanteste des Films, wenngleich sich ihr Tiefgang wie bei allen Tieren auch doch eher in Grenzen hält. Aber das Lustvoll-Verschlagene, ein Antagonist, der auch Spaß am Bösesein hat, das ist besonders im englischen Original hörenswert, wo Jeremy Irons der Figur seine Stimme lieh. Ansonsten sind die Tiere eigentlich weniger spannend, setzen auf sehr starke Schwarz-Weiß-Zeichnungen, aufgelockert durch die üblichen Comic-Relief-Sidekicks – hier sind es das Erdmännchen Timon und das Warzenschwein Pumbaa. Das ist funktional, keine Frage, Kinder bekommen hier genügend Gelegenheit, mit den Protagonisten zu lachen und mitzufiebern. Und doch, es fehlen ihnen der Charme und die Persönlichkeit der Kollegen aus früheren Disney-Werke wie Das Dschungelbuch oder Bernard & Bianca, auch das vorangegangene Die Schöne und das Biest hatte hier mehr zu bieten.

Optisch ergibt sich ein recht ähnliches Bild. Es ist beeindruckend, mit welchem Aufwand die Disney-Künstler hier Afrika auf die Leinwand brachten. Wie einst bei Bambi wurde sehr genau studiert, wie Tiere sich in der freien Wildbahn bewegen, um anschließend den Anblick in gezeichneter Form festzuhalten. Oder zumindest in größtenteils gezeichneter Form. Der schon damals zum Einsatz gekommene Computer unterstützte gerade bei den größeren Szenen, ohne dass das weiter störend auffallen würde. Gleichzeitig ist es zu steril, was hier gezeigt wird, zu nett, zu sicher – gerade auch wenn man ihn mit dem anderen bekannteren Afrika-Zeichentrickfilm der 90er vergleicht: Kiriku und die Zauberin. Die Experimentierfreude, die Disney früher einmal ausgezeichnet hatte, von ihr ist hier nur selten etwas zu spüren. Verstärkt wird dieser Eindruck, alles für einen Erfolg opfern zu wollen, durch den Soundtrack von Hans Zimmer bzw. die recht schwülstigen Lieder von Elton John und Tim Rice, die nicht wirklich zu der Szenerie passen, mehr mit Kuschelrock-Kitsch als wilder Natur gemeinsam haben. Das ist in der Summe zwar immer noch unterhaltsam, gibt heranwachsenden Löwen auch ein paar Denkanstöße in Hinsicht auf Selbstverwirklichung und Verantwortung mit auf den Weg. Den enormen Erfolg hätten andere Disney-Zeichentrickfilme aber mehr verdient.



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Die Geschichte von „Der König der Löwen“ ist stellenweise für einen Disney-Film erstaunlich düster. Ansonsten zeigt sich der perfekt durchgearbeitete Zeichentrickklassiker aber wenig experimentierfreudig, ist zwar unterhaltsam, jedoch an vielen Stellen zu steril und ohne echte Persönlichkeit.
7
von 10