Das erstaunliche Leben des Walter Mitty

Das erstaunliche Leben des Walter Mitty

(„The Secret Life of Walter Mitty“ directed by Ben Stiller, 2013)

Das erstaunliche Leben des Walter MittyUnsere kleinen Tagträume haben wir doch alle mal. Momente, wenn wir von einem besseren, größeren, aufregenden Leben träumen. Und vorstellen, jemand ganz anderes zu sein. Bei Walter Mitty (Ben Stiller) sind diese Momente jedoch ein klein wenig stärker ausgeprägt als bei den meisten: Er mutiert darin zu einem Superhelden, zum Erfinder, Entdecker, und ist während der mentalen Auszeit so gar nicht für die reale Welt ansprechbar – was ihm immer wieder den Spott seines Umfelds beschert. Dabei ist oft gerade das Teil seiner Vorstellungskräfte: Vor allem seine neue Kollegin Cheryl (Kristen Wiig) spornt ihn immer wieder zu den ausgefallensten Fantasien an.

Weit weniger traumhaft gestaltet sich dafür sein Arbeitsalltag: Das renommierte Magazin „Life!“ steht kurz vor dem Aus, der aalglatte Ted Hendricks (Adam Scott) soll beim Umbau zu einem reinen Onlinedienstleister rigoros Personal ausmisten – was der auch gerne macht. Als langjähriger Mitarbeiter im Fotoarchiv stehen Walters Chancen, heil aus der Sache zu kommen, an und für sich nicht schlecht. Nur gibt es da ein Problem: Ein Negativ des Starfotografs Sean O’Connell (Sean Penn) ist verschwunden. Und das ist vor allem deshalb ungünstig, weil das Bild die Titelseite der letzten Ausgabe schmücken soll. Also bleibt dem Stubenhocker nicht anderes übrig, als dem Weltenbummler an die abgelegensten Orte zu folgen, und erlebt dabei auf einmal mehr Abenteuer als in den vergangen vierzig Jahren zusammen.Das erstaunliche Leben des Walter Mitty Szene 1

Schon einmal wurde James Thurbers Kurzgeschichte „Walter Mittys Geheimleben“ verfilmt, Das Doppelleben des Herrn Mitty von 1947 mit Danny Kaye und Boris Karloff gilt heute als Klassiker. Kein Wunder also, dass irgendwann ein Remake fällig war. Dieses Mal tat sich Hollywood aber überraschend schwer, Regisseure und Schauspieler wurden immer wieder ausgetauscht, fast zwanzig Jahre dauerte es am Ende, bis Das erstaunliche Leben des Walter Mitty letztendlich fertig war und in den Kinos lief. Das Ergebnis ist deutlich ernster, als man es von Komödienspezialist Ben Stiller erwartet hätte, der nicht nur die Hauptrolle übernahm, sondern auch den Regiestuhl beschlagnahmte. Und mit dem Original hat seine Version ohnehin nur noch den Namen gemeinsam.

Anfangs darf noch herzhaft über den verschrobenen Walter und seine absurden Träume gelacht werden, später wandelt sich Das erstaunliche Leben des Walter Mitty aber zu einem rührenden Film über Selbstverwirklichung, kleine Momente im Alltag und die große Kunst des Zeitschriftenjournalismus. Die Tagträume werden weniger, auch die Romanze mit Cheryl wird zu einer Randnotiz degradiert. Stattdessen rückt Stiller den Menschen Walter in den Mittelpunkt, wie er die Verantwortung für sein Leben entdeckt und ohne es selbst zu merken der Held wird, der er eigentlich immer sein wollte.Das erstaunliche Leben des Walter Mitty Szene 2

Schade dabei ist nur, dass Stillers fünfte Regiearbeit sich oft nicht ganz entscheiden kann, was sie sein will. Komödie? Drama? Romanze? Abenteuer? Eine Geschichte über das späte Erwachsenwerden? Kritik am Turbokapitalismus? Sogar das Genre des Katastrophenfilms wird zwischenzeitlich gestreift. So ganz zusammenpassen will das alles nicht, einige Abschnitte sind auch deutlich weniger gelungen als andere oder auch wenig nachvollziehbar. Aber wenn der 48-Jährige den richtigen Ton trifft, wird Das erstaunliche Leben des Walter Mitty zum bewegenden Homerun. Gerade für die wunderbaren, wenn auch viel zu kurzen Auftritte der Altstars Shirley MacLaine als Walters Mutter und Sean Penn hat sich die lange Wartezeit gelohnt. Und selbst wenn es zwischendurch mal wieder knirscht, entschädigen die vielen prächtigen Landschaftsaufnahmen.

Das erstaunliche Leben des Walter Mitty erscheint am 2. Mai auf DVD und Blu-ray



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Richtig rund ist Ben Stillers überraschend ernste Neuverfilmung von Walter Mitty nicht, dafür fehlt es dann doch zu sehr an einer konsequenten Linie. Zwischendurch wird es aber immer wieder bewegend und auch die beeindruckenden Landschaftsaufnahmen lohnen sich.
7
von 10