Habemus Papam

Habemus Papam – Ein Papst büxt aus

(„Habemus Papam“ directed by Nanni Moretti, 2011)

Stellen Sie sich vor, man würde Sie zum Papst wählen! Alles in Ihnen sträubt sich dagegen, diesen Posten anzunehmen. Inständig beten Sie, dass der Kelch an Ihnen vorübergehen möge. Alles, nur nicht zum Papst gewählt werden! Bitte!

All das Hoffen, all das Bangen bleibt jedoch erfolglos: mit großer Mehrheit zollen Ihnen Ihre Kollegen Respekt, indem sie es Ihnen zutrauen, all diese Verantwortung auf den Schultern tragen zu können. Sie sind nun Vorbild für Millionen von Menschen, die sich von Ihren Moralvorstellungen beeinflussen lassen. Sie haben die Macht! Aber sind Sie bereit, diese Macht auszuspielen und für eine ganze Religion Vorbild zu sein? Die Ernennung zum Papst erweist sich als Bürde, bis der ganze Druck nicht länger ertragbar ist und Sie unter ihm zusammenbrechen.

Was in einem Kardinal bei seiner Ernennung zum Papst vor sich geht, war bislang selten Thema von Berichterstattungen. Es geht nicht um den inneren Druck und all die Last, die ständige Vorbildfunktion und das stete Umschiffen von Fettnäpfchen, sondern es geht um den Mythos Papst, in all seiner Glorie.

Nanni Moretti hat sich nun der inneren Gefühlswelt des Mannes angenommen, dessen ganzes Leben sich an einem bewölkten Nachmittag im Vatikan radikal ändern wird – auf eine Weise, die er sich selber am allerwenigsten gewünscht hatte. Das ist prinzipiell ein sehr trauriges Thema und in den ruhigen Momenten drückt Habemus Papam eine triste Melancholie aus, wie man sie bislang vom Staatsoberhaupt des Vatikans nie zu sehen bekam. Morettis Film ist jedoch keine Dokumentation, sondern eine warmherzige Satire, wohltuend zurückhaltend und nie in bösartige Kritik am Katholizismus und der altbewährten Tradition der Papstwahl ausartend. Auf eben diese Weise gelingt es dem Regisseur und Drehbuchautor, das Publikum auf amüsante, kurzweilige Art zu unterhalten. Sein Film ist gerade deshalb so elegant geworden, weil Moretti mit einem Augenzwinkern menschliche Schwächen abbildet, ohne zu behaupten, selber besser zu sein. Dass er dabei nie bösartig wird und unter die Gürtellinie geht, ist gerade bei diesem Werk wichtig, dessen Grundidee vom Papst, der nicht Papst sein will, offensichtlich von Joseph Ratzinger inspiriert wurde, der i Interviews immer wieder von seinen Hoffnungen sprach, nicht zum befördert zu werden.

Ratzinger heißt hier allerdings Melville und wird von einem großartigen Michel Piccoli verkörpert, der als Papst wie ein Hund leiden muss. Nach seiner Wahl beginnt für ihn eine schmerzhafte Periode der Selbstfindung, in der er sich intensiv mit seinen Wünschen auseinandersetzen muss und – im hohen Alter – mit seiner verlorenen Vergangenheit, die seinen Traum, als Schauspieler auf der Bühne zu arbeiten, nicht in Erfüllung gehen ließ. Melville sieht nur einen Ausweg: er flüchtet vor seiner neuen Aufgabe und vor sich selbst. Während er sich in schummrigen Theatern versteckt, beginnt der Vatikan in einer Hetzjagd die Suche nach dem verschollen Staatsoberhaupt, der in nur wenigen Stunden versucht, all das, was er in den letzten Jahrzehnten vermisst hat, nachzuholen.

Habemus Papam ist eine kluge Charakterstudie über den Mut, Schwäche zu zeigen, während die skurrilen Momente aus dem Aufeinanderprallen von festen Grundsätzen sowie Überzeugungen der katholischen Kirche auf die Welt der Psychoanalyse resultieren. Als Psychoanalyst in den Fragen, die er dem Papst stellen darf, stark eingeschränkt und im Vatikan eingesperrt, bis der Papst gefunden ist, beginnt der in seiner Rolle als Wissenschaftler aufblühende Nanni Moretti, die Kardinäle zu entstauben und Leben in das triste Vegetieren im Haus des Glaubens zu bringen. Aus den einsamen Männern, die sich abends nicht genug Schlafmittel in das Wasserglas tropfen können und gegen sich selber Schach spielen, werden engagierte, leidenschaftliche Sportler, für die der Innenhof als Spielfeld zum Erlebnispark wird. Morettis leichtherzige Beobachtung präsentiert sich als ausgewogene Mischung aus Komödie und Tragödie, die deshalb so gut funktioniert, weil die Leiden eines alten Mannes, der seine ganze Profession mit der Ernennung zum Papst in Frage stellt, niemals ins Lächerliche verzerrt werden.

Habemus Papam ist seit 14. Juni auf DVD erhältlich



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