Alles über Eva

Alles über Eva

(„All About Eve“, directed by Joseph L. Mankiewicz, 1950)

“Fasten your seatbelts, it’s going to be a bumpy night!”

14 Oscar-Nominierungen erhielt All About Eve 1951 und hält den Rekord, was Nominierungen für die besten weiblichen Darsteller in einem Film betrifft. Zwei Nominierungen für die besten Hauptdarstellerinnen (Anne Baxter und Bette Davis) und zwei für die besten Nebendarstellerinnen (Thelma Ritter und Celeste Holm), doch wider Erwarten gingen alle vier Damen leer aus und der einzige Schauspieler, der eine Trophäe für eine Leistung in diesem Werk mit nach Hause nehmen konnte, war George Sanders, der den Journalisten Addison DeWitt spielte und der zu jener Zeit mit der legendären Diva Zsa Zsa Gabor verheiratet war. Dies war auch einer der Gründe, weshalb Gabor für eine Nebenrolle in diesem Film vorgesehen war. Die entsprechende Rolle wäre die der Ms. Casswell, des Schützlings von DeWitt gewesen. Letzten Endes erhielt jedoch niemand Geringeres als eine bildschöne Marilyn Monroe den Zuschlag; eine von vielen Umbesetzungen, die getätigt werden mussten, ehe man mit dem eigentlichen Dreh beginnen konnte.

Es sollte sich lohnen, All About Eve wurde mit Preisen überschüttet und zählt noch heute zu den besten amerikanischen Filmen, die jemals in die Kinos gebracht wurden. Dabei behaupten die meisten Kritiker, dieses Werk sei eine böse Abrechnung mit dem Glanz und Glamour des Film- und Theatergeschäfts, eine Anklage gegen selbstverliebte Diven. Doch es ist auch ein Film über alle von uns, über Menschen mit zwei Gesichtern, die lediglich für ihre Träume kämpfen. In diesem Fall gehen sie beinahe über Leichen. Eine von diesen Personen ist Eve Harrington (Anne Baxter). Die erste Szene, die der Film zeigt, ist eine Preisverleihung. Es geht nicht um irgendeinen Preis, sondern um die wichtigste Trophäe für Künstler im Theatergeschäft. Der Festredner wird mit abschätzenden Worten bissig kommentiert.

Der Preis für besondere Leistungen geht an Eve Harrington, eine junge Schauspielerin, die in ihrem bezaubernden Abendkleid alle Anwesenden für sich eingenommen hat. Oder doch nicht alle? In diesem Saal sitzen auch Menschen, die alles über Eve wissen – und es sind keine hübschen Dinge. Als diese Dame ihrem Preis in die Arme schließen will, friert das Bild ein. Diese Menschen, die Eve – so meint man – kaum gefährlich werden können, beginnen über all das zu berichten, was sie mit der jungen Frau, die gerade die Bühne betritt, erlebt haben und wie diese zu einem der am meisten gefeierten Stars geworden ist. Es beginnt alles an einem verregneten Abend vor einem Theater. Karen (Celeste Holm) kennt Eve bereits, doch sie kennt nicht ihren Namen. Sie weiß, dass Eve jeden Abend im Theater ist – sie hat einen Stehplatz und für sie ist es unmöglich, eine Vorstellung zu versäumen, so hingerissen ist sie von Margo Channing (Bette Davis), der Hauptdarstellerin des Stücks. Karen interessiert sich für die Frau, die ganz alleine zu sein scheint und keine weitere Freude in ihrem Leben hat als jeden Abend ihr Idol Margo zu bewundern. Aus diesem Grund stellt sie ihrer Freundin Margo Eve vor.

Es entwickelt sich nicht nur eine Freundschaft zwischen Eve und Karen, sondern auch zwischen Eve und Margo. Letztere lässt das junge Mädchen schließlich sogar bei sich zu Hause einziehen und diese verbringt ihre Tage fortan damit, Dienstmädchen für den großen Star zu spielen. Doch es kommt der Zeitpunkt, als die attraktive Eve merkt, dass sie höhere Ambitionen hat und sie merkt, dass mehr in ihr steckt als nur das Dienstmädchen. Sie hört den Ruf der großen Bühne. Doch während sie daran arbeitet, dieses Ziel zu erreichen, zeigt sie immer mehr hässliche Seiten ihrer Persönlichkeit und bald erkennen sie ihre engsten Freunde nicht mehr wieder. Mit dem Einfrieren des Bildes beginnt die Demontage Eve Harringtons.

Es wird deutlich: am Starrummel hat sich bis heute nichts geändert. Gerade die weiblichen Schauspielerinnen müssen auf ihre Figur, auf ihre Kleidung, auf ihr ganzes Benehmen achten, denn für die Journalisten, die ihnen auf den Fersen sind, zählt nicht deren Intellekt oder Charakter, sondern lediglich das Äußere; sie werden und bleiben reduziert auf ihren Körper und ihre Stimme und bleiben bis zum Ende unfähig, daran etwas zu ändern. Dabei bieten sie Menschen wie Eve, einem armen, einsamen Mädchen, die einzige Fluchtmöglichkeit durch das Theater. Auf diese Weise werden die Stars, unnahbar auf der einen Seite, zu den einzigen Freunden eines Menschen, der sich selbst eingeschlossen hat in einer Welt, die längst nicht mehr real ist und lediglich aus den abendlichen Besuchen im Theater besteht. Es gibt einige Szenen, da sind sich die Stars darüber bewusst – allen voran Bette Davis als Margo erweist sich als zickig, spielt sich als große Diva auf, die sich ihrer Qualitäten durchaus bewusst ist – so scheint es zumindest, wenn genug Leute sie umgeben, doch in den stillen Momenten zeigt sich, wie einsam dieser große Star ist, der sich in traurigen Dialogen mit einem vertrauten Menschen selber demaskiert und bewusst macht, wie klein er letztendlich doch ist.

Diese Momente der Wahrheit sind rar gesät, nur selten sind diese Personen ehrlich zu sich selbst, weil sie nichts anderes haben, als ihren Status, ein großes Star zu sein, der ihnen große Schlagzeilen bringt, aber immer mehr Freude am Leben zu nehmen vermag. Es ist nicht nur ein Fingerzeig darauf, wie Schauspieler die Filmwelt diktieren und alle zu Sklaven machen können, es ist vielmehr eine Charakterstudie – eine sehr intensive all der Menschen, die uns hier begegnen. Allen voran Eve Harrington, die zu Beginn ihrem großen Idol verschüchtert von ihrer Herkunft und ihrer Vergangenheit berichtet. Margo fühlt sich mitgerissen – man kommt nicht umhin, dieses Mädchen mit der traurigen Vergangenheit zu mögen. Als diese junge Frau schließlich selber zum Star wird, weigert sie sich beinahe, all das zu erzählen, von dem sie zu Beginn berichtet hat, denn sie ist nicht mehr das kleine schüchterne Mädchen. Diese Frau gehört zu einer Zeit, die endgültig der Vergangenheit angehört – ein Blick zurück ist schmerzhaft.

Es gibt nur wenige (amerikanische) Filme, die auf eine derart ehrliche Art und Weise demonstrieren, wie sich Menschen aufgrund ihres Umgangs verändern – mit all ihren Schattenseiten und den raren fröhlichen Momenten. Die Grenzen zwischen Theater und Wirklichkeit sind längst verschwommen, sie existieren nicht mehr. „Nichts bleibt im Theater“ und die Schauspieler sehen sich gefangen in ihrer Determination, in ihrer Scheinwelt, an der sie zum Teil selber Schuld sind. Es geht um Traumwelten, wie die des ehemaligen Filmstars Norma Desmond aus Billy Wilders Sunset Boulevard und George Sanders als manipulativer Journalist wirkt wie eine sympathische Version von Waldo Lydecker aus Otto Premingers Laura. Mit bravourösen Leistungen aller Haupt- und den wichtigsten Nebendarstellern, einem exzellenten Drehbuch, das gespickt ist mit scharfzüngigen, gestochen scharfen Dialogen gehört All About Eve zu den wichtigsten Filmen über Stars oder all jene, die denken, sie wären eben solche. Eine Demonstration menschlichen Strebens und menschlichen Scheiterns.



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