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Man spricht deutsh! [Special]

Deutschland ist nett – es verwöhnt seine Bürger. Zum ersten Mal wurde mir dies bewusst, als ich durch den größten europäischen LP- und CD-Shop Europas und vielleicht mittlerweile auch der Welt spazierte – HMV, Bond Street, London, Großbritannien. Für einen Cineasten gibt es kaum einen schöneren Aufenthaltsort, doch was mir auffiel, war nicht, dass die Briten bessere Mediamärkte und angenehmere Preise haben, sondern die Ausstattung der DVDs selbst. Die englischen DVD-Label verwöhnen ihre (potentiellen) Kunden nicht in der Art und Weise, wie es die deutschen tun. Im Gegenteil, sie sind rücksichtlos und zwingen sie dazu, ausländische Filme im Originalton anzusehen! Das Faszinierende an ausländischen DVD-Produktionen – sei es England, Amerika oder Frankreich – ist nämlich, dass die größte Anzahl von den dort auf den Markt gebrachten DVDs keine Synchronfassung beinhaltet. Die einzige Wahl, die ihre Kunden haben ist, sich den Film im Originalton mit entsprechenden Untertiteln anzusehen. Sie werden sozusagen „zu ihrem Glück gezwungen“.

Warum bin ich Befürworter dieser Taktik? Taktik kann man es eigentlich kaum nennen, denn dadurch werden die DVD-Label sicherlich nicht mehr Kunden anziehen, als wenn sie eine Synchronfassung mit auf den Silberling packen würden. Warum tun sie es nicht und warum findet dies der Kolumnist gut? Im HMV-Markt in London (genauer gesagt: derer sind es drei) stehen Regale voll mit ausländischen Filmen. Deutsche, französische, italienische, spanische. Zu 90% alle ohne englische Synchronfassung. Warum macht es die Criterion-Collection aus Amerika ebenfalls so? Diese DVDs beinhalten neben dutzenden Bonusmaterialien nämlich stets nur die originale Tonspur und auch nur eine Art von Untertiteln: englische. Keine deutschen, keine französischen, keine italienischen, keine spanischen. Die Hersteller dieser DVDs lieben Filme – das sieht man nicht nur an der edlen Ausstattung. Ein jeder Kritiker wird ihnen nun bestätigen, dass man gute oder schlechte Filme nur dann umfassend bewerten kann, wenn man sie sich in der Originalfassung anschaut, denn „Schauspiel besteht zu 70% aus der Stimme“ (die Person, welche diesen Satz von sich gab, ist mir entfallen). Wer nun also die Leistung eines Schauspielers – und spontan kenne ich niemanden, der mir in dieser Hinsicht ernsthaft widersprechen würde – wirklich beurteilen will, der kann dies nur dann tun, wenn er auch auf die Stimmführung dieses Charakters achtet. Und damit ist der tatsächliche Schauspieler gemeint und nicht der Synchronsprecher.

Die Deutschen sind nun mal faul. Ich erinnere mich an ein Zitat meiner Englischlehrerin, die einige Zeit in Belgien lebte. Laut ihrer Aussage würden Filme dort nur in Englisch gezeigt, was zur Folge hätte, dass die Kinder dort wesentlich schneller und besser diese Sprache zu beherrschen lernen, da sie mehr oder weniger dazu gezwungen werden. Von Verwöhnung der dortigen Fernsehzuschauer kann dort keine Rede sein – anders als in Deutschland. Hier wird man zuvorkommend behandelt und kann auf DVDs – fast ausnahmslos – jede Sprache wählen, in der man den Film sehen möchte. Deutsch, Französisch, Spanisch, Niederländisch, Türkisch, Russisch, Mongolisch, Haitianisch. Auch im Fernsehen wird – wenn man von dem rührigen Kultursender arte absieht – lediglich die deutsche Synchronfassung gezeigt.

Doch sind England und Amerika in Bezug auf die DVDs Ausnahmen? Schauen wir nach Frankreich – Amazon gibt Auskunft. Kurz durch den Shop gebrowst, stoßen wir auf diverse Produkte wie Martin Scorseses Taxi Driver in der edlen, französischen Deluxe-Edition. Französische Tonspur? Deutsche? Italienische? Fehlanzeige! Und das bei einer Deluxe-Edition! In Deutschland wäre so etwas undenkbar und man kann bereits die Unkenrufe aus diversen Filmforen hören, würde sich ein Label erdreisten, einen Film ohne deutsche Synchronfassung herauszubringen. Natürlich würde das – in dem derzeitigen Stadium – auch kein Label wagen. Warum sollten sie? Die Deutschen sind es nun seit Jahrzehnten (bei Videos war es nicht anders) gewohnt, Synchronversionen zu erhalten, auf Untertitel und ausländisches Kauderwelsch hat man keinen Bock. Also warum riskieren, wertvolle Kunden zu verlieren? Die laden sich dann halt die Filme synchronisiert aus dem Internet. Es scheint in der Tat ein Teufelskreis zu sein, aus dem man bei der derzeitigen Lage um den angeschlagenen DVD-Markt nicht fähig zu sein scheint, diesem zu entkommen. Andere Länder haben ihre Bürger, wie es scheint, früh genug daran gewöhnt.



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