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Hollywood Teil 95 [Special]

Ehrlich gesagt steht ein dritter Teil der Fockers-Reihe auf meinem Wunschzettel direkt hinter „Atomkrieg“. Natürlich interessiert das die Hollywood-Produzenten nicht. Warum sollte es auch? Viel wichtiger: warum sollte es mich interessieren? Schließlich werden nicht meine Steuergelder dafür verschwendet. Ich bezahle nicht Ben Stiller dafür, sich weiterhin mit seinem griesgrämigen Schwiegervater Robert DeNiro anzulegen. Aber faszinierend ist es schon, wenn wir ehrlich sind. Da wird ein dritter Teil einer sich längst im künstlichen Koma befindenden Komödienreihe gedreht, die nahezu ausschließlich schlechte Kritiken erfährt, sich aber an der Kinokasse behaupten kann und wochenlang unter den erfolgreichsten zehn Kinofilmen steht. Für Hollywood ist es ein simples Konzept: was einmal funktioniert, kann auch ein zweites Mal funktionieren. Wenn es ein zweites Mal funktioniert, kann es auch ein drittes Mal funktionieren. Und so weiter. Nennen wir ein paar Beispiele: Spiderman 1-3 (ein vierter Teil wird soeben gedreht), Iron Man 1-2, Saw 1-7, Hostel 1-2, Indiana Jones 1-4 (ein fünfter Film befindet sich angeblich in Planung), Harry Potter 1-8 und Twilight 1-4 oder 5 sind dabei noch entschuldbar, schließlich handelt es sich hier um Verfilmungen von Buchreihen. Sogar von Historienschinken wie Elizabeth, die sich naturgemäß so gut für eine Fortsetzung eignen wie ein Speiseeis für die Mikrowelle, hat man nach etlichen Jahren noch eine Fortsetzung hinterher geschoben, um Cate Blanchett nicht arbeitslos werden zu lassen. Alles kein Grund sich aufzuregen, schließlich muss man sich derartige Ergüsse der Amerikaner nicht ansehen. Es gibt aber dennoch Filmfreunde, die steif und fest behaupten, Hollywood leide an Ideenarmut. Dem kann man zwar mit einem Blick auf Saw 1-7 spontan zustimmen, aber man machte es sich trotzdem ein wenig einfach, wenn man annimmt, derartige Fortsetzungen wären ein neues Phänomen aufgrund gähnenden Vakuums in den Köpfen der Filmproduzenten des 21. Jahrhunderts.

Böse Zungen könnten auch behaupten, die Laurel und Hardy Filme der 20er, 30er und 40er Jahre seien im Grunde nicht mehr als leicht veränderte Wiederholungen des ersten gemeinsamen Auftritts des Komiker Duos. Das grundlegende Konzept, der Spielrahmen für die beiden Deppen sei immer gleich geblieben. Grundsätzlich sicher nicht falsch, aber trotzdem sind es keine nummerierten Fortsetzungen erfolgreicher Stoffe wie es diese heutzutage zu Dutzenden gibt. Gab es also in den goldenen Zeiten, als die Ideen noch aus dem Boden sprossen wie Jacks Bohnenstange, keine ellenlangen Fortsetzungen von erfolgreichen Stoffen? Natürlich. Das prominenteste Beispiel ist vielleicht die Dünne Mann-Reihe, die 1934 mit einem in Kriminalfällen ermittelnden Ehepaar begann und 1947 – nach sechs Filmen, sprich fünf Fortsetzungen – ihr Ende fand. Oder die Sherlock Holmes-Filme mit Basil Rathbone der 30er und 40er Jahre. Auf den ersten Film von 1939 folgten 13 weitere, bis der Hauptdarsteller seinen Durst nach dieser Rolle 1946 gestillt hatte. Wer sagt auch, dass Fortsetzungen etwas Schlechtes sind? Hollywood tut es – und die Europäer sowieso. Die Gendarm-Reihe der 60er und 70er mit Louis de Funés, die „Der große Blonde“-Reihe mit Pierre Richard, Deutschland hatte die Edgar Wallace– und Karl May-Filme, Großbritannien immerhin 31 (oder waren es 32) Einträge in der Datenbank für die Carry On-Filme. Die Liste ist endlos. Während ellenlange Fortsetzungen in Europa scheinbar recht selten geworden sind, führt Hollywood nun dieses Konzept konsequent weiter und produziert Fortsetzungen in Masse, die teilweise fast eine zweistellige Zahl erreichen – fast die Zahl an Jahren, die Uwe Boll im Gefängnis absitzen müsste, könnte man jemanden fürs Filmemachen verklagen.

Interessant ist allerdings, einen Blick in die Filmographien der großen Regisseure der Filmgeschichte zu werfen. Wer hat es nötig, Fortsetzungen am Fließband zu drehen, da er ansonsten seine Miete nicht bezahlen kann? Arme Kleingeister, denkt an Orson Welles! Fortsetzungen? Nein. Alfred Hitchcock? Ein einziges Remake mit dem Titel Der Mann, der zu viel wusste. Martin Scorsese? Nichts. Woody Allen? Weit entfernt. Stanley Kubrick? Hat nicht einmal im Schlaf daran gedacht. David Lynch? Will trotz Gerüchte von einer Mulholland Drive-Fortsetzung nichts wissen. Billy Wilder? Roman Polanski? Akira Kurosawa? Folgten nach Die sieben Samurai etwa höhere Zahlenwerte? Gut, zugegeben, Francis Ford Coppola hat aus dem Paten eine Trilogie gemacht, aber das kann man ihm angesichts der Tatsache, dass es sich um eine Familienchronik handelt, auch noch nachsehen. Steven Spielberg kam um Indiana Jones-Fortsetzungen nicht herum, weil ihm George Lucas im Nacken saß. Federico Fellini? Fehlanzeige.

Was kann das beweisen? Die wahrhaft großen Meister hatten es nie nötig, sich dem Kommerz zu beugen? Fortsetzungen gab es schon immer, sind legitim und offerieren den liebgewonnenen Charakteren, sich weiterzuentwickeln? Das muss wohl jeder für sich selbst entscheiden, während ich mich zurücklehne und mich darauf freue, Scream 4 nicht zu sehen.



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