Die 39 Stufen

Die 39 Stufen

(„39 Steps“, directed by Alfred Hitchcock, 1935)

1935 entstand die erste Verfilmung von John Buchans berühmtem Roman Die 39 Stufen – gefolgt von zwei weitaus weniger gepriesenen Remakes, die sowohl Cineasten als auch der breiten Öffentlichkeit kaum mehr bekannt sind. Hitchcocks Original hingegen wird des Öfteren noch lobend erwähnt, kommt eine Liste der besten Filme des Master Of Suspense zur Sprache. Der Spionagethriller wurde bereits vor einiger Zeit – endlich – auf DVD veröffentlicht und so kann man bereits an dieser Stelle eine klare Kaufempfehlung für das Produkt aussprechen, denn der Film gehört zu den besten Werken des Regisseurs.

Alles beginnt mit einem Revuebesuch in einem englischen Städtchen. Die Vorstellung des sog. „Mr. Memory“ (Wylie Watson) wird vorzeitig abgebrochen, da zwei Schüsse vernommen werden. Einer der Besucher ist Richard Hannay (Robert Donat), der auf Bitten einer jungen Frau (Lucie Mannheim) diese mit zu sich in die Wohnung nimmt. Sie klärt ihn auf, dass sie es war, die geschossen habe, da sie Verwirrung stiften wolle, um ihren Verfolgern zu entkommen. Richard Hannay glaubt ihr zunächst nicht, muss jedoch bald feststellen, dass tatsächlich Verfolger hinter seinem Gast her sind, die sich nicht haben abschütteln lassen. Die Frau erklärt ihm daraufhin, dass sie Agentin sei und bald nach Schottland müsse, um ihrem Auftraggeber von ihren neusten Erkenntnissen zu berichten.

Dazu kommt es leider nicht mehr, da sie am nächsten Morgen mit einem Messer im Rücken aufgefunden wird – in der Hand eine Karte von Schottland, markiert der Ort, zu dem sie hingefahren wäre. Da sie in der Wohnung von Hannay ermordet wurde, begibt sich dieser notgedrungen nach Schottland, um das Mysterium aufzuklären, um so den wahren Mörder zu finden, der die Polizei von der Unschuld Hannays überzeugt. Die Odyssee gestaltet sich schwieriger als erwartet, denn nicht nur die Polizei ist hinter dem Verdächtigen her, sondern auch die Spione, die ihn zu liquidieren wünschen. Keine sonderlich große Hilfe für den Flüchtigen ist dabei die Damenbekanntschaft, die er gemacht hat (Madeleine Carroll), denn die, welche ebenfalls in die Affäre verstrickt wird, hält den charmanten Herren des Verbrechens für schuldig – was Hannay nicht zu schaffen machen sollte, würde er mit dieser Dame nicht mit Handschellen aneinandergekettet sein…

Hitchcocks Film ist unwahrscheinlich clever konstruiert. So ist es ein höchst interessanter Einfall die Hauptperson – der zu Unrecht Verdächtigte Richard Hannay – anfangs nicht vorzustellen. So erfährt der Zuschauer bis zum ersten Mord nichts über dessen Charakter, seine Stärken oder Schwächen, damit der Zuschauer anfangs neutral ist. Im Laufe der Handlung lernt man Hannay immer besser kennen, er gewinnt an Tiefe, Wärme, Menschlichkeit. Hierbei muss erwähnt werden, dass es unter Anderem Alfred Hitchcocks Frau Alma war, die an dem Drehbuch mitschrieb und die Romanvorlage adäquat umsetzte. Der Meister selbst ist hier in seinem Element, geht vollends darin auf – er offeriert dem Zuschauer diverse trickreiche Einstellungen, die ihrer Zeit weit voraus waren.

Im Gedächtnis bleiben vielleicht am ehesten eine kurze Szene auf dem Bahnhof, für die Hitchcock schiefe Kameraperspektiven wählte sowie mit rasant schnellen Schnitten arbeitete oder die Entdeckung der ersten Leiche: als die Vermieterin die erstochene Agentin entdeckt, öffnet sie den Mund, um zu schreien, doch just in diesem Moment blendet Hitchcock zum fahrenden Zug über, der ihr Schreien mit seinem Pfeifen imitiert. Wie in den besten Filmen des englischen Regisseurs, so ist auch dieser mit einer angemessenen Prise Humor gewürzt, der sich in schlagfertigen Dialogen ausdrückt – eine Kostprobe dieser Amüsements wäre die sarkastische Bemerkung des genervten Hannays in Richtung seiner angeketteten Dame: „Ich bringe jede Woche eine Frau um. Heute wäre es wieder soweit!“

Wer nur die bekannteren Thriller Hitchcocks kennt (ab ca. 1950) und an diesen Gefallen findet, der sollte sich Die 39 Stufen auf jeden Fall ansehen, denn bereits hier gibt es die für Hitchcock typische Suspense. Sowohl der Hauptcharakter, als auch der Zuschauer leben ständig in der Angst, man könne den Verdächtigen erkennen und ihn an die Polizei verraten. Hitchcock legt Dutzende falsche Spuren für den Zuschauer, man arbeitet mit cleveren Tricks, über die kompletten 82 Minuten hinweg sind zahlreiche Wendungen zu finden, welche das Schauen des Thrillers niemals langweilig werden lassen – ganz im Gegenteil.

Überraschend ist auch, dass sowohl Bild-, als auch Tonqualität durchaus akzeptabel, anschau- und anhörbar sind, was man bei dem billig zusammengeschustertem Cover und dem unschlagbar günstigem Preis – derzeit 3,99 Euro bei den meisten Anbietern – wohl nicht erwartet hätte. Das Werk ist voller Esprit, Charme, Schwung, Humor sowie Spannung und sollte deshalb auf jeden Fall zu den stärksten Filmen Hitchcocks gezählt werden!



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