Surrogates

Surrogates – Mein zweites Ich

(„The Surrogates“ directed by Jonathan Mostow, 2009)

Dass Jonathan Mostow mit Science-Fiction-Stoffen umgehen kann, hat er mehr oder weniger erfolgreich bereits in Terminator 3 bewiesen. Für seine Gegenutopie hat er sein Drehbuchautorenduo John D. Brancato und Michael Ferris – beide ebenfalls Science-Fiction erprobt durch Terminator die Erlösung – damit beauftragt die fünfbändige Comicserie The Surrogates zu adaptieren. Dieser dystopische Noir-Thriller ist inzwischen als Hardcover-Gesamtausgabe (Cross Cult, 2009) auch auf Deutsch erschienen. Der SF-Thriller vom Autor Robert Venditti und vom Zeichner Brett Weldele wurde in der Comicszene von Kritikern hoch gelobt, so dass eine Verfilmung nicht verwunderlich ist.

Amerika im Jahr 2054: Aufgrund bahnbrechender technischer Erfindungen im Bereich der Robotik und der Cyber-Technologie verlässt kein Mensch mehr seine eigenen vier Wände. Vernetzt und angeschlossen an technische Apparate, steuert der zukünftige Mensch seinen Avatar, den Surrogates, von zu Hause aus und fühlt alles, was der „Surrie“ erlebt. Das ist nicht nur bequem, sondern sorgt auch für sozio-kulturelle Veränderungen innerhalb der Gesellschaft. Beispielsweise sinkt die Kriminalitätsrate nahezu auf den Nullpunkt, körperlich eingeschränkte Menschen können ihr Haus verlassen und am Leben teil nehmen. Nur eine Minderheit lehnt die Surries ab und lebt wie ihr geistiger Führer, der „Prophet“ (Ving Rhames) konsequent in abgeriegelten Reservaten. Doch eines Tages bekommen es die FBI-Agenten Tom Greer (Bruce Willis) und Jennifer Peters (Radha Mitchell) nach Jahrzehnten mit einem Doppelmord zu tun. Die ersten Spuren führen ausgerechnet zum Surrogates-Erfinder Dr. Lionell Canter (James Cromwell).

Das bereits erwähnte Autorengespann hat es ganz klar verpasst die dichte und düstere Atmosphäre in die Filmwelt zu übertragen. Zu früh werden elementare Puzzlestücke der Kriminalerzählung preisgegeben, wodurch sich von Anfang an keine Spannung aufbauen kann. Die Einführung zu Beginn des Films – die von der Machart her an District 9 (Neill Blomkamp) erinnert – trägt ebenfalls dazu bei, dass kein Mysterium um die Surries herrscht. Es wäre besser gewesen – wie im Comic – die Erläuterungen sukzessive und verstreut in den Film einzubauen. Zudem wurden die zahlreichen sozial-, kultur- und technikkritischen Anspielungen aus der Graphic Novel nur oberflächlich adaptiert. So muss sich der Zuschauer die Kritik an Online-Rollenspielen wie „Second Life“, die eine zweite – bessere – Identität in der Welt der Web 2.0 ermöglicht, sowie an Schönheits-, Fitness- und Jugendwahn fast schon selbst zusammen reimen. Hinzu kommen schlechte Abänderungen einzelner Elemente aus der Graphic Novel, die den Film zu einem heterogenen Einerlei verkommen lassen: z.B. fehlt der High-Tech-Terrorist, der im Comic einen Großteil der Anziehungskraft ausmacht.

Bruce Willis mimt wie gewohnt und grundsolide den gealterten Vollstrecker, der sich schnell damit abfindet vorerst keinen Surrie mehr zu steuern, sondern in Fleisch und Blut die Schläge einkassiert. Radha Mitchell spielt ihre passive Rolle als Surrie gut, d.h. sie wirkt hölzern und ausdruckslos. In anderen Filmen wäre das sicherlich als Tadel zu betrachten, hier kann es tatsächlich als Lob aufgefasst werden. Die Musik von Richard Marvin geht in Ordnung, jedoch hätte er sich die peinlich wirkenden Terminator-Sound-Anleihen sparen sollen. Auch die Gesamtästhetik kann nicht wirklich überzeugen: Die Mischung aus Reality-Doku-Stil und lichtüberfluteten Hochglanzbildern scheitert. Die Special Effects sind zwar gekonnt, jedoch können sie niemanden wirklich mehr vom Hocker reißen.

Was bleibt sind 88 Minuten, die weder einen spannungsgeladenen Thriller, noch einen turbulenten Actionkracher bieten. Das wäre alles kein Problem, wenn Mostow dafür intellektuelle Kost aufbieten würde, indem er die Science-Fiction-Elemente aus der Vorlage ernstnehmen würde. Aber auch hierfür fehlt eine konsequente und tiefere Auseinandersetzung mit dem im Ansatz sehr interessantem und hochaktuellem Themenkomplex, der ja auch in Avatar (James Cameron) aufgegriffen wurde. Als Fazit bleibt also nichts anderes übrig als auf die herausragende Graphic Novel zu verweisen. Mit anderen Filmdystopien wie dem spannenden Gattaca (Andrew Niccol) oder dem unterhaltsamen Die Insel (Michael Bay) kann Mostows Arbeit bei Weitem nicht mithalten. So muss sich der Regisseur den Vorwurf gefallen lassen, eine weitere gescheitere Comicadaption fabriziert zu haben.



(Anzeige)