My Big Night
© Film Factory

Meine große Nacht

(„Mi gran noche“ directed by Álex de la Iglesia, 2016)

My Big Night
„My Big Night“ läuft im Rahmen des 30. Fantasy Filmfests vom 17. August bis 18. September

Ein frohes neues Jahr? Davon sind die Macher der Silvester-TV-Sendung weit entfernt, und das nicht nur, weil der Jahreswechsel zum Zeit der Aufzeichnung noch einige Monate auf sich warten lässt. Es geht zudem auch irgendwie alles schief, das schiefgehen kann, seit Tagen schon wird gedreht, ständig passiert eine neue Katastrophe. So wird einer der Statisten, der im Publikum sitzt, von einer Kamera erschlagen und muss schnell durch Jose (Pepon Nieto) ersetzt werden. Die Moderatoren Roberto und Christina (Hugo Silva, Carolina Bang) befinden sich im Dauerkrieg, Shootingstar Adanne (Mario Casas) und der alternde Schlagerveteran Alphonso (Raphael) balgen sich darum, wer zuerst auftreten darf. Letzterer hat zudem Schwierigkeiten mit seinem Adoptivsohn Juri (Carlo Areces), der den herablassenden Künstler am liebsten umbringen lassen würde – und das auch wirklich versucht. Und auch Aufnahmeleiter Benitez (Santiago Segura) muss um sein Leben fürchten, schließlich stehen vor dem Studio aufgebrachte und schwer bewaffnete Demonstranten.

Grotesk und düster, so kennen die Fans die Werke des spanischen Regisseurs und Drehbuchautoren Álex de la Iglesia, etwa bei dem Clowndrama Mad Circus oder zuletzt der Hexenkomödie Witching & Bitching. Und auch bei My Big Night aka Meine große Nacht, welches hierzulande seine Premiere auf dem Fantasy Filmfest 2016 feiert, ist die Handschrift des ehemaligen Comicautors immer wieder deutlich zu sehen. Dieses Mal wendet er sich jedoch vom Übernatürlich ab und widmet sich stattdessen den nicht minder absonderlichen Abläufen bei einer Fernsehsendung. Und was wir von dieser zu halten haben, das verrät der Kultfilmemacher schnell. Sehr schnell sogar.

Ein bisschen nach Luft schnappen muss man hier schon, so sehr wirbelt die Kamera My Big Night gleich zu Beginn herum, führt im Minutentakt neue Figuren ein, von denen man gar nicht sagen kann, wer sie sind oder was sie miteinander zu tun haben, während im Hintergrund Menschen in bizarren Kostümen etwas aufführen oder sich gegenseitig anschreien. Manchmal auch beides. Dieses hohe Tempo, das Lustvoll-Rauschhafte, das behält de la Iglesia dann auch gut anderthalb Stunden durch, immer wieder springt er von Handlungsstrang zu Handlungsstrang, lässt diese manchmal kreuzen, oft auch nicht. Das hört sich jedoch anstrengender an, als es am Ende ist, da das Studio – nicht zuletzt aufgrund der wütenden Menge davor – hermetisch abgeschlossen ist, die Zahl der Protagonisten nach dem Anfangsschock recht konstant bleibt.

Außerdem ist es nicht so, als müsste man bei dem Inhalt schwer konzentriert sein, um auch jede Wendung und jede Nuance mitzubekommen. Erstere gibt es nämlich nur wenige, Letztere gar nicht. Eigentlich sind die anfangs eingeführten Konflikte und Situationen trotz des chaotischen Ablaufs und der frenetischen Energie recht statisch, es wird zwar bis zum Schluss weitergezofft und getanzt, ohne aber dass etwas Entscheidendes dabei passieren würde. Eine Satire auf das Showgeschäft will My Big Night sein, eine Verulkung der Oberflächlichkeit und Falschheit, die von sorgsam konstruierten öffentlichen Bildern über das Lachen auf Befehl bis hin zum Plastikessen reicht, welches auf den Tischen der Gäste steht. Am Ende ist der Film aber ebenso oberflächlich, zu nah dran an dem Karikierten, als dass dabei etwas herausspringen würde.

Amüsant ist das ohne Zweifel, oft zumindest. Nur fehlt es der Satire an echtem Biss, an tatsächlich schwarzem Humor, gerade auch im Vergleich zu Trash Fire, das parallel auf dem Fantasy Filmfest läuft und ebenfalls die Abgründe hinter dem schönen Schein aufzeigen möchte. Wo dort mit harten Bandagen gekämpft wird, begnügt sich der Spanier mit harmlosen Banalitäten, lässt Sperma klauen oder Finger mit einem Glätteisen verbrennen, hüllt das Ganze in bunt glitzernde Kostüme. Zu sehen gibt es beim schillernden My Big Night dabei genug, man wird geradezu bombardiert mit den unterschiedlichsten Sinnenseindrücken. Wie bei den Abendunterhaltungs-Shows, welche Álex de la Iglesia durchlöchert, bleibt im Anschluss aber der Eindruck zurück, dass hinter der überwältigenden Inszenierung nur heiße Luft steckte. Man mit seiner Zeit doch irgendwie etwas Besseres hätte anfangen können.



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Temporeich und mit viel Sinn fürs Groteske ist „My Big Night“ eine satirische Abrechnung mit dem auf falschen Schein bedachten Showgeschäfte. Das ist unterhaltsam und teils überwältigend anzusehen, am Ende dann aber doch eher harmlos und abwechlungsarm.
6
von 10