1001 Nacht Teil 3
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1001 Nacht, Teil 3: Der Entzückte

(„As Mil e Uma Noites: Volume 3, O Encantado“ directed by Miguel Gomes, 2015)

1001 Nacht Teil 3 Der Entzueckte
„1001 Nacht, Teil 3: Der Entzückte“ läuft seit 25. August im Kino

Der Entzückte? Da darf man schon einmal ein bisschen stutzig werden, wenn nicht gar misstrauisch: Nachdem Miguel Gomes in seinem monumentalen Dreiteiler 1001 Nacht zuerst über Der Ruhelose, dann über Der Verzweifelte sprach, fällt ein derart optimistischer Titel für den Abschluss natürlich aus dem Rahmen. Und so ganz nachvollziehbar ist der auch nicht, denn wie schon bei den beiden Vorgängern will der Portugiese vor allem über die Missstände in seinem Land reden, über Leute, die in einer sich verändernden Gesellschaft, gerade auch angesichts des von oben auferlegten Sparzwangs, verlorengegangen sind.

Und das ist auch in Der Entzückte noch der Fall, wenngleich die Geschichten wie bei Gomes üblich in größere Rahmen eingebunden sind, die erst einmal nur wenig mit den Menschen zu tun haben. Einer dieser Rahmen findet sich auch schon im Titel wieder: Angelehnt an die klassischen Märchen von 1001 Nacht tritt hier eine Scheherazade auf, die viele Hundert Nächte lang Geschichten erzählt, mit dem Unterschied, dass diese eben aus der Neuzeit sind und aus Portugal stammen, nicht aus dem Orient. Mehr als die Struktur haben die moderne Fassung und das Vorbild also nicht gemeinsam, wie Gomes auch gleich zu Beginn festhält.

Stärker noch als zuvor integriert der Filmemacher seine Erzählerin dieses Mal, lässt sie in Der Entzückte tatsächlich auftreten, durch die Welt laufen und mit Menschen interagieren. Das kann mal stilecht in einem Land vor unserer Zeit sein. Gleichzeitig sollte sich aber auch niemand wundern, der die berühmte Figur in einem neuzeitlichen Riesenrad sieht. Aber so war 1001 Nacht von Anfang an, Gomes streifte nach außen hin ziel- und wahllos durch die Gegend, zerrte vor die Kamera, was er fand, wechselte dabei ständig vom Dokumentarischen zum Fiktionalen, vom Traurigen zum Komischen, mitunter gar zum Grotesken.

Grotesk erscheint auf den ersten Blick nicht nur die Geschichte um einen besonders potenten, dafür verdammt gut aussehenden Jüngling, der schwängert, was auch immer ihm vor die Füße lief. Der Löwenanteil des über zwei Stunden dauernden Abschlusses nimmt aber ein Thema ein, das mindestens kurios wirkt: Vogelsingwettbewerbe. In Deutschland eher weniger populär, scheint es zumindest in Portugal eine große Gemeinschaft an Leuten zu geben, die sich Buchfinken allein zu diesem Zweck halten, mit unterschiedlichsten Methoden die kleinen Piepmätze zu großen Gewinnern zu machen.

Als Nichtbeteiligter braucht man erst gar nicht zu versuchen, diesen Handlungsstrang voll und ganz zu verstehen, denn trotz ausführlicher Erläuterungen ist diese Form des Wettbewerbs dann doch ein bisschen fremd. Interessant ist dabei aber, wie Gomes aus der munteren Zusammenstellung der unterschiedlichsten Protagonisten erneut einen bunten Strauß Geschichten zieht, die einiges über Portugal verraten. Ob es der langsame Rückgang der Natur ist, die Menschen, denen Geld und Arbeit fehlen oder sich anderweitig beschäftigen, um über die Runden zu kommen – nein, entzückend ist das nicht. Ganz so bewegend wie der erste Teil der Trilogie ist Der Entzückte dennoch nicht, dafür rast er zu schnell von Protagonist zu Protagonist, ohne dass man ein echtes Gefühl für diese bekommt. Und trotz dieser ungewöhnlichen Tätigkeit der Leute, es wird auch nie so komisch wie in Der Verzweifelte. Aber es ist trotz allem ein würdiger, oft faszinierender Abschluss eines Mammutwerks, das es einem mit seiner rastlosen und oft bitteren Rundreise nie wirklich einfach macht, der einem unsere südeuropäischen Freunde aber auf eine spannende Weise näherbringt, irgendwo zwischen Fakt und Magie.



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Wie in den ersten beiden Teilen versammelt Miguel Gomes hier eine Vielzahl der unterschiedlichsten Schicksale des heutigen Portugals und verknüpft diese mit einem märchenhaften Rahmen. Der Abschluss ist zwar weniger stark als die Vorgänger, bietet aber immer noch genügend faszinierende Geschichten, die das Mammutwerk würdig abschließen.