Green Room
© Universum Film

(„Green Room“ directed by Jeremy Saulnier, 2016)

„Green Room“ läuft ab 2. Juni im Kino

Besser als nichts, dachten sich die vier Mitglieder der Punk-Rock-Band Ain’t Rights (Anton Yelchin, Alia Shawkat, Joe Cole, Callum Turner), als ihnen ein Konzert in einem abgelegenen Schuppen angeboten wird, als Ausgleich für einen zuvor versauten Gig. Viel besser ist die Alternative aber nicht, besteht das Publikum doch aus lauter Neonazis, mit denen die Punks grundsätzlich im Clinch sind. Richtig kompliziert wird es jedoch erst, als sie hinter der Bühne Zeugen eines Mordes und zusammen mit Skin-Braut Amber (Imogen Poots) eingesperrt werden. Denn für Nazi-Anführer Darcy (Patrick Stewart) und seine rechte Hand Gabe (Macon Blair) ist klar: Sie können keine Zeugen gebrauchen, vor allem keine lebenden.

Manches kommt doch nie aus der Mode. Rache zum Beispiel. Wie sollte auch? Angesichts stetig steigender Bevölkerungszahlen steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass dir jemand etwas antut, was es sofort zu sühnen gibt. Je blutiger, desto besser – zumindest wenn wir uns dabei im Rahmen eines Films bewegen. An Rachethrillern hat es in den letzten Jahren dann auch nicht gemangelt, teilweise waren die sogar überaus prominent besetzt. Blue Ruin konnte damit nicht angeben und wurde dennoch von Kritikern auf eine Weise gefeiert, wie es das Genre sonst fast gar nicht mehr erlaubt. Groß waren die Erwartungen daher an Green Room, den dritten Film von Regisseur und Drehbuchautor Jeremy Saulnier. Und die Erwartungen wurden erfüllt. Mindestens.

Dabei haben die beiden Werke einiges gemeinsam. In beiden Fällen sind es unbescholtene Bürger, die eher unfreiwillig mit kriminellen und höchst gewaltbereiten Personen zusammentreffen und sich dabei erstaunlich wehrhaft zeigen. Mit einem Unterschied: War die Hauptfigur in Blue Ruin ein vom Leben gezeichneter Mann, der nichts mehr wirklich zu verlieren hatte und sich entsprechend furchtlos in den Kampf gegen die Verbrecher stürzen konnte, sind es hier einige Jugendliche, die ihr Leben praktisch noch vor sich haben. Und alles dafür tun, dass das auch so bleibt.

Am Blutpegel hat sich deshalb auch nicht viel getan, Saulnier mutet Protagonisten wie Zuschauern einiges zu. Anders als Tarantino jedoch, dessen Gewaltexzesse gleichzeitig immer komisch erhöht waren, ist Green Room realistisch gehalten. Und damit umso schmerzhafter: Wenn hier Menschen getötet oder zumindest verstümmelt werden, dann fühlt sich das auch tatsächlich danach an, geschönt wird nichts, aber auch nicht übertrieben. Jeder Schritt, jede Handlung könnte die letzte sein. Das wissen die Nazis. Das wissen die Punks. Das wissen die Zuschauer. Und es wird für manche auch das letzte Mal sein, eine Überlebensgarantie gibt es auf beiden Seiten nicht.

Dass die eigenen Nerven ziemlich in Anspruch genommen werden, liegt aber auch daran, dass zum einen das Geschehen nahezu ausschließlich innerhalb der dunklen Bar stattfindet, was Green Room etwas unangenehm Klaustrophobisches gibt. Ein Home Invasion Thriller, in dem das zuhause aber nicht den Belagerten, sondern den Belagerern gehört. Zudem ist der Film wie nur selten in dem Bereich unvorhersehbar. Weder sind die unfreiwilligen Helden gehirnamputiertes Kanonenfutter, welches zielstrebig immer das falsche macht, noch verkappte Superhelden, die mit offensichtlich lange trainierten Kampffertigkeiten jeden fertig machen, der es wagt, ihnen zu nahe zu kommen. Stattdessen sind es Normalos, nicht auf den Kopf gefallen, welche sich aus der Not heraus erfinderisch zeigen. Die üblichen Mechanismen funktionieren daher nicht, hier fällt es schwer zu raten, wer nun als nächstes ins Grad beißt.

Klar, man muss sich damit abfinden, dass die Situation ein bisschen konstruiert ist, sich nicht alles so ganz genau erklären lässt. Aber das ist hier Nebensache: Im Mittelpunkt des Beitrags der Fantasy Filmfest Nights 2016 steht ein ungleiches Duell, welches sich durchaus an Genrevorbildern orientiert, dabei aber eine schön fiese eigene Variante daraus macht und zudem sehr gut besetzt ist. Patrick Stewart als eiskalter Obernazi wird allein aufgrund seines Bekanntheitsgrades viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, die jungen Kollegen stehen ihm in ihrer energiegeladenen Wildheit – das Punkkonzert zu Beginn ist großartig – an Intensität nichts nach. Und auch Saulniers Dauerdarsteller Macon Blair ist wieder mit von der Partie, wandelte sich vom melancholischen Amok-Helden zu einem durchtriebenen Antagonisten. So wie eben einiges an Green Room Gewohnheiten auf den Kopf stellt.



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Die Umstände bei „Green Room“ sind Nebensache, sobald es zu dem ungeplanten Duell zwischen einer Punkband und Neonazis kommt, bedeutet das Hochspannung bis zum Schluss. Dabei sind es sowohl der klaustrophobische Schauplatz, die realistischen Gewaltdarstellungen wie auch die Unvorhersehbarkeit des Duells, welche die Nerven strapazieren.
8
von 10