45 Years
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45 Years

(„45 Years“ directed by Andrew Haigh, 2015)

45 Years DVD
„45 Years“ ist seit 15. Januar auf DVD erhältlich

45 Jahre sind Kate (Charlotte Rampling) und Geoff (Tom Courtenay) nun schon bald verheiratet, die Vorbereitungen für den großen Tag laufen auch Hochtouren. Nichts soll dabei dem Zufall überlassen werden. Doch mit einer Sache konnte niemand rechnen: Durch einen Brief erfährt Geoff, dass die Leiche von Katya, mit der er vor Kate liiert war, bis sie in einer Schweizer Gletscherspalte verunglückte, nach 50 Jahren doch noch gefunden wurde. Das ist nicht nur für ihn ein Schock, auch Kate beginnt nun, ihr Eheleben zu hinterfragen und darüber nachzudenken, was alles anders hätte laufen können. Ob sie doch nur die zweite Wahl war.

In Europa ist die Britin Charlotte Rampling schon lange als exzellente Darstellerin bekannt, wurde schon mehrfach für diverse Preise nominiert. In den USA dauerte es etwas länger, erst jetzt, nach mittlerweile 50 Jahren, kam sie dieses Jahr das erste Mal in die Endrunde der Oscar-Verleihung. Dass es ausgerechnet 45 Years wurde, ist bemerkenswert, gerade weil der Film keine bemerkenswerte Geschichte erzählt: Ihre Kate leidet an keiner tragischen Krankheit, machte keine ungewöhnliche Karriere, hat allgemein kaum etwas Ungewöhnliches erlebt. Sie muss lediglich erkennen, wie fragil auch eine Ehe wie ihre ist, die doch immer so unerschütterlich gewirkt hat.

Dass es Regisseur und Drehbuchautor Andrew Haigh war, der sich der Adaption einer Kurzgeschichte von David Constantine annahm, war dabei eine ebenso überraschend wie doch auch schlüssige Entscheidung. Bekannt geworden durch das Drama Weekend und die Serie Looking kehrt er hier zwar seinen üblichen im Homosexuellenmilieu angesiedelten Themen den Rücken und widmet sich stattdessen einem älteren Ehepaar, bringt dabei aber seine alten Qualitäten ein: eine feine Beobachtungsgabe, aus dem Leben gegriffene Figuren und eine ruhige, beiläufige Erzählweise.

Für manche wird 45 Years sicher sogar zu ruhig sein. Die Konflikte werden hier nicht durch Wutausbrüche, Weinkrämpfe oder fliegendes Geschirr ausgetragen, nicht einmal wirklich durch Worte. Die langsame Entfremdung zwischen Geoff und Kate, zwischen Geoff und dem restlichen Umfeld, sie wird von den beiden nur indirekt und in nicht vollendeten Sätzen thematisiert. Haighs Drama ist eines, das sehr viel mit Auslassungen und Andeutungen arbeitet. Und doch ist zu jeder Zeit zu spüren, was da vorgeht, was in den beiden Menschen vorgeht, die so lange und so glücklich zusammen waren, plötzlich aber mit Unsicherheiten und Zweifeln zu kämpfen haben. Die ihren Alltag fortführen, ohne darin einen richtigen Halt und Sinn zu finden.

Mit welcher Präzision und scheinbaren Mühelosigkeit Rampling diese schwierige Aufgabe erfüllt, ist tatsächlich eines Oscars würdig, so wie auch ihr Kollege Tom Courtenay eine Nominierung verdient hätte. Dabei lässt sich dann auch verschmerzen, dass die Ausgangssituation um eine plötzlich und pünktlich zum Hochzeitstag aufgetauchte Leiche schon recht konstruiert wirkt. Denn die Folgen davon, die ewige Frage nach dem „was wäre wenn?“, ist dafür umso greifbarer und auch berührender, ohne dabei auf Kitsch zurückgreifen zu müssen. In dieser dürfte sich jeder wiederfinden, der zwischenmenschliche Beziehungen auf den Prüfstein stellen musste, aus welchem Grund auch immer. Der erkennen musste, dass es keine Garantien gibt, niemals gab, und wie beängstigend diese Erfahrung sein kann.



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Ein Paar stellt aufgrund eines lange zurückliegenden Ereignisses seine Beziehung in Frage, das ist wenig bemerkenswert und hier auch nur sehr ruhig, mit vielen Auslassungen erzählt. Doch gerade diese größtenteils sprachlose Auseinandersetzung ist es, die das exzellent gespielte Ehedrama „45 Years“ so besonders und am Ende auch berührend macht.
8
von 10