Mollath
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Mollath – Und plötzlich bist du verrückt

(„Mollath – Und plötzlich bist du verrückt“ directed by Leonie Stade and Annika Blendl, 2015)

Mollath DVD
„Mollath – Und plötzlich bist du verrückt“ ist ab 30. Oktober auf DVD erhältlich

Ob es wirklich einer der größten Skandale der jüngeren Justizgeschichte ist, wie das Cover es behauptet, sei mal dahingestellt, einer der medial wirksamsten war er auf jeden Fall. Es klingt aber auch zu unglaublich: Über siebeneinhalb Jahre soll Gustl Mollath in einer Psychiatrie verbracht haben, völlig zu Unrecht. Er habe sie misshandelt, eingesperrt und die Reifen von Bankangestellten durchstochen, lautet der Vorwurf seiner Exfrau. Mollath wiederum klagt diese und deren Bank an, in Schwarzgeldgeschäfte verwickelt zu sein. Während man ihrer Version Glauben schenkt, beginnt für ihn ein jahrelanges Martyrium – er wird für verrückt erklärt, ohne eine große Chance auf Verteidigung zu haben.

Aber wer ist dieser Mann, der plötzlich in jeder Nachrichtensendung zu Hause war? Über Monate hinweg begleiteten ihn die beiden Ko-Regisseurinnen Leonie Stade und Annika Blendl, befragten seine Mitstreiter, seinen Anwalt, ließen aber auch die Gegenseite zu Wort kommen – ein wenig zumindest. Auffallend abwesend ist Mollaths Exfrau, die gleichzeitig im Schatten ihres schillernden früheren Mannes steht und im Mittelpunkt des Geschehens. Was genau hat sie noch zu der Sache zu sagen, Jahre nach den gegenseitigen Vorwürfen? Mollath verrät es nicht.

Stattdessen dürfen zwei Journalisten zu Wort kommen, die dazu anhalten, nicht alles automatisch für bare Münze zu nehmen, was Gustl Mollath von sich gibt, auch der Gegenseite noch zuzuhören, die im Medientrubel völlig unterging – selbst wenn dessen Geschichte ein gefundenes Fressen für Headlines, Staatsgegner und Verschwörungstheoretiker darstellt. Eigentlich sollte das nichts Kontroverses sein, gebietet es einem doch der gesunde Menschenverstand, dass kein Mensch die alleinige objektive Wahrheit sein kann. Und doch wurden die beiden eben dafür angefeindet, die Aussagen hinterfragen zu wollen, was doch eigentlich ihre Arbeit wäre. Mollath ist damit nicht nur Kritik an einem nicht funktionierenden Justizsystem, sondern auch am gesellschaftlichen Umgang mit der Geschichte.

Aber der Menschenverstand, der hielt sich in der ganzen Angelegenheit ohnehin vornehm zurück. Wenn aus Mollaths Alltag in der psychiatrischen Anstalt erzählt wird, weiß man nicht, ob Entsetzen oder Lachen die angemessene Reaktion ist, so absurd sind die Anekdoten. Und auch dass seine Vorwürfe der Schwarzgeldkonten so wenig beachtet wurden, sie heute verjährt sind, während die Vorwürfe an ihn noch immer verhandelt werden, auch das lässt sich mit dem eigenen Gerechtigkeitsgefühl kaum vereinen.

Aber ist Mollath auch im Recht, nur weil ihm Unrecht zugefügt wurde? Das ist hier schon deutlich schwieriger zu beantworten. Immer wieder zeigt er kuriose Eigenheiten, einen nicht nachvollziehbaren Starrsinn sowie eine realitätsfremde Selbstherrlichkeit, die einen durchaus die Frage stellen lassen: Was ist das eigentlich, Verrücktheit? Wo liegt die Grenze zwischen Exzentrik und tatsächlicher psychischer Erkrankung? Auf die Diskussion wollten sich Stade und Blendl dann aber doch nicht einlassen, nutzen die Zeit lieber für recht alltägliche, manchmal banale Situationen. Wirklich neue Erkenntnisse wird man mit Mollath – Und plötzlich bist du verrückt daher nicht gewinnen, dafür sind die Einzelheiten vorher dann doch schon zu bekannt gewesen. Wer die Geschichte seinerzeit jedoch nicht oder nur wenig verfolgt hat, findet hier noch einmal eine gute Zusammenfassung der Ereignisse, die einen öfter lachen lässt, als es einem vermutlich lieb ist.



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„Mollath – Und plötzlich bist du verrückt“ fasst noch einmal den medial ausgeschlachteten Justizskandal um den zu Unrecht weggesperrten Gustl Mollath zusammen. Die ganz neuen Erkenntnisse bietet der Dokumentarfilm zwar nicht, dafür aber amüsant-erschreckende Details und einen wenn auch oberflächlichen Blick auf die Gegenseite.