Everest
© Universal Pictures

Everest

(„Everest“ directed by Baltasar Kormákur, 2015)

„Everest“ läuft ab 17. September im Kino

Es ist ein teures Vergnügen, das der erfahrene Bergsteiger Rob Hall (Jason Clarke) seinen Kunden da bietet, 65.000 Dollar muss jeder dafür hinblechen. Und doch zieht die Vorstellung, einmal auf dem Gipfel des Mount Everest zu stehen, Menschen aus allen Ecken der Erde an, unabhängig von Geschlecht und Beruf. Dieses Jahr sind es besonders viele, die gleichzeitig den Aufstieg warten – was gerade an den engen Stellen keine sehr günstige Voraussetzung ist. Um seine Gruppe doch noch zum höchsten Punkt der Welt führen zu können, schließt sich Hall mit seinem Kollegen Scott Fischer (Jake Gyllenhaal) zusammen. Doch alle Pläne und Überlegungen werden hinfällig, als das Wetter nicht mehr mitspielt, sich ein großer Schneesturm ankündigt.

Früher ein unerreichbarer Mythos, der nur in überlieferten Abenteuergeschichten seine Heimat fand, wandelte sich der Mount Everest in den letzten zwanzig Jahren zum Pilgerort von Bergsteigern wie auch gut betuchten Amateuren, der höchste Punkt der Erde wurde zum Ausflugsziel zahlreicher Menschen – mit oft tödlichen Folgen. Wie absurd dies ist, wird in Everest anschaulich gezeigt. Was sich in der Vorstellung romantisch und friedlich anhört, ist ein menschenfeindlicher Ort, an dem jeder Schritt dein letzter sein kann, an dem du ohne Sauerstoffflasche zum Schluss hin auch überhaupt keinen Schritt mehr machen kannst.

Optisch wurde dies vom isländischen Regisseur Baltasar Kormákur einwandfrei umgesetzt: Die majestätischen Landschaften und die klaustrophobischen Engstellen rauben einem gleichermaßen den Atem – bei ersteren kommen auch die 3D-Effekte gut zur Geltung –, vermitteln das Gefühl, in einer ganz eigenen, sehr fremden Welt unterwegs zu sein. Everest, das bedeutet überlebensgroße Geschichten in übermenschlichen Gegenden, die man am besten im Kino genießen sollte.

Umso ärgerlicher ist, dass dies beim Sounddesign völlig anders gehandhabt wurde. In den abgelegenen Bergen unterwegs zu sein, einige Kilometer in der Höhe, das lässt peitschende Winde erwarten, das Stapfen im Schnee, klirrendes Eis, manchmal auch gespenstische Stille. Nicht so bei Everest, das stattdessen auf eine Dauerbeschallung durch getragen-dramatische Musik setzt, welche den Zuschauer in Stimmung bringen, das Geschehen veranschaulichen soll, dabei aber völlig übers Ziel hinaus schießt. Das Gefühl, fernab jeglicher Zivilisation zu sein, völlig auf sich allein gestellt, verträgt sich nicht ganz so gut, wenn nahezu jeder Schritt von Streichern begleitet wird.

Und auch an anderer Stelle bietet der Film „zu viel“. 35 Leute sollen 1996, als sich die tatsächliche Katastrophe zutrug, auf dem Gipfel unterwegs gewesen sein. Das war nicht nur für einen Ort fahrlässig, der so wenig überhaupt begehbare Wege bietet, es ist auch für eine zweistündige Geschichte eine Mammutaufgabe, diese vielen Figuren zu integrieren. Kormákur versucht dies dann auch kaum, beschränkt sich auf einige wenige davon, nutzt bei zwei seiner Protagonisten die von Keira Knightley und Robin Wright gespielten Ehefrauen zur Charakterzeichnung. Nachvollziehbar ist diese Reduktion, führt allerdings dazu, dass ständig irgendwelche Menschen durchs Bild huschen, von denen man bis zum Schluss keine Ahnung hat, wer sie eigentlich sind.

Ohnehin sollte man an den Inhalt keine großen Erwartungen knüpfen. Warum sie auf den Berg wollen, werden die Tourteilnehmer irgendwann gefragt. Eine tatsächliche Antwort können sie nicht geben, bekommt auch der Zuschauer dann nicht wirklich, die Figuren bleiben einem zwei Stunden später noch immer fremd. Auch die anschließend heftig geführte Diskussion – „Ist der Massentourismus auf den Everest vertretbar?“ – wird hier ausgeblendet, die voneinander abweichenden Schilderungen der Überlebenden aus naheliegendem Grund nicht erwähnt. Informieren will der Film letzten Endes nicht so wirklich, sondern vor allem unterhalten. Das tut er immerhin über weite Strecken, gerade wenn sich später die Ereignisse zuspitzen, wird man gebannt auf die Leinwand starren – gesetzt den Fall, man kennt den Ausgang der Tour noch nicht.



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In überwältigenden Bildern erzählt „Everest“ von einem realen Bergsteigerunglück am höchsten Punkt der Welt. Informativ ist das weniger, dafür wird zu viel weggelassen, die Figuren bleiben bis zum Schluss Fremde. Packend dafür teilweise schon. Ärgerlich ist jedoch der konstant melodramatische Soundtrack, der das Gefühl der Isolation völlig zunichtemacht.
6
von 10