Heil
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(„Heil“ directed by Dietrich Brüggemann, 2015)

Heil
„Heil“ läuft ab 16. Juli im Kino

Ein afrodeutscher Autor, der sich für Integration stark macht? Eine Unverschämtheit! Und da will Sven (Benno Fürmann), der Anführer der Neo-Nazi-Szene in Prittwitz, nicht tatenlos zusehen: Als Sebastian Klein (Jerry Hoffmann) zu einer Lesung in das ostdeutsche Kaff kommt, wird er kurzerhand von Sven und seinen Kumpanen Johnny (Jacob Matschenz) und Kalle (Daniel Zillmann) entführt. Nur geht dabei eine Kleinigkeit schief, Sebastian erhält einen Schlag auf den Kopf und brabbelt danach alles nach, was man ihm vorsagt. Sven erkennt schnell das Potenzial einer schwarzen Marionette und beginnt, mit ihm durch diverse Talkshows zu tingeln – mit dem Endziel, Polen und gleichzeitig die Nazibraut Doreen (Anna Brüggemann) zu erobern. Sebastians Freundin Nina (Liv Lisa Fries) und der desillusionierte Polizist (Oliver Bröcker) heften sich derweil an die Fersen der rechten Bande, um das Entführungsopfer zurückzuerlangen.

Demonstrationen mit hohlen Stammtischparolen, die Ratlosigkeit der Politiker, unbemerkte Naziaktivitäten, das V-Mann-Debakel – wäre da nicht unsere traurige Historie und die fatalen Folgen, das muntere Treiben der rechten Szene wäre eigentlich ein Grund zum Lachen. Für Dietrich Brüggemann kein Problem: Der Regisseur und Drehbuchautor zeigte schon in der Vergangenheit, dass es ihm nichts ausmacht hat, irgendwo anzuecken und sich über etwaige Empfindlichkeiten hinwegzusetzen. Nach seinem kurzen Ausflug ins Drama mit der hoch gelobten Religionsabrechnung Kreuzweg kehrt er daher in sein geliebtes Komödienfach zurück. Waren seine früheren Filme wie 3 Zimmer/Küche/Bad jedoch eher persönlicher Natur, nimmt er sich diesmal Gesellschaft und Staat vor und tauscht den Humor gegen eine bösere und deutlich überdrehtere Variante ein.

Streckenweise ist das grandios, etwa bei der Einleitung, die der formalen Strenge des Vorfilms folgt: Mehrere Minuten hält die Kamera regungslos drauf, wenn ein tumber Nazi nicht mal seine Parolen richtig schreibt, die vermeintlich minderwertige Einwanderin ihm geistig überlegen ist, ein erfolgshungriger Journalist ein bisschen an Tatsachen herumdoktert und ein Polizist hilflos danebensteht – all das, während eine Großmutter die ganze Zeit über in Minischritten aus dem Hintergrund bis nach vorne läuft. Allgemein hinterlässt Heil den größten Eindruck, wenn der Film dem Zuschauer Säure ins Gesicht schleudert, so ziemlich alles und jeden der Lächerlichkeit preisgibt, der auch nur irgendwie mit dem Thema Rechtsradikalität im heutigen Deutschland zu tun hat.

Und da macht es keinen wirklichen Unterschied, ob nun die Guten oder Bösen, die Rechtverdrehenden oder Rechtschaffenden, hier kommt keiner gut weg, genüsslich wird vorgeführt, wer vorgeführt werden kann. So weiß der Verfassungsschutz nicht, was in den eigenen Reihen vor sich geht, die Polizei redet aus Imagegründen die Naziszene kleine, die wiederum lebt in einem nicht enden wollenden, bizarren Vergangenheitstraum, die Justiz macht, was ihr gefällt, in den Talkshows wird nur Stuss geredet und die Medien interessieren sich nur für Schlagzeilen. Der Inhalt? Ach, nicht so wichtig.

Aber Brüggemann kann auch anders, entdeckt gerade bei dem zum menschlichen Papagei mutierten Sebastian eine ungewohnt alberne Seite an sich, die sich in einem eher körperlichen Humor zeigt. Bissige Gesellschaftssatire und anspruchslose Situationskomik, passt das zusammen? Jein. Der Unterhaltungsfaktor ist hoch, die Abwechslung auch, der Film ist rasend schnell vorbei. Aber es drängt sich doch immer mal wieder der Eindruck auf, dass man hier alles an Themen reinpacken wollte, was in den letzten Jahren relevant war, ohne sich für deren Verknüpfung groß zu interessieren. Und so ist Heil eher eine längere Sketchsammlung, chaotisch und temporeich, überzeugt durch einzelne Szenen, nicht als durchgehende Geschichte. Amüsant ja, zweifelsfrei, aber ohne dass man mit einem wirklichen Erkenntnisgewinn wieder aus dem Kino kommt. Den fast schon reflexartigen Anspruch auf eine ernsthafte Auseinandersetzung mit rechter Gewalt sollte man also lieber von vornherein ablegen, hier gibt es keine Betroffenheit oder erhobene Zeigefinger, sondern nur gut gelaunte Demontage. Wenn Heil überhaupt eine Aussage trifft, dann dass manche traurigen Entwicklungen so lächerlich sind, dass sie gar nicht ernstgenommen werden können.



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Darf man zu einem so wichtigen Thema wie Rechtsradikalität Witze machen? Ja, sagt Dietrich Brüggemann und präsentiert in „Heil“ eine Nazikomödie, die mal bissige Satire, dann wieder alberne Situationskomik ist. Das passt nicht immer zusammen, überzeugt mehr in Einzelszenen, weniger als komplette Geschichte. Die sind dafür oft unterhaltsam, streckenweise sogar grandios.
7
von 10