Vampire Princess Miyu
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Vampire Princess Miyu

(„Vanpaia Miyu“ directed by Toshiki Hirano, 1988)

Vampire Princess MiyuDas erste Jahr ist vorbei, dass es da für die Jubiläumsausgabe unseres fortlaufenden Animationsspecials nicht irgendein Film oder Serie sein kann, ist klar. Aus diesem Grund steht Teil 52 im Zeichen eines persönlichen Favoriten, der aber selbst bei Animefans heute kaum noch Erwähnung findet. Und das, obwohl er in Sachen Atmosphäre vielen Kollegen über 25 Jahre später noch einiges beibringen könnte.

Ein seltsam apathisches Mädchen führt das Medium Himiko auf das Anwesen der Aikos. Dieses sei, so sagen die Eltern, von einem Dämon besessen, den selbst der Priester nicht austreiben konnte. Gleichzeitig geht die Angst in der Stadt um, regelmäßig werden Frauen aufgefunden, ermordet, ohne jegliches Blut im Körper. Bei ihren Nachforschungen stößt Himiko auf die Teenagerin Miyu, die selbst nicht ganz von dieser Welt ist. Nach außen hin eine normale Schülerin, ist sie in Wahrheit ein Vampir, der das Blut seiner Opfer trinkt. Doch mit der Mordserie hat sie nichts zu tun, vielmehr macht sie selbst Jagd auf den Übeltäter – Shinma wird dieser genannt, ein Wesen, das Gott und Dämon zugleich ist und im Dunkel lebt.

Viel Blut, viel Action, viel Horror – das könnte man angesichts der Inhaltsbeschreibung erwarten. Und der Verdacht liegt ja auch nahe: Sieht man einmal vom komödiantischen Blood Lad ab, war von Vampire Hunter D über Blood – The Last Vampire bis zu Shiki die Kombination aus Vampir und Anime mit einer etwas härteren Gangart gleichzusetzen. Bei Vampire Princess Miyu ist das ein wenig anders. Ja, es gibt Monster und Kämpfe, aber sowohl beim Manga als auch der zeitgleich erschienenen Animeadaption spielen sie keine große Rolle, sind eher ein Mittel zum Zweck, um die Geschichten von Miyu, Himiko und der anderen zu erzählen.

Und nahezu jede von ihnen hat äußerst tragische Züge: Die vier Episoden handeln von Trauer, Verlust, Selbstvorwürfen, dem Gefühl der Leere, lassen Menschen in ihrem Schmerz zu Monstern werden. Denn das unterscheidet Vampire Princess Miyu von anderen Vampirfilmen und -serien: Die Frage, wer hier gut, wer böse ist, das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Das Ehepaar Toshiki Hirano (Magic Knight Rayearth) und Narumi Kakinouchi (Urusei Yatsura), kreierte hier eine todtraurige Horrorwelt, in der die Grenzen zwischen Held und Gegenspieler, Täter und Opfer offen sind. Bei all den Gräueltaten, welche die Shinma hier verursachen, begegnet der Anime ihnen doch mit erstaunlich viel Verständnis für ihre jeweilige Situation, auch Protagonistin Miyu ist eher ambivalenter Natur.

Dabei ist der Erzählton angenehm zurückhaltend. Während Anime der letzten Zeit Drama und Verzweiflung oft mit grober Gewalt in die Zuschauer hineinprügeln wollen, lässt Vampire Princess Miyu die Schicksale meist für sich sprechen. Das wird so manchem zu ruhig sein: Wo bei anderen gehandelt wird, vielleicht auch geschrien und geweint, wird hier maximal gesprochen. Oft aber nicht einmal das, Hirano und Kakinouchi nehmen sich den Luxus, an vielen Stellen einfach der Atmosphäre zu vertrauen, an Stelle von Dialogen treten wunderbare, melancholische Synthesizer-Stücke und fantasievolle, etwas bizarre Zwischenwelten, dazu gibt es viele Elemente aus dem traditionellen Japan: Puppen, Kimono, Samurairüstungen, alte Landhäuser. Dass Vampire Princess Miyu in Kamakura spielt, dessen Blütezeit schon im 14. Jahrhundert ein Ende fand, dürfte da auch kein Zufall gewesen sein.

Während der Anime musikalisch noch immer überzeugt, ist das optisch nur teilweise der Fall. Die Animationen des Studios AIC (El Hazard, Oh! My Goddess, The Hakkenden) sind nicht überragend, was vor allem bei den Kämpfen auffällt, richtig detailreich ist die Grafik auch nicht und die typischen 80er-Jahre-Designs werden sicher nicht jedermanns Geschmack sein. Im Gegensatz zum Manga, dessen Spin-offs und der später folgenden TV-Serie, die sich allesamt stärker am weiblichen und jüngeren Publikum orientieren, blieb man bei der Direct-to-Video-Produktion immerhin aber seiner Horrorästhetik treu. Wirklich spannend wird Vampire Princess Miyu aufgrund seiner ruhigen Erzählweise zwar selten, was sicher zum inzwischen stark verblassten Ruhm beigetragen hat. Unheimlich ist es dafür oft genug, vor allem in der zweiten und vierten Folge wird mit düsteren, manchmal schemenhaften Bildern gearbeitet, die ein beklemmendes Gefühl erzeugen.

Weniger ist mehr, lautete auch hier oft das Motto, was sich über 25 Jahre später noch immer als die richtige Entscheidung bestätigt. Während andere versuchen, durch Comedy-, Sex- oder Romanzeelemente für jeden etwas zu bieten, dabei am Ende aber austauschbar werden, ist Vampire Princess Miyu trotz seiner unzusammenhängenden Geschichten aus einem Guss. Und für jeden eine Kaufempfehlung, für den ruhig, traurig und schaurig keine Widersprüche sein müssen.



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Götter-Dämonen treiben ihr Unwesen, ein Vampir macht Jagd auf sie – das ist sehr viel weniger actionreich, als man erwarten könnte. Stattdessen konzentriert sich „Vampire Princess Miyu“ ganz auf seine Figuren und deren tragischen Geschichten, schafft auch mit Hilfe seiner wunderbaren Musik eine Atmosphäre, die gleichzeitig traurig und unheimlich ist.
8
von 10