Une Jeunesse Allemande
© W-film

Une Jeunesse Allemande – Eine deutsche Jugend

(„Une Jeunesse Allemande“ directed by Jean-Gabriel Périot, 2015)

Une Jeunesse Allemande
„Une Jeunesse Allemande – Eine deutsche Jugend“ läuft ab 21. Mai im Kino

Wenn überhaupt, dann liegt die Hoffnung Deutschlands in ihrer Jugend. Der Rest? Alles Nazis. Sehr schmeichelhaft ist es nicht, was der Einspieler recht nah am Anfang von Une Jeunesse Allemande – Eine deutsche Jugend da so von sich gibt. Und natürlich auch völlig übertrieben. Doch ein bisschen Wahrheit steckte schon darin, das braune Gedankengut und die eigene Verantwortung gegenüber den Verbrechen des Dritten Reiches, das war auch rund zwei Jahrzehnte nach Kriegsende noch nicht so ganz aufgearbeitet. Die Anfänge der Studentenbewegungen und die Proteste dürften daher auch heute noch gut nachzuvollziehen sein, die späteren Entgleisungen, die in einem hierzulande unvergleichlichen Terrorakt gipfelten, sind es hingegen kaum – woran auch Jean-Gabriel Périots Dokumentation wenig ändert.

Aber ums Erklären geht es hier auch weniger: Es gibt keinen Erzähler, der Kontexte liefert, Personen vorstellt oder Aussagen in irgendeiner Form bewertet. Was in Une Jeunesse Allemande gesagt wird, das muss für sich stehen. Das ist vereinzelt auch sehr interessant, gerade die Ausführungen der Journalistin Ulrike Meinhof – eine der Führungsfiguren der späteren RAF – beeindrucken durch Eloquenz und entwaffnende Argumentationen. Und doch ist es schwierig, das in Einklang zu bringen mit einem späteren Interview, in dem Polizisten Schweine und keine Menschen sind, eine Gewalt ihnen gegenüber daher gerechtfertigt ist. Périots Ansatz, ausschließlich Originalaufnahmen zu verwenden und aneinanderzureihen, hinterlässt zu große Lücken, als dass man mit ihnen wirklich etwas anfangen könnte.

Gleiches gilt auch für die in einer Aufnahme angesprochene Verknüpfung von Kunst und Politik. Kann Kunst – hier am Beispiel des Films – politisch sein? Muss sie es sein? Kann sie außerhalb des Politischen überhaupt existieren? Und auch die Frage, ob das Private und das Politische tatsächlich voneinander getrennt werden kann, lohnt ein wenig der genaueren Überlegung. Nur fehlt es hier an Zusammenhängen, an einem tatsächlichen roten Faden. Allein durch die Chronologie des verwendeten Materials (darunter Interviews, Fernsehsendungen und Bundestagdebatten) geht es hier voran, einen Vorstoß in die Tiefe darf man hier nicht erwarten.

Dieser Oberflächlichkeit ist es dann auch verschuldet, dass man nach den anderthalb Stunden ohne einen echten Erkenntnisgewinn wieder aus dem Kino geht. Ist der Film damit überflüssig? Jein. Wer sich erhofft, etwas Neues über diese turbulente Zeit und ihre Folgen zu erfahren, wird zwangsweise enttäuscht – zu oft wurde das Thema bereits von anderen durchgekaut, zu sehr ist es Teil unseres Vermächtnisses, als dass Périot dem Ganzen wirklich etwas Neues hätte entlocken können. Für sich genommen hat Une Jeunesse Allemande aber durchaus einiges zu erzählen und zu zeigen, über ein Stück deutscher Geschichte, wie man es sich heute so kaum mehr vorstellen kann. Dazu gibt es einige spannende Denkanstöße und Grundsatzfragen über Rechtstaatlichkeit und Gerechtigkeit, die auch ohne den grausamen Kontext seiner Zeit ihre Relevanz haben. Und damit eben auch ihre Berechtigung.



(Anzeige)

Etwas wirklich Neues hat „Une Jeunesse Allemande“ nicht über die Studentenbewegungen und deren Folgen zu erzählen, zudem fehlt es hier an Zusammenhängen. Einige Originalaufnahmen der fragmentarischen Dokumentation sind aber durchaus spannend und bieten interessante Denkanstöße und Grundsatzfragen.