A Girl Walks Home Alone At Night
© capelight pictures

A Girl Walks Home Alone at Night

(„A Girl Walks Home Alone at Night“ directed by Ana Lily Amirpour, 2014)

A Girl Walks Home Alone at Night
„A Girl Walks Home Alone at Night“ läuft ab 23. April I’m Kino

Arash (Arash Marandi) hat einfach kein Glück im Leben: Seine Mutter ist tot, der Vater ein mittelloser Junkie, eine wirkliche Perspektive will sich ihm in der ehemaligen Industriestadt Bad City nicht bieten. Als er auch noch den mühsamen ersparten Sportwagen aus den 50ern an den Gangster Saeed (Dominic Rains) verliert, streift er niedergeschlagen durch die dunklen Gassen. Dort begegnet er eines Nachts auf dem Rückweg von einer Party einem mysteriösen, verhüllten Mädchen (Sheila Vand). Aber mehr noch als ihren Körper hält sie ein Geheimnis vor anderen versteckt: Sie ist ein Vampir, saugt anderen Menschen regelmäßig Blut und Leben aus.

Ein iranischer Vampir-Western in Schwarz-Weiß? Da wurden selbst abgehärtete Besucher des an Sonderlichkeiten nicht armen Fantasy Filmfests hellhörig, als A Girl Walks Home Alone at Night beim diesjährigen Frühlingsableger lief. Natürlich darf man sich nichts vormachen, der Film über eine untote Jägerin lebt schon sehr von seinem Gimmick, von dieser ungewöhnlichen Kombination. Prostitution, Drogen, Diebstahl, Gewalt, westliche Musik, außerehelicher Sex – das sind alles Sachen, die man nicht in einem iranischen Film erwarten würde. Und selbst ausgesprochenen Horrorexperten dürften nicht viele Beispiele einfallen, wo ein weiblicher Vampir mit langem Schleier auf einem Skateboard durch die Nacht rollt.

Und doch würde man der iranisch-amerikanischen Regisseurin und Drehbuchautorin Ana Lily Amirpour unrecht tun, wenn man ihr Langfilmdebüt nur darauf beschränkt. Und auch der angesichts der Beschreibung zu erwartende Trashfaktor hält sich sehr in Grenzen. Tatsächlich ist A Girl Walks Home Alone at Night ein unglaublich atmosphärischer Genrebeitrag geworden. Schon in der ersten Einstellung, wenn die Kamera an einem Leichenberg vorbeifährt, der unbehelligt in einem ausgetrockneten Flussbett vor sich hinvegetiert, stellen sich einem die Nackenhaare auf. Und richtig eindrucksvoll wird es dann bei Nacht, wenn die Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus den menschenleeren Straßen surreale Geisterbahnen machen, man selbst im sicheren Kinosessel langsam immer weiter nach unten rutscht. Einiges davon wird durch die Musik unterstützt, die sich ebenso wenig an Grenzen hält, 80er Jahre New Wave mit Westernmelodien, Schlagern und alptraumhaften Stimmungstücken kombiniert.

Inhaltlich ist A Girl Walks Home Alone at Night weniger aufregend. Wenn nicht gerade Jagd auf frisches Blut gemacht wird, steht die sich anbahnende Beziehung zwischen Mensch und Vampir im Vordergrund. Zwar verzichtet Amirpour dankenswerter Weise auf Teenager-Kitsch à la Twilight, es gibt weder Weltschmerzszenarien, noch große dramatische Momente. Wirklich packen will einen dieser Romanzeteil dennoch weniger, dafür sind die Figuren nicht ausgearbeitet genug, das Thema einer grenzüberschreitenden Liebe lässt sich wenn nur erarbeiten.

Interessanter sind die feministischen Implikationen. Einen Namen hat die Protagonistin nicht, keine Identität, auch sprechen tut sie kaum. Doch ist sie kein Opfer, der Mangel an Persönlichkeit ist hier kein Zeichen von Demut oder weiblicher Unterlegenheit. Im Gegenteil: Vergleichbar zu Byzantium wird die männliche Monsterdomäne von einer Frau eingenommen, die sich um alte Rollenmuster nicht schert. Als sie über den ersten Mann herfällt, wird aus dem herablassenden Supermacho schnell ein wimmerndes Kind, der nicht mal ansatzweise Gegenwehr zeigt. Überhaupt sind es hier nur die Männer, die dran glauben müssen, vor allem solche, die sich vorher an anderen vergangen haben. „Sei ein guter Junge“, sagt sie irgendwann zu einem Kind, das ihr während ihrer nächtlichen Ausflüge über den Weg läuft. „Ich werde dich beobachten.“ Bei A Girl Walks Home Alone at Night ist es nicht der Weihnachtsmann, der böse Jungs bestraft, sondern eine schöne Vampirdame, die sich von niemandem etwas sagen lässt.

Ganz konsequent ist Amirpour dabei nicht, ob der Film tatsächlich eine Aussage verfolgt oder auch hier nur Versatzstücke zusammenfügt, das wird nie so richtig klar. Gerade durch die Begegnung mit Arash und ihre Sehnsucht nach ihm wird ihre Unabhängigkeit wieder in Frage gestellt, weshalb A Girl Walks Home Alone at Night im späteren Verlauf auch etwas abfällt. Doch der elegant fotografierte Horrorfilm gehört selbst dann noch zu den bemerkenswertesten Vertretern, die das Genre in der letzten Zeit hervorgebracht hat.



(Anzeige)

Ein Vampirfilm im Iran in Schwarzweiß mit einer weiblichen Blutsaugerin, Sex, Gewalt und Drogen – das dürfte es eigentlich gar nicht geben. Aber auch über dieses Gimmick hinaus überzeugt „A Girl Walks Home Alone at Night“ als atmosphärisch dichter und feministisch angehauchter Genrebeitrag.
7
von 10