Geschenk der Goetter
Szene aus „Ein Geschenk der Götter“ (© Arsenal Filmverleih)

Oliver Haffner [Interview 2015]

Wie bis du zum Film gekommen? Du wolltest ursprünglich ja was anderes machen.

Stimmt, ganz ursprünglich habe ich Politikwissenschaften studiert, habe das aber früh abgebrochen und stattdessen Theaterregie am Max Reinhardt Seminar in Wien angefangen. Danach hab ich begonnen, an Stadttheatern zu arbeiten, hab aber privat immer parallel so meine Filmchen gemacht. Mit Mitte zwanzig habe ich dann wieder meine Liebe zum Film entdeckt und entschlossen, mich an der Filmhochschule München zu bewerben. Ich bin also zweigleisig gefahren in den letzten Jahren. Zuletzt war das verstärkt der Film, aber das Theater bleibt auch weiter eine Leidenschaft von mir. Drum kenne ich natürlich diese Betriebe und die Strukturen auch ganz gut.

Das sind also schon auch eigene Erfahrungen aus dem Theaterleben, die in „Geschenk der Götter“ einfließen.

Durchaus.

Wie siehst du denn die derzeitige Situation vom Theater? Man hört ja immer wieder, dass es so nicht überlebensfähig ist ohne Hilfe von außen.

So wie das Theater in Deutschland strukturiert ist, ist es natürlich überhaupt nicht überlebensfähig ohne Hilfe von außen. Ich finde es aber richtig, dass wir subventionierte Theater haben. Die Frage ist nur vielmehr, was denn die Aufgabe vom Theater heute ist. Und ob es der falsche Weg ist – und das glaube ich – dass man immer wirtschaftlicher arbeiten muss. Sprich man immer mehr unterhaltsame Dinge auf die Bühne bringt, damit der Rubel rollt. Oder ist das Theater nicht eigentlich immer eine Bühne gewesen für die Außenseiter der Gesellschaft und über die eben was zu erzählen. Und die Gesellschaft in Frage zu stellen. Oder der Gesellschaft auf intelligente Art und Weise humorvoll den Spiegel vorzuhalten. Im Moment sehe ich eine Gefahr darin, dass das Theater nur noch nach dem wirtschaftlichen Sachzwangprinzip agiert und damit ihre eigentliche Aufgabe verspielen.

Aber warum klappt das beim Film, dass man gesellschaftskritische Sachen machen kann? Die also nicht nur darauf aus sind zu unterhalten und trotzdem laufen können. Warum funktioniert das beim Theater nicht?

Ich glaube, dass es beim Theater auch funktionieren kann. Ich glaube nur, der Film lässt viele Leute emotional leichter anknüpfen. Man hat im Film nicht so eine große Distanz zu den Leuten auf der Leinwand im Vergleich zum Theater, rein optisch. Und man kriecht den Leuten auch schneller ins Hirn und ins Herz. Da hat’s der Film ein bisschen leichter.

Was könnte man denn beim Theater machen, um mehr jugendliches Publikum anzuziehen?

Ich glaube, die Theater machen häufig schon sehr viel. Wenn ich so kucke in den Stadt- und Landestheatern, was da an Jugendarbeit und Jugendclubs gemacht wird, wo ja auch viele Schauspieler später rausrekrutiert werden, dann läuft schon viel. Ich glaube nur, dass eine wichtige Ausrichtung vielleicht wäre, wenn die Theater wegkommen von den reinen Spielbetrieben und wieder Begegnungsort der Stadt werden. Also dass da Konzerte stattfinden, Diskussionsveranstaltungen, Partys. Dass man sich also nicht so stark auf den Musentempel beschränkt. Da muss man aber spartenübergreifend arbeiten, also zum Beispiel in die Bildende Kunst gehen, in die Jugendvereine, mit Bands, mit Schulen. Die großen Betriebe wie die Münchner Kammerspiele, Deutsches Theater und so, die werden weiter so existieren, wie sie sind. Aber den kleinen wird es über kurz oder lang an den Kragen gehen, wenn sich da nichts Gravierendes ändert.

In „Geschenk der Götter“ ist es ja auch so, dass das Schauspiel den Arbeitslosen helfen soll. Was bringt es deiner Meinung nach den kleinen Leuten, selbst einmal etwas zu machen?

Ich würde sagen die Beschäftigung mit einem Stück oder einem Thema, das außerhalb der eigenen Lebensrealität liegt. Ich sag immer so: Wenn man mit sich selber nicht mehr zurechtkommt in seinem eigenen Alltag, dann bringt es nichts, wenn man nur die ganze Zeit darauf schaut. Sondern dann musst du den Blick weiten. Das können Texte sein, aber auch Kunst oder Musik, die außerhalb meiner Lebensroutine sind. Ich finde, die Kunst muss die Menschen immer wieder ans Gute glauben lassen. Sie soll ihn nicht einlullen, sondern muss ihm die Kraft geben, dass er wie Antigone sagt: Hier läuft was falsch. Mir geht’s nicht gut. Und das liegt nicht nur an mir, wie alle sagen.

Warum hast du für den Film ausgerechnet „Antigone“ genommen?

„Antigone“ ist so ein bisschen ein Urtheaterstück. Und zwar, weil es einen Urkonflikt verkörpert zwischen Individuum und Gesellschaft. Wie reagiert ein Individuum, wenn es eine andere Überzeugung hat, als es der gesellschaftliche Konsens ist? Und natürlich haben wir den tollen Aspekt, dass es ein griechisches Drama ist. Und wir wissen ja alle, wie Griechenland heute heruntergedreht wird auf irgendwelche Schmarotzer im europäischen Kontext. Und dabei vergessen wir, woher eigentlich unsere ganze Kultur kommt, wo die europäischen Wurzeln liegen.

Nach anfänglicher Skepsis empfinden es die Figuren in deinem Film ja als „Geschenk der Götter“, zusammen zu spielen. Was wäre für dich ein Geschenk der Götter?

Dass ich weiter mir meine Projekte so ausdenke, wie sie mich interessieren. Und nicht, wie sie vielleicht gefördert werden oder wie viel Geld sich damit verdienen lässt. Dass ich diese Art der Arbeitsweise weiter folgen kann und ich die Kraft dazu habe. Ich ziehe diese Kraft persönlich auch aus einer Überzeugung oder einer inneren Haltung. Vielleicht fühle ich mich da Antigone auch verwandt. Insofern bin ich beim Film eine Art Überzeugungstäter. Ich erzähle das, was ich erzählen will, und nicht das, was gefördert wird oder angeblich Publikum zieht.

Da du das Thema Förderung schon angesprochen hast, wie das bei dem Film?

Das ist mein erster Film, bei dem auch eine Senderanstalt dabei ist. Aber das war eine tolle Zusammenarbeit, die ich auch überhaupt nicht als Einschränkung betrachtet habe. Ich musste nichts anders machen, als ich es wollte. Wir sind natürlich auch ein sehr gering budgetierter Film. Wir laufen tief im Low-Budget-Bereich. Und jetzt müssen wir mal schauen, wie er kommerziell läuft. Ich will natürlich schon, dass die Leute ihn sehen und mache ihn nicht nur für die Schublade, auch wenn ich diverse No-Gos verwende wie griechisches Drama und Arbeitslosigkeit. Aber ich bin davon überzeugt, dass man dem deutschen Zuschauer viel mehr zutrauen kann, als man denkt. Es hängt nur davon ab, wie man es verpackt. Ganz wichtig ist mir immer, dass man nicht zugelullt wird, sondern dass man Kraft schöpft. Und das soll der Film leisten, auf eine unterhaltsame Art und Weise.

Würdest du den Film als Komödie bezeichnen?

Ja! Das liegt aber auch daran, dass ich das ganze Leben sehr komödiantisch sehe. Auch in seinen tragischen Momenten. Vielleicht wäre die konkrete Bezeichnung Tragikomödie. Aber eigentlich finde ich Komödie fast besser.

Denkst du denn, dass man mehr machen müsste für die auf der Strecke gebliebenen?

Ich glaube, dass es in Deutschland einfach immer mehr Leute gibt, die auf der Strecke bleiben. Und ich glaube, dass wir uns wieder mehr öffnen müssen für die Vielfalt der Menschen. Es ist bei uns alles so wahnsinnig gemainstreamt. Die Wirtschaftlichkeit, die Sachzwänge, die Sachzwangpolitik, die ist ja eigentlich zum Leitbild deutscher Politik geworden. Ich würde mir wünschen, dass wir wieder mehr darüber sprechen, wie unsere Vision ist von gesellschaftlichem Zusammenleben. Es geht mir deshalb auch nicht nur darum, für die Ausgegrenzten eine Lanze zu brechen. Ich fühl mich auch manchmal nicht mehr wohl in dem Land. Ich hab auch wirtschaftliche Schwierigkeiten, mit dem, was ich mache, über die Runden zu kommen. Ich musste parallel zu meiner Regietätigkeit viele Jahre lang im Kino Popcorn verkaufen. Ich glaube, das Gefühl ausgegrenzt zu sein oder nicht mehr gestaltungsfrei zu sein in seinem Leben, das ist in viel höheren Schichten schon eingedrungen, als wir es glauben, bis weit in den Mittelstand.

Hast du denn selbst auch Angst vor Arbeitslosigkeit? Oder zumindest gehabt?

Eigentlich nie, weil ich immer so eine Zuversicht hatte, dass ich über die Runden komme. Verhungern muss bei uns ja keiner. Ich hab noch einen Röhrenfernseher, der ist 15 Jahre alt. Und ich hab ne alte Hi-Fi-Anlage. Ich hab auch kein Auto. Wenn man das als arm bezeichnen würde, okay. Ich empfinde mich aber eigentlich als sehr reich. Drum hab ich mir da nie eine Not gemacht. Es lag aber auch daran, dass ich immer meine Sachen machen konnte. Und das empfinde ich als einen sehr großen Luxus.

Oliver Hafner, Regisseur
Oliver Haffner (Foto: Marvin Zilm)

1974 in München geboren studierte Oliver Haffner zunächst Politikwissenschaften, bevor er zu Theaterregie wechselte. Nach seinem Langfilmdebüt Mein Leben im Off 2010 folgte letztes Jahr Ein Geschenk der Götter, wofür er den Publikumspreis beim Filmfest München erhielt. Darin erzählt er von einer Gruppe von Arbeitslosen, die einen Theaterkurs belegen müssen. Seit dieser Woche ist die Tragikomödie auch im Handel erhältlich.



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