Mrs Brisby und das Geheimnis von Nimh
© Metro Goldwyn Mayer

Mrs. Brisby und das Geheimnis von Nimh

(„The Secret of NIMH“ directed by Don Bluth, 1982)

Mrs Brisby und das Geheimnis von NimhNachdem wir die letzten beiden Wochen mit Felidae und Kino’s Journey zwei Titel für ein älteres Publikum vorgestellt haben, sind in Teil 47 unseres fortlaufenden Animationsspecials wieder die Jüngeren an der Reihe. Harmlos geht es aber auch heute nicht zu, denn am Anfang steht hier ein Tod.

Seitdem ihr Mann Jonathan gestorben ist muss sich die Feldmaus Mrs. Brisby allein um ihre drei Kinder kümmern. Als wäre das nicht schon schlimm genug, erkrankt ihr jüngster Sohn Timmy auch noch an einer Lungenentzündung. Zwar erhält sie von dem alten Mr. Ages die passende Medizin, doch der verordnet dem Kind strenge Bettruhe. Unter normalen Umständen wäre dies vielleicht kein Problem gewesen, aber dieses Jahr will der Bauer das Feld früher pflügen als sonst. In ihrer Not wendet sich Mrs. Brisby an die weise, alte Eule. Und die hat auch tatsächlich einen Rat: Die Mäusedame soll die gefürchteten Ratten im Rosenbusch aufsuchen, diese würden ihr weiterhelfen.

Furchteinflößend sind die Ratten nicht nur für kleine Mäuse, auch jüngere Zuschauer werden bei dem Anblick der finsteren Nager zunächst einen Schreck bekommen. Allgemein wird Mrs Brisby und das Geheimnis von Nimh für einen Kinderfilm überraschend düster. Ganz so brutal wie die Zeichentrickklassiker Unten am Fluss (1978) oder Die Hunde sind los (1982) geht es hier zwar nicht zu, als Mrs. Brisby 1982 in die Kinos kam, war es aber dennoch eine deutliche Abkehr von der Richtung, die Disney eingeschlagen hatte. Und doch ist das Mäuseabenteuer eng mit dem Werdegang des Mäusekonzerns verbunden.

Schon 1972 waren Disney die Rechte für eine Adaption des Kinderbuchs „Frau Frisby und die Ratten von Nimh“ von Robert C. O’Brien angeboten worden, das Interesse hielt sich jedoch in Grenzen. Don Bluth aber, der bis 1979 dort arbeitete, ließ die Idee nicht los und beschloss nach seinem Ausstieg gemeinsam mit anderen ehemaligen Disney-Arbeitern das Werk doch noch umzusetzen. Und auch in anderer Hinsicht zeigten sich Bluth und seine Kollegen hartnäckig: Während schon damals alte Animationstechniken zugunsten kostengünstigerer Varianten aufgegeben wurden, hielt Don Bluth Productions an ihnen fest, experimentierte zudem auch mit neuen Methoden. Da Zeit und Geld aber knapper budgetiert waren als beim Vorbild, bedeutete das für die Idealisten alptraumhafte Arbeitszeiten und ein hohes finanzielles Eigenrisiko. An den Kinokassen machte sich das weniger bezahlt, erst durch den Home Release schrieb man schwarze Zahlen. Doch dem Film sieht man das Herzblut zu jeder Zeit an.

Die aufwendigen Animationen sind bis heute sehenswert, die zwar unbewegten, dafür kreativen Hintergründe ebenso. Und auch bei den Lichteffekten wurde nicht gespart: Ganze 46 verschiedene Farbvarianten wurden von Mrs. Brisby angefertigt, um so die unterschiedlichen Lichtverhältnisse der einzelnen Situationen wiedergeben zu können. Heute ist das dank der aktuellen Technik natürlich nichts Besonderes mehr, für die damalige Zeit aber durchaus herausragend. Die schönen Designs der Figuren und die gelegentlichen gelungenen Effekte runden den guten optischen Eindruck ab.

Inhaltlich ist Mrs. Brisby und das Geheimnis von Nimh gefällig, wenn auch manchmal etwas unausgeglichen. Schrecken und Freude liegen hier eng beieinander, als Ausgleich für die furchteinflößenden Figuren wie die Eule, Kater Dragon oder auch einige der Ratten wurden Comical-Relief-Gegenstücke in Form der tollpatschigen Krähe Jeremy und der immer alles besser wissenden Tante Shrew eingebaut. Aber nicht alles davon wird gleich gut ausgearbeitet: Jeremy wird groß in die Geschichte eingeführt, spielt später aber kaum eine Rolle mehr, Hintergründe über Jonathan Brisby fehlen fast völlig, auch andere Punkte bleiben im Unklaren. Zuweilen beschleicht einen daher das Gefühl, dass hier auf Teufel komm raus ständig etwas Neues passieren sollte, egal ob man die Geschichte so weiterbrachte oder nicht. Das gilt besonders für die Fantasy-Elemente gegen Ende des Films, welche eigentlich nicht nötig gewesen wären, dem Abenteuer sogar etwas den simplen Charme rauben.

Und doch ist Mrs. Brisby und das Geheimnis von Nimh ein zauberhafter Film, der sich zwar primär an jüngere Zuschauer richtet, dank der düsteren Elemente und der schönen Optik aber auch für Erwachsene empfehlenswert ist – und sei es nur als eine Erinnerung an eine Zeit, in der man im Animationsbereich noch Risiken einging, anstatt immer auf Nummer sicher gehen zu wollen. Kein Wunder also, dass der Film später Kultstatus errang, 16 Jahre drauf sogar eine Fortsetzung namens Timmy und das Geheimnis von Nimh erhielt und auch ein Real-/Computerfilm-Remake derzeit in Planung ist. Don Bluth hatte von dem späteren Ruhm jedoch wenig: An den beiden anderen Nimh-Filmen war er nicht beteiligt, nach einigen weiteren erfolgreichen Werken (Feivel, der Mauswanderer, In einem Land vor unserer Zeit) verschwand der große Animationskünstler vorzeitig in der Versenkung.



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Das Abenteuer um die kleine Mäusedame Brisby stand seinerzeit unter keinem guten Stern, zählt heute aber zu den Zeichentrickklassikern der 1980er. An einigen Stellen wird es für Kinder etwas düster, die Geschichte ist nicht immer ganz ausgeglichen. Dafür erfreuen flüssige Animationen, kreative Hintergründe und tolle Lichteffekte das Auge, der zauberhafte Film insgesamt das Herz.
8
von 10