Chicago
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Chicago

(„Chicago“ directed by Rob Marshall, 2002)

Chicago
„Chicago“ ist im Rahmen der Award Winning Collection seit 20. Februar auf DVD und Blu-ray erhältlich

Von nichts träumt die einfache Hausfrau Roxie Hart (Renée Zellweger) mehr als davon, als Sängerin große Karriere zu machen. Die Affäre mit dem Möbelverkäufer Fred (Dominic West) soll diesen Traum wahr werden lassen, denn der behauptet, wichtige Leute im Showgeschäft zu kennen. Als er jedoch eines Tages verkündet, das wäre nur ein Trick gewesen, um sie ins Bett zu kriegen, und sie daraufhin auch noch unsanft fallenlässt, sieht Roxie Rot und erschießt den Betrüger vor Zorn. Im Knast angekommen, lernt sie ihr Idol kennen, die ebenfalls des Mordes angeklagte Diva Velma Kelley (Catherine Zeta-Jones), und wetteifert bald mit ihr um die Gunst des Staranwalts Billy Flynn (Richard Gere) und die Aufmerksamkeit der Presse.

Ein Musical soll der beste Film des Jahres sein? Schon 2003 dürfte sich so mancher verwundert die Augen gerieben haben, als Chicago den Oscar als bester Film gewann und sich damit gegen Konkurrenten wie The Hours, Der Pianist oder Gangs of New York durchsetzte. Mehr als zehn Jahre später wird die Genremischung auch gerne immer wieder herangezogen, um die Willkürlichkeit der Hollywoodjury aufzuzeigen. Und das vielleicht nicht einmal zu unrecht. Doch auch wenn Rob Marshalls (Into the Woods, Nine) Verfilmung des gleichnamigen Musicals vielleicht kein Meisterwerk ist, gut ist es allemal, streckenweise sogar hervorragend.

Schon der Einstieg macht Lust auf mehr, wenn Catherine Zeta-Jones in ihrer Version von „All That Jazz“ nicht nur eine unglaubliche Bühnenpräsenz beweist, sondern auch ein beachtliches stimmliches Talent. Überhaupt gibt die prominente Besetzung eine gute Figur ab. Dass Hip-Hop-Queen Queen Latifah, welche den Oscar als beste Nebendarstellerin an Zeta-Jones verlor, singen kann, kam weniger überraschend. Aber auch Gere und John C. Reilly durfte man ohne Vorbehalt zuhören, Ersterem sogar bei einer gekonnten Stepptanzeinlage zusehen. Im Vergleich dazu fällt Zellweger, die sogar für die beste Hauptrolle nominiert war, etwas ab, punktet dafür aber mit einem Charme, der zwischen naiv und manipulativ-abgebrüht hin und her wechselt.

Denn auch das zeichnet Chicago aus: Anders als viele der Musicalkollegen wird hier keine heile Welt dargestellt, zu den farbenfroh-fröhlichen Gesangs- und Tanzeinlagen kommen düstere Töne, zynisch, auch satirisch. Schon das Ursprungsmaterial ist weniger eine Angelegenheit zum Lachen: Das 75er Musical basierte auf dem gleichnamigen Stück von Maurine Dallas Watkins aus dem Jahr 1926. Und das wiederum wurde durch zwei echte Mordfälle inspiriert. Doch das Musical, übrigens das erfolgreichste amerikanische der Broadway-Geschichte, ist weder besonders dramatisch noch allzu spannend. Stattdessen nutzte man das mörderische Treiben für einen Rundumschlag, der gleichzeitig das korrupte Rechtssystem wie auch die skandalsüchtige Medienlandschaft Amerikas anprangert.

Wann immer der Fokus darauf liegt, läuft Chicago auch zur Hochform auf. Absolut brillant ist beispielsweise die Szene, wenn Flynn und Hart eine Pressekonferenz geben, die unbedarfte Mörderin dabei jedoch als Marionette dargestellt wird – und die Journalisten gleich mit dazu. Und auch bei der späteren Gerichtsverhandlung zeigt Marshall seine ganze Klasse. Kunstvoll verwebt er hier die aktuelle Realität, vergangene Erinnerungen und auch Träume, ohne dabei die Grenzen immer als solche erkenntlich zu machen. Da auch die Tanzeinlagen perfekt choreografiert sind, wird für Augen und Ohren so viel geboten, dass zumindest klar wird, warum die Juroren seinerzeit dem Charme des Musicals erliegen konnten.

Und doch, hinter dem prachtvollen Äußeren und der streckenweise umwerfenden Inszenierung wartet ein Inhalt, der oft nicht ganz so spannend ist. Streckenweise verliebt sich der Film zu sehr ins Singen oder Tanzen, überdehnt belanglose Szenen und wird dabei schlicht langweilig. Etwas mehr Handlung wäre da nicht verkehrt gewesen, damit die Wartezeit auf das nächste Ereignis nicht ganz so lang wird. Manchmal nähert sich der komödiantische Part zudem zu sehr dem albernen Klamauk an, die Figuren selbst sind ohnehin selten mehr als eine Karikatur. Wer Musicals losgelöst von ihren Geschichten mag, dürfte das weniger stören, denn eingängig ist die Musik durchgängig. Der Rest darf sich zumindest über diverse glanzvolle Momente freuen, die Chicago bei aller Kritik zu einer spaßigen Angelegenheit machen.



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„Chicago“ ist eine oft brillant inszenierte Verfilmung des gleichnamigen Musicals mit ungewohnt zynischen und satirischen Elementen. Das ist toll anzusehen und anzuhören, ist streckenweise aber auch zu ereignislos.
7
von 10