The Strange Colour of your Body’s Tears – Der Tod weint rote Tränen

(„L’étrange couleur des larmes de ton corps“ directed by Hélène Cattet & Bruno Forzani, 2013)

The Strange Colour of your Body's TearsIn den 60er, 70er und teilweise noch 80er Jahren des letzten Jahrtausends durfte die Welt eine kleine, filmische Invasion aus Italien erleben, die durch kunstvolle Linse Sex, Gewalt und Obsessionen prachtvoll aufblühen ließ. „Giallo“ nannte man das, benannt nach den gelben Schundkrimiheftchen. Pulp Fiction also. Doch irgendwann war der Markt übersättigt, die Nachfrage versiegt. Das Genre lag – bis auf wenige Ausnahmen – brach. Und während einer der einflussreichsten Regisseure dieser Gattung, Dario Argento, weiterhin an seinem Niedergang werkelt, versetzen Hélène Cattet und Bruno Forzani mit „The Strange Colour of Your Body’s Tears“ dem Giallo eine ganz famose Frischzellenkur.

Als der Geschäftsmann Dan Kristensen (Klaus Tange) von einer Dienstreise zurückkehrt, muss er feststellen, dass seine Frau aus der gemeinsamen Wohnung verschwunden ist. Merkwürdiger noch, dass das Apartment von innen verschlossen ist. Alsbald beginnt Dan auf eigene Faust im Haus zu ermitteln und erfährt von einer mysteriösen Dame, dass es dort vor einiger Zeit einen ähnlichen Fall bereits gegeben hat. Doch Dan ist nicht der einzige, der recherchiert, denn am folgenden Tag steht ein gewisser Kommissar Vincentelli vor der Tür. Dieser weist nicht nur eine frappierende Ähnlichkeit mit Dan auf, er verfügt zudem über Kenntnisse, die er eigentlich nicht haben dürfte. Scheint der Weg der Untersuchung zunächst immer tiefer in die Gemäuer des Hauses hineinzuführen, sind es doch letztendlich vielmehr die psychischen Untiefen der Protagonisten, die sich in ihren Obsessionen zu verlieren drohen. Zudem hat eine in Leder gekleidete Gestalt mit schwarzen Handschuhen offensichtlich etwas gegen die Aufklärung des Falles. So beginnen die Nachforschungen schon bald aus dem Ruder zu laufen und eine Spirale der Gewalt nach sich zu ziehen.The Strange Colour of your Body's Tears Szene 1

Während Filmkritiker am Giallo und seinen Artgenossen gerne die hanebüchenen Drehbücher mit ihren faustgroßen Logiklöchern verurteilten, liebten die Fans die Werke Bavas, Argentos oder Fulcis aufgrund ihrer überschäumenden kreativen Visualität. Genau genommen waren Filme wie „Inferno“ oder „Suspiria“ gerade aufgrund ihrer logischen Schwächen die eigentlich herausragenden Genrebeiträge, da sie den Zuschauer auf eine Achterbahnfahrt, einen filmgewordenen Alptraum, mit all seinem Irrsinn und seinen Widersprüchlichkeiten, mitnahmen. Tatsächlich gelingt es dem Regieduo Cattet und Forzani mit „The Strange Colour of Your Body’s Tears“, dem Ganzen noch einen draufzusetzen. Was zunächst wie ein Thriller beginnt, verliert zunehmend an stringenter Handlung und der Betrachter gerät, ähnlich wie die Akteure selbst, in einen Strudel von Eindrücken, Ereignissen und Irritationen. The Strange Colour of your Body's Tears Szene 2

Die Tonspur begleitet das Geschehen mit einem kongenialen Soundtrack sowie einer herrlich grotesk überzogenen Geräuschkulisse, die aus dem Krabbeln einer Fliege das Heranstürmen einer Büffelherde macht. Festgehalten wird das alles mit perfekt durchgestylten und ästhetischen Bildkompositionen, die die komplette Geschichte des Giallos wie ein Schwamm in sich aufgesogen zu haben scheinen und sie als etwas völlig Neues wieder absorbieren. Leichte Kost ist das definitiv nicht, Mindfuck, L’art pour l’art, Verweigerung, und am Ende wird es wieder die geben, die ob der kaum stattfindenden, psychedelisch-assoziativ anmutenden Handlung verächtlich den Kopf schütteln, und die, denen das Herz in Anbetracht einer solch formvollendeten Huldigung einfach nur aufgeht.

The Strange Colour of your Body’s Tears läuft ab 13. November im Kino 



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Für Liebhaber von linearen Thrillern nicht geeignet, für Freunde von Filmen, die einem so einiges abverlangen, und Fans, die gerne in Erinnerungen an die guten, alten schwarzen Handschuhe schwelgen, ein Muss!
8
von 10