Oktober November

Oktober November

(„Oktober November“ directed by Götz Spielmann, 2013)

Oktober NovemberSchwestern sind sie, doch das wäre auf den ersten Blick nicht zu sehen. Während die bodenständige Verena (Ursula Strauss) den Familienbetrieb – ein kleines Hotel in den österreichischen Bergen – fortführt, hat die deutlich mondänere Sonja (Nora von Waldstätten) in Berlin Karriere als Schauspielerin gemacht. Als jedoch der Vater (Peter Simonischek) einen Herzanfall erleidet, finden beide wieder zusammen. Und müssen feststellen, dass trotz der sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen keine wirklich glücklich mit ihrem Leben geworden ist.

„Niemand weiß wirklich, wer er ist“, heißt es mehrfach im Film, und so könnte auch der Untertitel von Oktober November lauten. Schließlich dreht sich beim österreichischen Drama alles um das Thema Identität, wie sie sich bestimmt, ob wir einen Einfluss auf sie haben, ob es sie überhaupt gibt. Bei Sonja liegt die Beschäftigung mit dem Konzept des eigenes „Ichs“ auf der Hand, muss sie doch als Schauspielerin ständig neue annehmen. Dort verkörpert das Schlüpfen in eine neue Figur gleichzeitig Sehnsucht nach Halt und Flucht vor der Festlegung, die Rolle als Ersatz für ein Leben ohne eigenen Inhalt.Oktober November Szene 1

Interessant ist, wie Regisseur und Drehbuchautor Götz Spielmann diese naheliegende Identitätssuche mit jener der Schwester gleich setzt. War Sonja diejenige, die aktiv von zu Hause weg ging, um ihre zu finden, war Verena die Passive, die Genügsame, diejenige, die anderen ihre Entscheidung überließ, wer sie ist. Die Ausgangspositionen sind also genau entgegengesetzt, das Ergebnis jedoch erstaunlich ähnlich.

Die anderen Figuren von Oktober November bleiben bei diesen existenziellen Fragen größtenteils außen vor, sind bestenfalls Stichwortgeber oder eben im Fall des Vaters Ausgangspunkt der Überlegungen. Verenas eigener Mann Michael (Johannes Zeiler) agiert so sehr im Hintergrund, dass man sich nicht einmal sicher sein kann, ob er tatsächlich mit ihr verheiratet ist oder doch nur Angestellter des Hotels. Dem Film schaden die eher seichten Nebencharaktere jedoch nicht, denn bei allem Fokus auf die beiden Protagonistinnen ist die Interaktion mit den anderen doch glaubhaft ausgestaltet worden, beispielsweise in den schönen Szenen mit Verenas Sohn.Oktober November Szene 2

Von der Geschichte selbst lässt sich das jedoch weniger behaupten. Immer wieder neigt Oktober November zum Melodram, baut Konflikte und finstere Geheimnisse ein, als wären wir mitten in einer Soap Opera gelandet. Warum Spielmann der Ansicht war, auf derlei eher billige Elemente zurückgreifen zu müssen, leuchtet nicht ganz ein. Denn die passen ebenso wie die gelegentlichen Kameraticks so gar nicht zu seinem ansonsten wunderbar unaufgeregten Ensembledrama. Glücklicherweise spielt beides aber eine untergeordnete Rolle, sodass Oktober November trotz des Hangs zur Künstlichkeit ein insgesamt schöner Film über Familie und Selbstbestimmung geworden, über Schicksal und Verantwortung, den Tod und die ewige Suche nach dem Ich.

Oktober November ist seit 14. Oktober auf DVD und Blu-ray erhältlich



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Ist meine Identität vorgegeben oder bestimme ich sie selbst? Anhand zweier gegensätzlicher Schwestern nähert sich Götz Spielmann diesem existenziellen Thema an und stellt dabei eine Reihe interessanter Fragen. Störend ist jedoch der Hang zum Melodram, der das ansonsten authentische Ensembledrama teils recht kürzlich werden lässt.
7
von 10