NOAH

Noah

(„Noah“ directed by Darren Aronofsky, 2014)

NoahSie bekämpfen sich gegenseitig, zerstören die Welt und das, was vom Paradies übrig blieb, und Gottesfurcht zählt auch nicht unbedingt zu ihren großen Stärken: Die Menschen, einst nach seinem Abbild erschaffen, sind zur größten Enttäuschung Gottes geworden. Und so beschließt der Schöpfer, noch einmal völlig von vorne anzufangen, in einer großen Sintflut soll alles beendet werden. Doch die Unschuldigen, also die Tiere, sollen nicht völlig im reißenden Wasser verschwinden: Noah (Russell Crowe) erhält in einer Vision den Auftrag, eine riesige Arche zu bauen und je zwei Exemplare jeder Spezies zu retten. Diese exklusive Rettung weckt jedoch auch den Neid von Tubal Cain (Ray Winstone), dem König der Menschen, der notfalls per Gewalt seinen Platz in dem Schiff fordert. Konfrontiert mit dessen Schlechtigkeit kommen Noah Zweifel: Wäre es nicht besser, wenn das gesamte Menschengeschlecht ausstirbt?

Ein Film über die biblische Sintflut? Ernsthaft? Als Noah dieses Frühjahr nach einigen Produktionsschwierigkeiten doch noch in die Kinos kam, war die Skepsis groß. Nicht nur, dass der Stoff im Jahr 2014 kaum noch vermittelbar war, kurz vorher war mit Pompeii ein weiterer historischer Blockbuster angelaufen und endete in einem völligen Debakel. Nun ist Darren Aronofsky aber kein Paul W. S. Anderson. Wer zuvor so bemerkenswerte Filme wie The Wrestler oder Black Swan inszeniert hat, dem schenkt man dann doch zumindest ein gewisses Grundvertrauen. Und das wurde hier belohnt, zumindest mehr, als man hätte erwarten können.Noah Szene 1

Wenn ein Vergleich ansteht, dann ist das anfangs der mit Die Passion Christi. So wie bei Mel Gibsons umstrittenem Bibelepos hat man auch hier zunächst das Gefühl, versehentlich einen Fantasyfilm eingeschaltet zu haben. Die Welt in Noah wird von eigenartigen Lebewesen bevölkert, darunter auch sechsarmige Steinmonster, die ursprünglich einmal Engel gewesen sein sollen. Die Szenerie ist düster, kaum eine Pflanze wächst mehr, es dominieren dunkle Farben, die Menschen sind nicht mehr als wilde Bestien. Gleichzeitig hat der Film immer etwas Surreales an sich, Aronofsky arbeitet mit starken Kontrasten und verstörenden Traumsequenzen.

Während Gibson im Anschluss aber einer blutigen Banalität verfällt, rückt hier nach dem ausgedehnten Endzeitszenario der Mensch in den Fokus. Die eigentliche Flut, die bei den meisten Regisseuren vermutlich der Höhepunkt der Geschichte gewesen wäre, ist bei Noah erstaunlich kurz und beiläufig. Stattdessen interessiert sich Aronofsky für den Menschen hinter der Überlieferung. Wie geht man damit um, der einzige Überlebende zu sein? Außer seiner Familie niemanden zu retten, wohl wissend, dass dabei unschuldige Frauen und Kinder in den Tod gerissen werden?

Anders als man hätte befürchten können, ist Noah hier auch kein strahlender Held, kein grundguter Retter der Natur, sondern ein gebrochener Mann, der für seinen Gottesglauben auch auf jedes Mitleid verzichtet. Ein bedeutender Prophet als unmenschlicher Fanatiker? Dass das Proteste provoziert, ist klar, in der Bibel war das so nicht angedacht. Interessant sind die Gedankenspiele aber sicherlich, die Überlegung, was in einem Menschen vorgehen mag, der eine so wichtige und gleichzeitig grausame Aufgabe zu erfüllen hat.NOAH

Dafür lässt sich Aronofsky dann auch viel Zeit, in epischer Breite zeigt er, wie Noahs Mitgefühl nach und nach erodiert, bis es schließlich selbst zu Stein wird. Das wäre an einigen Stellen sicher schneller gegangen, dafür ist das Ende überhastet. Außerdem wäre es schön gewesen, wenn die Nebenfiguren die gleiche Sorgfalt erfahren hätten wie unser Protagonist und Titelgeber. Ob es nun Noahs Familie ist, die Adoptivtochter oder auch seine Gegner, sie alle bleiben bis zum Schluss erschreckend blass. Dafür darf Crowe endlich mal wieder ein Können seiner Schauspielkunst zeigen und zeichnet – sofern man sich auf die fragwürdige Einstellung seiner Figur einlässt – ein in sich schlüssiges Bild des verschlossenen, innerlich zerrissenen Archekonstrukteurs. Dieses Psychodrama mit einem effektgeladenen Fantasyabenteuer zu verknüpfen, ist eine sicherlich seltsame Entscheidung, die in ihrer Gewichtung auch nicht ganz auf geht. Aber das macht Noah gleichzeitig zu einem weiteren bemerkenswerten Film, der Aronofskys guten Ruf unbeschädigt lässt.



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Ein Film über eine Sintflut zu drehen, hört sich gleich in mehrfacher Hinsicht nach einer Katastrophe an. Doch auch wenn "Noah" Mängel hat wie eine mangelnde Balance oder langweilige Nebenfiguren ist Aronofsky eine bemerkenswerte Mischung aus Fantasyabenteuer und Psychodrama geglückt.
7
von 10