Das Mädchen und der Künstler

Das Mädchen und der Künstler

(„El artista y la modelo“ directed by Fernando Trueba, 2012)

Das Mädchen und der KünstlerNur Ärzte und Künstler dürfen nackte Frauen anschauen, so die feste Überzeugung von Léa (Claudia Cardinale); Ärzte, um sie zu heilen, Künstler, um so schöne Bilder und Skulpturen zu schaffen. Und Léa muss es wissen, war sie in ihrer Jugend doch das umschwärmte Modell vieler namhafter Künstler. Einer davon wurde auch ihr Ehemann. Viel hat Marc Cros (Jean Rochefort) in letzter Zeit jedoch nicht mehr erschaffen, inzwischen stolze 80 Jahre alt, lebt er mit seiner Frau und Haushaltsgehilfin Maria (Chus Lampreave) zurückgezogen auf dem Land. Als Léa im Sommer 1943 die flüchtige Mercé (Aida Folch) im Dorf entdeckt, macht sie ihr das Angebot, für ihren Mann Modell zu stehen. Tatsächlich willigt die junge Katalanin ein und posiert für den Künstler, während um sie herum der Zweite Weltkrieg seinen Höhepunkt ansteuert.

Für Marc hat das Geschehen in der Welt jedoch nur wenig Belang, und damit auch für den Film. Etwas brisanter wird es, als der französische Widerstandskämpfer Pierre (Martin Gamet) auftaucht, und auch die Deutschen stehen zwischenzeitlich vor der Tür. Ansonsten hätte Das Mädchen und der Künstler aber zu jeder beliebigen Zeit und an jedem beliebigen Ort spielen können. Wie schon bei seinem oscarnominierten Animationsfilm Chico & Rita interessiert sich der spanische Regisseur Fernando Trueba hier vor allem für die Künste.Das Mädchen und der Künstler Szene 1

Wie lassen sich Momente und Ideen in Bildern einfangen? Wozu dient die Kunst? Was ist sie überhaupt? Das alles sind Fragen, die während des spanisch-französischen Dramas hier und da auftauchen. Um definitive Antworten geht es Trueba dabei aber nicht, Anleitungen zur Kunst gibt es keine. Das muss auch Mercé immer wieder feststellen, deren naive Vorstellungen mit der abgebrühten Lebensmüdigkeit des alten Bildhauers zusammenprallen. Die Geschichte von Das Mädchen und der Künstler ist daher auch die zweier Menschen aus völlig unterschiedlichen Welten, die anfangs nicht viel miteinander anfangen können, sich mit der Zeit aber zu schätzen wissen.

Wirklich überraschend kommt diese Annäherung nicht, ist aber doch glaubwürdig umgesetzt. Dafür braucht Trueba auch keine großen Worte, über weite Strecken verzichtet er auf Dialoge und vertraut lieber der Mimik und Gestik seiner beiden Darsteller. Und für dieses Vertrauen wird er belohnt. Der französische Altstar Jean Rochefort spielt den zurückgezogenen Künstler mit einer Mischung aus Verbitterung und aufrichtiger Liebe, der dank der lebenshungrigen Mercé wieder aufblüht. Für diese Leistung wurde er wie auch Aida Folch für einen Goya Award nominiert. Überhaupt zählte der Film 2013 neben Blancanieves, Kings of the City und The Impossible zu den ganz großen Kandidaten bei dem wichtigen spanischen Filmpreis. Doch trotz 13 Nominierungen, keine einzige Trophäe durften die Beteiligten mit nach Hause nehmen.Das Mädchen und der Künstler Szene 2

Dabei hätte Das Mädchen und der Künstler zumindest für seine Optik sicher eine Auszeichnung verdient, wie auch Blancanieves fesselt das Drama durch ungemein stimmungsvolle Schwarz-Weiß-Bilder. „Draußen im Freien ist alles in Bewegung, sogar das Licht. Wie soll man das einfangen?“ Wenn das Licht durch die Blätterkronen bricht oder sich im nahegelegenen See spiegelt, ist das so ausdrucksstark, dass man selbst dann noch gebannt auf den Bildschirm starrt, wenn gerade nichts passiert – und das ist sehr oft der Fall, der Film ist insgesamt sehr ruhig. Und das gilt sogar in mehrfacher Hinsicht: Musik verwendet Trueba so gut wie keine. Nur das Zwitschern der Vögel füllt die Stille, das Rascheln der Blätter, das Geräusch von Marcs Stift, wenn er seine Zeichnungen anfertigt. Ein bisschen Geduld braucht man hier also schon. Und auch eine Empfänglichkeit für die Schönheit des Lebens und der Natur. Dann aber darf man sich hier zurücklehnen und betören lassen.

Das Mädchen und der Künstler ist seit 10. Juli auf DVD und Blu-ray erhältlich



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Ohne viel Handlung und ohne große Worte erzählt Fernando Trueba die Geschichte eines alten Künstlers und seiner jungen Muse. Das Ergebnis ist zwangsweise sehr ruhig, aber glaubhaft umgesetzt und betört mit stimmungsvollen Schwarz-Weiß-Bildern.
7
von 10