Across the River

Across the River

(„Oltre il Guado“ directed by Lorenzo Bianchini, 2013)

Across the River„Die Vergangenheit ruht nie“, gibt ein älterer Mann seiner Frau zu verstehen. Und seine Besorgnis ist begründet, wie bald eine Reihe von Menschen in einem Gebiet zwischen Italien und Slowenien feststellen müssen.

Dabei ging es ihm eigentlich nur um die Tiere, die dort leben: Unbeirrt und auf sich alleine gestellt streift der Verhaltensforscher Marco Contrada (Marco Marchese) durch den abgelegenen Wald, bringt Kameras and Bäumen oder Felsen an und wertet abends die Aufnahmen auf. Als ihn eines Tages seltsame Bilder in ein verlassenes Dorf jenseits des Flusses führen, beschließt er dort zu bleiben und sich ein wenig umzusehen. Doch irgendetwas stimmt dort nicht, wohin sind all die Menschen so plötzlich verschwunden? Umkehren kann er da aber schon nicht mehr, sintflutmäßige Regenschauer haben alle Wege abgeschnitten. Und dann ist auf einmal auch sein Wohnwagen weg.

Blair Witch Project, bist du’s? Anfangs sind die Parallelen kaum zu übersehen: Auch hier begibt sich ein etwas unbedarfter Mensch in weitläufige Wälder, filmt das gesamte Geschehen und begegnet dem Bösen, das im Schatten lauert. Eine bloße Kopie ist Across the River jedoch nicht. So spielen Kameraaufnahmen zwar eine große Rolle, doch sind sie hier eher der Ausgangspunkt und nicht wie bei den endlosen Found-Footage-Klonen der Mittelpunkt des Films. Ein Großteil des Films findet in der Beobachterperspektive statt, wir sehen Marcos Aktionen von außen und nicht durch seine Augen. Und auch Szenen, die der Forscher gar nicht selbst erlebt, dürfen wir als Zuschauer exklusiv beiwohnen.Across the River Szene 1

Diese Abkehr vom Pseudodokumentarischen ist sympathisch, gleichzeitig an einigen Stellen aber auch missglückt. Überflüssig war beispielsweise die Einführung des alten Ehepaars, welches das Geschehen kommentiert und Hintergründe zu den unheimlichen Vorkommnissen liefert. Zum einen wäre es wirkungsvoller gewesen, die Vergangenheitsforschung komplett dem Protagonisten zu überlassen, mit ihm zusammen die Wahrheit zu erfahren, anstatt sie mal bei ihm, mal bei den beiden unterzubringen. Zum anderen wird die klaustrophobische Atmosphäre ein wenig zunichte gemacht, das Gefühl, Marco wäre die einzige Menschenseele in dem düsteren Wald.Across the River Szene 2

Lässt sich darüber noch hinwegsehen, ist das bei der musikalischen Untermalung schwieriger. Immer wieder erklingen fette Streichereinlagen und chorische Gesänge, die sich deutlich in den Vordergrund drängen und so gar nicht zu der ansonsten sehr minimalistischen Inszenierung passen wollen. Mag sein, dass hiermit der manchmal etwas dünne Inhalt – in der zweiten Hälfte von Across the River passiert nicht allzu viel – überdeckt werden soll. Dennoch: Stimmungsvoller sind die Szenen, in denen allein mit Geräuschen gearbeitet wird. Wassertropfen, Wind, knarrende Türen. An solchen Stellen zeigt Regisseur und Ko-Autor Lorenzo Bianchini der großen Konkurrenz aus Hollywood, wie man mit einfachsten Mitteln ein Maximum an Atmosphäre herausholen kann. Und auch wenn die Geschichte aufgrund des etwas dünnen Inhalts sicher bei einem Kurzfilm besser aufgehoben gewesen wäre, empfiehlt sich der Italiener hier Genrefreunden auf jeden Fall als jemand, den man im Auge behalten sollte.

Across the River erscheint am 18. Juli auf DVD und Blu-ray



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Minimalismus vom Feinsten: Lorenzo Bianchini demonstriert, wie man mit wenig Mitteln eine schön unheimliche Atmosphäre erzeugen kann. Etwas mehr Inhalt und dafür eine weniger aufdringliche Musik wäre dennoch wünschenswert gewesen.
6
von 10