La Grande Bellezza – Die große Schönheit

La Grande Bellezza – Die große Schönheit

(„La Grande Bellezza“ directed by Paolo Sorrentino, 2013)

La Grande Bellezza – Die große SchönheitWenn einmal im Jahr die Oscars vergeben werden, dann gilt die Aufmerksamkeit vor allem den Hauptkategorien: Was mag der Film des Jahres sein? Wer wird als bester Darsteller ausgezeichnet? Welcher Regisseur darf die Statue mit nach Hause nehmen? Dabei wird eine Kategorie oft übersehen, obwohl die eigentlich zu den interessantesten der Zeremonie gehört: der beste nicht-englischsprachige Film. Für die USA aus naheliegenden Gründen eher zweitrangig tummeln sich dort Beiträge aus aller Welt, deren einzige Gemeinsamkeit darin besteht, in einer anderen Sprache gedreht worden zu sein.

Besonders schön ist, dass dort nicht einmal bekannte Namen notwendig sind, um gewinnen zu dürfen. Und das zeigte sich auch dieses Jahr wieder. Im Vorfeld als großer Favorit gehandelt, wurde The Grandmaster, das Comeback des chinesischen Kultregisseurs Wong Kar-Wai, nicht einmal nominiert. Und auch Die Jagd musste sich geschlagen geben, obwohl Mads Mikkelsen dank Hannibal wieder dick im Geschäft ist. Nein, der große Gewinner wurde, wie auch schon bei den Golden Globes, ein vergleichbar kleiner italienischer Film über Verlust, Lebenslügen, Dekadenz, aber eben auch Kunst und Schönheit.

Ob La Grande Bellezza – Die große Schönheit wirklich der beste Beitrag war, darüber kann man wie immer streiten, einer der ungewöhnlichsten war er auf alle Fälle. Neun Minuten müssen wir warten, bis das erste Mal ein Dialog stattfindet, den man auch als solchen bezeichnen kann. Eine weitere Viertelstunde dauert es, bis sich überhaupt herauskristallisiert, wer denn die Hauptfigur des Films ist. Jep Gambardella (Toni Servillo) heißt sie, ist 65 Jahre alt und hat vor 40 Jahren einen Roman geschrieben, von dessen Ruhm Jep bis heute lebt. Zwischendurch muss er auch als Journalist gearbeitet haben, wovon der Zuschauer im Film aber nur wenig zu sehen ist – arbeiten tut er, wie auch sämtliche anderen Figuren, während der 140 Minuten kaum.

La Grande Bellezza – Die große Schönheit Szene 1

Stattdessen streift er durch seine Heimatstadt Rom und begegnet dabei den skurrilsten Figuren, u.a. der mysteriösen Stripperin Ramona (Sabrina Ferilli) und einem Kardinal, dessen einziges Gesprächsthema seine Kochrezepte sind. Das ist Oh Boy gar nicht unähnlich. Wurde dort jedoch aus der Perspektive eines jungen Mannes erzählt, der in einer seltsamen Welt seinen Weg zu finden sucht, blicken wir hier zurück; Jep denkt über sein Leben nach, die Leute um ihn herum, und an seine große Liebe, die nie eine sein durfte. Auch bei der Optik unterscheiden sich beide Filme deutlich: Im Gegensatz zu den nüchternen Schwarzweiß-Bildern der deutschen Tragikomödie, erschlägt einen La Grande Bellezza – Die große Schönheit mit durchweg grandiosen Aufnahmen. Doch hinter denen wartet nichts, die Fassade kaschiert die große Leere der Menschen.

„Ich wurde immer wieder gefragt, warum ich nie einen zweiten Roman geschrieben habe. Schau dir die Leute an. Das ist mein Leben. Und es ist nichts.“

Als wunderbares Bild hierfür wählte Regisseur und Koautor Paolo Sorrentino die Polonaisen, die auf keiner der vielen Feste in Jeps Leben fehlen dürfen: In aufwändigen Kostüme herausgeputzt, laufen die Gäste immerzu im Kreis, feiern sich selbst und kommen doch nie vom Fleck. So wie dort werden fortlaufend die eitlen Lebenslügen entlarvt; mal durch den zynischen Jep, der eine Freundin unbarmherzig vor den anderen demontiert oder in einem Interview unnachgiebig eine Erklärung von der Künstlerin einfordert, mal durch die Situation an sich: ein junges Mädchen, das sich immer und immer wieder verzweifelt gegen eine Leinwand voller Farbe wirft und damit ihre Eltern reich macht.

La Grande Bellezza – Die große Schönheit Szene 2

So wie hier lauert auch an anderen Stellen des Films an jeder Ecke das Groteske, teils gleitet La Grande Bellezza – Die große Schönheit fast schon ins Surreale ab. Für manchen Zuschauer könnte das zum Problem werde, denn bei aller Komik und der optischen Brillanz bleiben einem die Figuren bis zum Schluss fremd. Sorrentinos Blick auf eine dekadente, mit sich selbst beschäftigte Oberschicht ist zwar nicht rein boshaft, aber im Grundton so satirisch und überspitzt, dass auch die Charaktere selten wie Menschen wirken. Nur manchmal wird hier das Messer heruntergenommen und hinter der schön-hässlichen Fratze kommt so etwas wie Warmherzigkeit und Wahrhaftigkeit zum Vorschein, meist verbunden mit der Melancholie und der Sehnsucht nach vergangenen Zeiten.

Doch die verschwindet bald wieder, der Alkohol fließt, Drogen werden konsumiert und dabei ganz ungeniert zu Euro-Trash getanzt. Die Feier muss schließlich weitergehen, denn mehr als das ist hier kaum jemanden geblieben.

La Grande Bellezza – Die große Schönheit ist seit 7. März auf DVD und Blu-ray erhältlich



(Anzeige)

Rauschende Feste, eine grandiose Optik, doch dahinter nichts als Leere. La Grande Bellezza – Die große Schönheit wirft einen satirischen Blick auf die Oberschicht Roms und schreckt auch vor grotesken Situationen nicht zurück. Bewegend ist der Film trotz seiner Melancholie eher selten, dafür aber wahnsinnig komisch und toll anzusehen.
8
von 10