The Philosophers – Wer überlebt?

The Philosophers – Wer überlebt?

(„The Philosophers“ directed by John Huddles, 2013)

The Philosophers – Wer überlebt?Philosophen? Das sind doch diese Spinner, die den ganzen Tag auf der faulen Haut liegen, um Lösungen für Probleme zu suchen, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Was willst du denn damit später einmal anfangen? So oder ähnlich fallen Reaktionen oft aus, wenn du verkündest, statt wirtschaftlich produktiver Fächer wie BWL, Jura oder Medizin ausgerechnet Philosophie studieren zu wollen. Mr. Zimit (James D’Arcy) ist das reichlich egal. Die meisten Menschen sind seiner Meinung nach ohnehin völlig verblödet, sich nach denen zu richten, kommt für den eigenwilligen Lehrer an einer internationalen Schule in Jakarta gar nicht erst in Frage. Gut genug, das kann nicht das Ziel eines denkenden Menschen sein.

Und das ist es auch, was er seinen Schülern beizubringen versucht: das Denken. Dafür wählt er die Methode des Gedankenexperiments, gibt Situationen vor, über die die anderen dann urteilen müssen. Wie würden sie sich verhalten? Wie sollte man sich verhalten? Und warum? Moralisch schwierige Entscheidungen fordert er ihnen ab und eine Rückbesinnung auf die Logik. Selbst am letzten Schultag weicht Zimit davon nicht ab: Dieses Mal sollen sich die zwanzig Schüler vorstellen, ein Atomkrieg stünde bevor, der einen Großteil der Erde zunichte machen wird. Zum Glück stehen jedoch Bunker bereit, in denen genug Vorräte und Sauerstoff sind, um ein Jahr zu überleben – die Zeit, die es braucht, bis man wieder nach draußen kann. Doch die Sache hat einen Haken: Es finden dort nur zehn Leute Platz. Und so stellt sich die Frage, wer hinein darf und wer sterben muss.The Philosophers – Wer überlebt? Szene 1

Einen ganzen Film auf einem moralischen Dilemma basieren zu lassen, das ist schon ungewöhnlich. Natürlich haben andere schon vor Regisseur und Drehbuchautor John Huddles auf vergleichbare Ideen zurückgegriffen. In The Dark Knight etwa stellte der Joker seine Opfer immer wieder vor perfide Lose-Lose-Situationen. Doch Nolan hatte damals eine andere Absicht, bei seiner Batmanverfilmung wurde das Dilemma zum bloßen Aufbau von Spannung gebraucht. Dass seine Figuren sich nicht besonders plausibel verhielten und sich vor einer Antworten drückten, störte ihn damals nicht. Bei The Philosophers hingegen geht es um viel grundsätzlichere Fragen: Was bestimmt den Wert eines Menschen? Die Fähigkeit zur Fortpflanzung? Nützliche Fähigkeiten? Der Charakter? Einfach nur zuschauen ist nicht, denn als Zuschauer wird einem gar nicht erst die Möglichkeit gelassen, sich aus dem Staub zu machen. Hier heißt es Position  beziehen – und dann mit den Konsequenzen leben.

Ungewöhnlich ist aber nicht nur die Konzentration auf eben diese Fragestellung, sondern auch deren Umsetzung. Schon bei der Genreeinteilung stößt man schnell an seine Grenzen. Man könnte Science Fiction dazu sagen, weil über mögliche Zukunftsszenarien spekuliert wird. Oder auch Thriller, denn in dem Gedankenexperiment kommt es immer wieder zu spannenden Situationen. Komödie? Das wäre ebenfalls nicht verkehrt, denn witzig, teils geradezu absurd komisch ist das Geschehen auf jeden Fall. Gleichzeitig hat The Philosophers starke Züge eines Dramas, wenn sich die Geschichte zu den Personen hin verschiebt und sich die fiktiven Rollen des Experiments mit den tatsächlichen Persönlichkeiten der Schüler vermischen.The Philosophers – Wer überlebt? Szene 2

Diese bewusste Auflösung zwischen Realem und Erdachtem spiegelt sich auch in der Inszenierung wieder. Wenn die 20 Kursteilnehmer mitten in der Wüste stehen oder auf einer einsamen Insel und im Hintergrund Atompilze hochgehen, dann sieht das reichlich unwirklich, teils surreal aus – was auch überaus passend ist für einen Film, der zum Großteil in der Vorstellungskraft spielt. Insofern schaffte es Huddles, seinen philosophischen Film in adäquate Bilder zu passen. Nur bei der Musik wird es manchmal unnötig dramatisch, gebraucht hätte es das nicht.

Die musikalische Unterlegung ist nicht die einzige Stelle, an der der Film übers Ziel hinausschießt. Die gut gemeinte Message zum Schluss in allen Ehren, ganz so plakativ-romantisierend hätte es nicht sein müssen. Überhaupt ist der Schluss nicht annähernd so fesselnd wie der Weg dorthin, die finalen Szenen hätte man sogar getrost weglassen dürfen. Doch darüber lässt sich hinwegsehen, genau wie über die nur grob gezeichneten Figuren, die sonderbare Besetzung – eine Philosophieklasse, in der alle Frauen hübsch sind, die Männer alle Sickpacks haben? – oder Handlungen, die nicht immer nachvollziehbar bleiben. Denn der diversen und offensichtlichen Schwächen zum Trotz, einen vergleichbar eigenständigen und nachdenklich stimmenden Film wie The Philosophers – Wer überlebt? findet man im Meer der Me-Too-Tristesse nur selten.

The Philosophers – Wer überlebt? ist seit 18. Februar auf DVD und Blu-ray erhältlich



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Was bestimmt den Wert eines Menschen? Von dieser einen Frage ausgehend stellt The Philosophers – Wer überlebt? ganz grundlegende moralische Überlegungen an. Die Antworten darauf sind etwas plakativ, das Ende insgesamt mau. Freunde ungewöhnlicher Filme sollten sich die Genremischung aber dennoch nicht entgehen lassen.
7
von 10