Take This Waltz

Take This Waltz

(„Take This Waltz“ directed by Sarah Polley, 2011)

Take This Waltz„Ich hab Angst vor Anschlussflügen, die ich kriegen muss. Angst vorm Umsteigen, dem Rennen und dem Nicht-Wissen wohin und davor, wie ich das rauskriege. Meine Angst, ich schaff es vielleicht nicht.“

Von all den Ängsten, die einen als Erwachsenen so plagen können, dürfte diese hier eine der seltsamsten sein. Und doch ist sie für jemanden wie Margot (Michelle Williams), die sich grundsätzlich unwohl fühlt, wenn sie zwischen zwei Sachen steht, eine irgendwie passende Phobie. Zum Glück verläuft ihr Leben – abgesehen von einschüchternden Urlauben – in geordneten Bahnen. Ihr Mann Lou (Seth Rogen) ist beispielsweise unglaublich verlässlich, denn der verbringt den ganzen Tag ohnehin nur zu Hause am Herd und kocht. Hühnchen. Jeden Tag. Hühnchen. Für ein Hühnchenkochkbuch, an dem Lou arbeitet. Das mag im Einzelnen noch spannend sein, in regelmäßiger Folge verliert die etwas eintönige Küche dann aber doch ihren Reiz.

Rikschafahrer und Hobbymaler Daniel (Luke Kirby) bringt da schon deutlich mehr Chaos ins Leben seines Umfeldes. Als Margot ihm während einer Reise begegnet, kann sie sich deshalb nicht entscheiden, ob sie ihm begeistert um den Hals fallen oder doch lieber eine knallen soll. Doch wozu sich darüber Gedanken machen, denn nach der Reise wird sie ihn ja los sein. Oder nach dem Flug. Spätestens aber nach der gemeinsamen Taxifahrt. Dachte sie. Bis sie mit einer Mischung aus Freude und Entsetzen feststellt, dass Daniel seit Neuestem gegenüber wohnt. Und so kommt es, wie es kommen muss: Angezogen voneinander, beginnen die beiden, sich heimlich zu treffen, ohne je die Grenze des Platonischen zu überschreiten; schließlich ist Margot ja verheiratet. Was auf Dauer natürlich nicht gut gehen kann.Take This Waltz Szene 1

Hin und her, nein, dann vielleicht doch ja, dieses Unentschlossene, das ständige Schwanken ist nicht nur das, wovor Margot am meisten Angst hat, sondern auch das hervorstechendste Merkmal von Take This Waltz. Ständig kreisen die beiden Verliebten umeinander, unschlüssig, wie sie sich verhalten sollen oder was sie von dem anderen zu erwarten haben. Aber auch im Größeren ist der kanadische Independentfilm seltsam uneinheitlich, wechselt von komischen zu traurigen Szenen, ist mal reichlich übertrieben – das Kennenlernen wirkt stark konstruiert, die Berufe und Figuren zumindest skurril – und dann wieder geradezu erschreckend real.

Zwei erwachsene Menschen, die in Anwesenheit des Partners zuweilen schlagartig einige Jahrzehnte jünger werden und sich gegenseitig in Babysprache ansprechen, das dürfte jeder kennen, der Paare in seinem Umfeld hat. Diese kleinen infantilen Liebesspielchen auf die große Leinwand zu bringen – hier zwischen Margot und Lou –, dazu gehört aber schon eine Menge Mut. Dass diese Alltagszenen nicht albern wirken oder gar nervig sondern oft richtig rührend, muss man dem Team vor und hinter der Kamera definitiv hoch anrechnen. Regisseurin Sarah Polley, die sich zunächst als Schauspielerin einen Namen machte, inszenierte ihre Tragikomödie sehr einfühlsam, mit warmen Bildern und wird dabei wunderbar von ihren drei Hauptdarstellern unterstützt.Take This Waltz Szene 2

Michelle Williams durfte ja schon in mehreren oscarnominierten Rollen unter Beweis stellen, dass sie eine richtig gute Charakterdarstellerin ist. Die größere Überraschung bei Take This Waltz ist daher, wie viel Talent letztendlich auch in Seth Rogen steckt, sonst eher auf Komödien spezialisiert. Zusammen mit Luke Kirby zeigen sie, dass es keine übertriebenen Gesten, kein großes Drama braucht, um Figuren zum Leben zu erwecken, die einem ans Herz gehen. Überhaupt ist der Film viel ruhiger und unspektakulärer, als man es bei dem Thema vielleicht erwarten könnte. Nicht der leidenschaftliche Ehebruch steht im Mittelpunkt, der in der Form ohnehin nie stattfindet, sondern die Unsicherheit der Beteiligten. Die Suche nach der Aufregung, um dem drögen Alltag zu entkommen, der sich nach einiger Zeit in jeder Beziehung breitmacht. Der Versuch, die gefühlte Leere auszufüllen.

Einziger Wermutstropfen ist das Ende: Während sich Polley sehr viel Zeit nimmt, um das langsame Herantasten der beiden frisch Verliebten zu zeigen, wird es danach sehr holprig und wieder zu konstruiert. Zumal die Aussage am Schluss das aufgreift, was sie vorher in einer kleinen aber deutlich gelungeneren Szene bereits angekündigt hat: Eine Gruppe älterer Damen, korpulent, nicht sehr ansehnlich, stehen nach dem Schwimmen unter der Dusche und geben ihren jungen Mitsportlerinnen eine ebenso einfache wie zutreffende Weisheit mit: „Was neu ist, wird auch alt.“

Take This Waltz ist seit 13. September auf DVD und Blu-ray erhältlich



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Wunderbar gespielt und einfühlsam inszeniert erzählt Take This Waltz die Geschichte von einer verheirateten Frau, die sich in einen anderen verliebt. Originell ist das nicht, aber so authentisch und lebensnah erzählt, dass einem der ruhige Film und seine Figuren doch ans Herz wachsen.
8
von 10