Painless

Painless – Die Wahrheit ist schmerzhaft

(„Insensibles“ directed by Juan Carlos Medina, 2012)

PainlessWer jenseits der Dreißig schon einmal versucht hat Sport zu treiben, kennt dieses Phänomen: Plötzlich wird der eigene Körper von allerlei Wehwehchen heimgesucht. Der Rücken, die Knie, die Schultern. Irgendwie scheint jedes Körperteil betroffen. Schlimmer noch sind aber die ganzen undefinierten Schmerzen, die sich nicht mehr zuweisen lassen. Wie sehr wünscht man sich in diesen Momenten, wieder jung zu sein. Oder besser noch: Überhaupt keine Schmerzen spüren zu können.

Auf Benigno (Ilias Stothart) trifft beides zu. Anfang der 1930er war das, in einem abgelegenen spanischen Bergdorf. Benigno und die anderen Kinder leiden an einer mysteriösen Krankheit. Sofern man hier von einem „Leiden“ sprechen kann. Tatsächlich verfügen die Kleinen über keinerlei Schmerzempfinden. Was sich zunächst nach einem Segen anhört, ist aber das genaue Gegenteil. Schmerzen, so lehrt uns die Biologie, sind wichtig, denn nur durch sie spüren wir, was gut für uns ist und was nicht. Die Kinder haben davon natürlich keine Ahnung und deswegen auch nicht die geringsten Probleme damit, sich selbst und andere zu verstümmeln. Ausgerissene Fingernägel, Verbrennungen – für den Nachwuchs ist das nicht viel mehr als ein Spiel. Und so werden die Schmerzlosen in eine Anstalt unter der Leitung von Dr. Carcedo (Ramon Fontserè) eingesperrt. Der soll nicht nur dafür sorgen, dass sich die Kinder selbst und anderen kein Leid zufügen, zusammen mit dem renommierten Wissenschaftler Professor Dr. Holzmann (Derek de Lint), versucht er außerdem, hinter das Geheimnis der Krankheit zu kommen.

Szenenwechsel in die Neuzeit: Der Neurochirurg David Martel (Àlex Brendemühl) hat ganz eigene Sorgen. Da wäre zum Beispiel seine Frau, die bei einem Autounfall ums Leben kommt. David kommt relativ ungeschoren davon, erfährt aber bei der Untersuchung im Krankenhaus, dass er Lymphknotenkrebs hat. Seine einzige Hoffnung ist eine Knochenmarkspende seiner Eltern. Als er damit zu ihnen fährt, sind die nicht nur äußerst reserviert, David hat zudem das Gefühl, dass sie ihm etwas verheimlichen. Dass da etwas ist, das sie ihm nie erzählt haben. Da die beiden aber nicht mit der Wahrheit rausrücken wollen, ermittelt der Totgeweihte auf eigene Faust. Und diese Ermittlungen führen ihn weit in die Vergangenheit, ins Spanien der 1930er.Painless Szene 1

Wenn ein Film in Deutschland Premiere auf dem Fantasy Filmfest feiert bzw. auf dessen Ableger, den Fantasy Filmfest Nights, ist Eingeweihten klar, was sie zu erwarten haben. Vor allem, wenn es sich um einen Film über Kinder mit besonderen Fähigkeiten handelt. Doch Painless zeigt wieder einmal, dass das spanische Kino sich nicht immer an Erwartungen hält. Über weite Strecken ist das Spielfilmdebüt von Regisseur Juan Carlos Medina nämlich ausgesprochen ruhig ausgefallen. Nicht die übermenschlichen Fähigkeiten stehen im Mittelpunkt, sondern die Menschen.

„Was ist Schmerz?“

„Das Gegenteil von Freude.“

Vor allem natürlich das Schicksal der Kinder, die vom Leben weggesperrt werden, geht einem zu Herzen. Statt des erwarteten Horrors gleicht Painless daher eher einem Drama. Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit. Am Anfang halten sich verspielte Unschuld und Grausamkeit die Waage, später nimmt letztere deutlich die Überhand. Ganz explizit wird der Film aber auch dann selten, meistens belässt er es bei Andeutungen und dem Wissen, was passiert – und das ist schon schlimm genug. Gerade die späteren Szenen während des spanischen Bürgerkrieges zeigen, wie schwer die Zeit bis heute auf der spanischen Seele lastet. Etwas erinnert der Film dadurch an Pans Labyrinth, das ebenfalls die Grauen dieses Krieges mit einer „fantastischen“ Geschichte verbindet.Painless Szene 2

Im Gegensatz dazu fällt der zweite Handlungsstrang um David deutlich zahmer aus, was dem Film aber durchaus gut tut: Seine Geschichte bildet einen ruhigen Gegenpol zu den heftigen Szenen im spanischen Bergdorf. Außerdem dient sie als Rahmenhandlung, um immer tiefer in die Vergangenheit einzutauchen, was auch ziemlich gut klappt. Nur die tatsächliche Zusammenführung der beiden Stränge am Ende ist nicht so ganz geglückt. Aber bis wir so weit sind, gefällt die ungewöhnliche Genremischung. Vor allem beweist der Low-Budget-Film, dass selbst in einem Fantasyhorrordrama Einfallsreichtum oft wichtiger ist für eine stimmungsvolle Atmosphäre als ausgefeilte Spezialeffekte.



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Painless ist eine ungewöhnliche aber sehr stimmungsvolle Mischung aus Drama und Horror. Über weite Strecken ist der spanische Filme ziemlich ruhig, dreht später jedoch kräftig auf. Insgesamt ein interessanter Genrebeitrag und ein starkes Spielfilmdebüt.
7
von 10